in Catholica, Evangelium vitae, Normae

Sünde, Schuld, Vergebung und Versöhnung

Die Debatte um Kindesmissbrauch in katholischen wie auch in liberalen Einrichtungen offenbart vieles, nicht zuletzt aber ein zutiefst gestörtes Verhältnis zu Sünde, Schuld, Vergebung und Versöhnung. Die moderne Gesellschaft kann nicht akzeptieren, dass der Mensch ein Sünder ist und deshalb immer wieder damit zu rechnen ist, dass er seine eigenen Werte und Normen verletzt. Sie kennt keinen vernünftigen Umgang mit Schuld, sie kann dem Schuldigen nicht vergeben und findet keinen Weg zur Versöhnung.

Die moderne Gesellschaft nimmt den Menschen als seinen eigenen und alleinigen Maßstab, an dem sich Werte und Normen auszurichten haben. Aus der empirischen Tatsache, dass Mütter ihre ungeborenen Kinder töten, folgt die Legalisierung der Abtreibung. Aus der Beobachtung, dass Priester ihre schutzbefohlenen Kinder missbrauchen, folgt die Abschaffung des Zölibats und des Priestertums. Was folgt eigentlich aus Kindesmissbrauch in liberalen Reformschulen?

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Kommentar

  1. Katholisch und liberal sind keine Gegensätze. Auch greift es m. E. zu kurz, die „moderne“ Gesellschaft als diejenige, welche „den Menschen als seinen eigenen und alleinigen Maßstab“ sehe, zu charakterisieren. Die Gesellschaft, in der wir leben (meinetwegen also die moderne) ist durchaus heterogen – es gibt Christen, Muslime, Atheisten und Agnostiker. Wir leben tatsächlich nicht (mehr) in einem christlichen Abendland. Dennoch gibt es, davon bin ich überzeugt, gemeinsame Maßstäbe des Handelns zwischen den Kulturen und Religionen. Gottes Maßstäbe fallen aber auch nicht einfach so vom Himmel, sondern wollen übersetzt sein bzw. werden auf konkrete Situationen, sonst bleibt man am Wort kleben. Da wir ja nun mal nicht in einem klerikalen Staat leben (es gibt aber auch keine vollständige Trennung von Kirche und Staat), wird man Lösungen finden müssen – auch hinsichtlich des Missbrauchs in Internaten und bei der Bundeswehr. Es stünde den entsprechenden Institutionen gut an, selbst die Initiative zu ergreifen, um sich um die Opfer zu kümmern (Wiedergutmachung, soweit dies eben möglich ist), anstatt sich auf offizielle Verlautbarungen des Bedauerns zu beschränken.

  2. Was folgt eigentlich aus Kindesmissbrauch in liberalen Reformschulen?

    Nichts. wo kämen wir denn da hin! Das ist doch gaaaanz was anderes, oder? In einer liberalen Reformschule, in der die Kinder nakt turnen, in der schwule Lehrer Schüler zu Wochenend-Sexdiensten einteilen, wird einfach ein berühmter alter Reformpädagoge, der rein zufällig körperlich ident ist mit dem schwulen Lebensgefährten des damaligen Direktors, in die Medien zum Beschichtigen geschickt, und das war’s dann …

    Denn so richtig pervers sind doch nur die Katholen-Mönche, oder? Ohrfeigen geben! Schrecklich! Welch Mißbrauch! Da wurden Seelen geknickt, die sich 40 Jahre danach noch nicht aufgerichtet haben (wie haben die Menschen eigentlich das Mittelalter überlebt? Noch dazu ohne Sigmund Freud!).

    Wie human dagegen waren die — naja, natürlich ein bisserl über die Stränge schlagenden, zugegeben! — frühmorgendlichen Erweckungsspiele, in denen Odenwald-Pädagogen den Jungschülern das Wort „Morgenlatte“ handgreiflich beibringen wollten. Das kann man doch garnicht vergleichen!

    Und Hartmut von Hentik findet’s auch nicht so schlimm. Und erinnert sich an nix. Denn er lag ja nur mit einem der damals Verantwortlichen im Bett. Und kann sich aus nur vorstellen: „Wenn überhaupt, könnte allenfalls mal ein Schüler seinen Lehrer Becker irgendwie verführt haben …“

    Der Papst hingegen muß dafür damals gewußt haben, daß ein vor seiner Zeit als Bischof straffällig gewordener Priester wieder rückfällig werden kann — nach seiner Zeit als Bischof. Na, Isser jetzt unfehlbar oda nich?

    Ich weiß nicht, geht’s nur mir so: aber ich finde dieses offensichtliche Messen mit zwei völlig unterschiedlichen Maßstäben irgendwie zum Kotzen!

    Ach ja: weitere Diskussionen (in einem libertären Forum) finden sich z.B. hier. In der Systempresse? Fehlanzeige. ach, warum denn wohl …

  3. @LePenseur: Ist das nicht ein wenig über die Stränge geschlagen? Es mag Menschen geben (dies den Medien im allgemeinen anzulasten, führt zu nichts), welche in der Tat mit zweierlei Maßstäben messen, aber solche Polemik finde ich für gewöhnlich eher bei Kleingeistern als bei differenziert denkenden und handelnden Zeitgenossen. Schade eigentlich.

  4. @mf:
    Tja wenn das so ist, dann bleibt mir nur, für diese meine Sündenschuld bei Ihnen um Vergebung zu bitten und Versöhnung zu erhoffen. Als differenziert denkender und handelnder Zeitgenosse werden Sie mir Kleingeist das hoffentlich nicht verwehren.

    Und falls nicht: schade eigentlich. Aber mir auch ziemlich egal …

    P.S.: wen’s interessiert: „Kloakenschreiber“ ist ein leseneswerter Artikel zu dem Thema. Und idfferenziert genug, um zu Erkennen, daß, wenn so ziemlich alle Medien dieselbe Scheiße schreiben, man diese auch genauso benennen darf, nein: soll!

  5. Recht lesenswert zum Verhältnis der katholischen Kirche und ihren Umgang mit Kindesmissbrauch ist ein Gastbeitrag von Hans Küng aus der Süddeutschen Zeitung: http://bit.ly/b3iFWw

  6. Was, bitte, ist daran lesenswert? Nichts anderes steht darin als das, was man sich in der SZ aufgrund der Medienorgel der letzten Zeit ohnehin erwarten konnte. Ach ja: und die tiefe Genugtuung, endlich Ratzinger dafür eintunken zu können, daß er Papst wurde, und nicht Küng (der ganz sicher ist, das noch viel, viel besser zu können).

    Das ganz ist ein zweifelsfrei sehr gekonnt formulierter Text. Es ist gar nicht leicht, durch rhetorische Tricks eine Stimmung so geschickt zu transportieren, daß man die Absicht nicht allzu deutlich merkt. Doch, wie der Volksmund sagt: keine Gewebe ist so fein gesponnen, daß es nicht …

    Natürlich sagt Küng nicht, daß der Papst durch Vertuschung Kinderschänder deckt, sondern er beruft sich nur – scheinbar objektiv – auf Emnid-Umfragen, die berichten, daß die Leute den Eindruck hätten, daß …

    Daß ein historisch bewanderter Theologe im Ernst schreibt „Das Zölibatsgesetz ist keine Glaubenswahrheit, sondern ein Kirchengesetz aus dem 11. Jahrhundert“, ist etwa so richtig, wie der Satz, daß in Österreich seit 1975 Mord ein Verbrechen ist. Denn in diesem Jahr trat das derzeit gültige StGB in Kraft. Was aber nicht heißt, daß Mord erst seit damals ein Verbrechen gewesen wäre. Na klar, wurde ja auch nicht behauptet – aber genau das wird durch den Text insinuiert.

    wer Küng’s Text liest, wird jede Menge solcher Insiduationen und Unterstellungen wahrnehmen, nur: wer liest Texte schon so genau? Und deshalb halte ich den Artikel einfach für mies und menschlich letztklassig. Was mich allerdings in meinem bisherigen Küng-Bild nicht wirklich zu erschütern vermochte …

  7. Ich kann es verstehen, wenn jemand, der nicht vorurteilslos lesen kann oder möchte, „jede Menge solcher Insinuationen und Unterstellungen“ wahrnimmt. Natürlich verwendet ein jeder (auch Hans Küng) solche Argumente, die zu seinen Thesen passen, das heißt aber nicht, dass man deswegen seine Meinung teilen muss. Aber es lohnt sich zumindest, darüber nachzudenken. Das Problem in diesem Fall ist wohl eher eine grundsätzliche Aversion gegen Küng und vielleicht auch andere, welche Meinungen vertreten, die zu der eigenen Auffassung nicht passen.

  8. Im Gegenteil. Jeder, der vorurteilsfrei lesen kann, nimmt diese Insinuationen und Unterstellungen wahr. Und nur der, denn sie sind von Küng schließlich geschickt getarnt worden (s. obige Beispiele).

    Grundsätzliche Aversion gegen Küng? Jein, würde ich sagen. In vielem, was der theoretisch äußert, gebe ich ihm durchaus recht (und gehe noch darüber hinaus). Nur begebe ich mich nicht die Position des angeblich „besseren Katholiken“, in die sich Küng mit Vorzug kleidet.

    Was ich Küng immer schon angekreidet habe, ist die für mich schwer erträgliche Verbindung aus Besserwisserei (damals wie heute) und Feigheit (damals, als er noch auf die Erhaltung bzw. Wiedererlagung seiner missio canonica hoffte). Wäre Küng ein Mann von Charakter, und nicht bloß einer von vielen staatsalimentierten Theologieprofessoren gewesen, hätte er bei seinen Ansichten die Konsequenz gezogen, wäre von seinem Posten abgetreten und hätte erklärt: „Ich vertrete nicht mehr die Ansichten, die ein römisch-katholischer Dogmatiker aufgrund seiner missio canonica vertreten muß. Daher betrachte ich mich nicht mehr als römisch-katholischer Theologe.“

    Das wäre eine achtbare Handlung gewesen. Aber so, wie es Küng tat, ist es einfach feige: warten, bis die missio canonica entzogen ist, und dann auf Staatskosten eine Professoren-Sinekure zu genießen. Und dann immer noch den „besseren Katholiken“ mimen, und dem Papst billige Ratschläge erteilen.

    Auch ich selbst betrachte mich (auch wenn ich ihr kirchenbeitragszahlend noch pro forma angehöre) schon seit geraumer Zeit nicht mehr als Katholik. Aber ich habe auch nicht das Bedürfnis, dem Papst Ratschläge zu erteilen. Und ich verabscheue es, meiner ehemaigen Glaubensgemeinschaft, die sich mit einer offensichtlich gezielten Medienkampagne voller Desinformationen und Unterstellungen herumschlagen muß, auchnoch in den Rücken zu fallen, und ganz besonders, diese Meuchelaktion noch in der Maske des besorgten Warners zu veranstalten.

    Insofern haben Sie recht: ich habe mittlerweile eine Aversion gegen Küng. Aber nicht wegen seiner weltanschaulichen Ansichten, sondern wegen der Niedrigkeit, die aus der Art seines Auftretens spricht.