in Liturgia

Keine Zwei-Riten-Kirche

Warum gehört zur Vollendung der Liturgiereform auch die Wiederzulassung des Missale von 1962, fragt Georg, und fügt hinzu, dass das Messbuch Pauls VI. keinen Bruch innerhalb der römischen Liturgie darstelle und daher zu fragen sei, welche Berechtigung zwei offizielle Versionen der römischen Liturgie haben sollen.

Die These, das Messbuch von 1969/1970 sei kein Bruch innerhalb der römischen Liturgie, ist zumindest umstritten. Aber nehmen wir an, sie stimme – dann wäre doch eher zu fragen, warum das Missale von 1962 nun nicht mehr zugelassen sein sollte, handelt es sich doch dann nur um eine frühere Fassung desselben Ritus.

Die Nichtzulassung jenes Missale ist aus meiner Sicht einer der entscheidenden Schwachpunkte der nachkonziliaren Reform. Denn sie wirft erst die Frage auf, ob es sich um zwei verschiedene Riten handelt. Und wer diese Frage bejaht, der muss konsequenterweise das Messbuch von 1969/1970 verwerfen, weil es dann ein Bruch mit 500 Jahren Tradition wäre.

Ist das Messbuch von 1969/1970 aber kein Traditionsbruch (und dieser Annahme stimme ich zu), dann gibt es auch keinen Grund, ein älteres Missale zu verbieten. Mit der Zulassung des Missale von 1962 wäre dieses Thema mehr oder weniger vom Tisch. Einige der weiteren Gründe dafür hatte ich schon vor einiger Zeit genannt.

Insofern finde ich Sätze wie jene, mit denen heute der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann zitiert wird, wenig glücklich. „Wir wollen keine Zwei-Riten-Kirche“, sagt er. Meint er wirklich, was er sagt?

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Kommentar

16 Kommentare

  1. stimmt, Bischof Hofmann drückt sich -mit Respekt- in diesem Zusammenhang sehr unglücklich aus…
    Das Messbuch von 1962 kann ja ohne weiteres wieder verwendet werden, wenn es 1.im Sinn der erneuerten Rubriken, 2.der neue Perikopenordnung incl. der darauf abgestimmten liturg. Texte, sowie 3. des reformierten Kalenders überarbeitet würde;
    solange das nicht geschehen ist, entsteht bei seiner Verwendung für Laien zumindest unausweichlich der falsche Eindruck des Biritualismus….

  2. @Georg:
    Das Messbuch von 1962 kann ja ohne weiteres wieder verwendet werden, wenn es 1.im Sinn der erneuerten Rubriken, 2.der neue Perikopenordnung incl. der darauf abgestimmten liturg. Texte, sowie 3. des reformierten Kalenders überarbeitet würde
    Es ist Ihnen aber schon bewußt, daß das der de-facto-Untergang des alten Ritus wäre. Denn die neue Perikopenordnung fordert z.B. die Übernahme der darauf „abgestimmten“ (bzw. was die Novus-Ordo-Stricker eben dafür hielten) Orationen, und die neuen Rubriken sind es eben, die aus der katholischen Messe eine im Prinzip mit einem lutheranischen Abendmahlsgottesdienst zum Verwchseln ähnlichsehende Veranstaltung machen. Da Sie außerdem der Kanonstille negativ gegenüberstehen, haben wird dann im Effekt schon fast den Zustand von 1969 erreicht.

    M.a.W.: was Sie wollen ist ein Novus Ordo mit Staffelgebet und ein paar Handküssen, zusätzlichen Kniebeugen und Beweihräucherungen — Sakralfolklore eben. Dagegen läßt sich nicht viel sagen (oder eben auch sehr viel — aber das hängt vom Standpunkt ab), nur sollte man das auch ehrlicherweise so zugeben.

    Zur Frage, ob es sich beim Novus Ordo um einen neuen Ritus handelt, noch ganz kurz: m.E. selbstverständlich. Die Unterschiede zum alten römischen Ritus sind so umfangreich, daß sie die Differenzen etwa des alten Dominikanerritus, oder ehemaliger diözesaner Sonderriten (Köln, Trier etc.)innerhalb des lateinischen Ritus bei weitem übertreffen. Was also sollte das sonst sein, wenn nicht eine neuer Ritus?

  3. @Georg:
    … so ganz von Wiener zu Wiener gefragt: „wos »no na«?“

    1. „no na“ wollen Sie den de-facto-Untregang des alten Ritus, oder
    2. „no na“ handelt es sich um bloß Restaurierung von ein bisserl Sakralfolklore, oder
    3. „no na“ is des a neuer Ritus …

    „Ich wart‘ auf Antwort …“
    (Der Rosenkavalier, 2. Akt 🙂

  4. Monsieur LePenseur
    das „no na“ bezog sich auf die von Ihnen zu erwartende Replik;
    „no na „hab ich mir erwartet, dass LePenseur im gültigen Missale Romanum einen Bruch mit der „überlieferten röm Liturgie sieht“,
    „no na“ wird er den „NOM“ als protestantisch bezeichnen;
    etc….
    ergo: „no na-LePenseur-semper idem:-)))“(übrigens, wie sie sicher wissen, der Wahlspruch des verew. Kardinals Ottaviani)

  5. Nun, geschätzter Kollege Georg,

    da haben Sie meinen Text aber leider etwas schlampig gelesen, denn ich bezeichne nicht den NOM als „protestantisch“, sondern schreibe nur,
    „… die neuen Rubriken sind es eben, die aus der katholischen Messe eine im Prinzip mit einem lutheranischen Abendmahlsgottesdienst zum Verwchseln ähnlichsehende Veranstaltung machen.“
    Denn ersteres wäre eine dogmatische Frage, das andere ist eher eine, wenn man so will, ästhetisch-pastorale.

    Und was den Bruch mit der Tradition des Römischen Ritus betrifft: bitte, legen Sie doch dar, warum es denn keiner sein soll. Die Ähnlichkeit einer Messe im (alten) römischen Ritus und z.B. im armenischen oder maronitischen Ritus (bei letzterem: dem vor der jüngsten Ritenreform) ist wesentlich größer als die Ähnlichkeit zwischen Römischem Ritus und NOM.

    Die Differenzen fangen bei den Texten (und v.a. Auslassungen) an, ziehen sich über die gesamte Stilistik der Zelebration und enden bei Neuschöpfungen (wie z.B. zusätzlichen „Hochgebeten“), die es in vergleichbarer Form im Römischen Ritus nie gab (wenigstens nicht in den letzten 1500 Jahren — davor wissen wir einfach zu wenig darüber).

    Ich verstehe schon Ihr Anliegen, den NOM als möglichst legitime Verbesserung eines in die Jahre gekommenen „alten“ römischen Ritus darzustellen — nur: das paßt einfach nicht.

  6. @LePenseur
    daf ich böse sein?
    Die Armenier kenne ich (sowohl die Mechitaristen als auch die Armenisch-apostol.Kirche hier im dritten Bezirk)-die Maroniten kenne ich nicht, dafür war ich des öfteren bei den Kopten, sehr oft bin ich bei den Giech. Katholiken in St. Barbara, gut kenne ich die russisch, serbisch und-griech.orthodoxen Kirchen, den syro malbarischen ritus kenne ich von eigenem erleben und natürlich nicht zuletzt den röm. ritus nach dem Messbuch von 1962, gefeiet von der Priesterbruderschasft des Hl. Petrus.

    Es stimmt: am ähnlichsten sind sich wohl der armen. Ritus (nichtzuletzt durch die Latinisierung dieses Ritus)und unser Ritus nach dem Meßbuch von 1962; am auffälligsten sind für den andächtig beiwohnenden Gläubigen folgende Merkmale:
    der Priester feiert flüsternd in einem atemberaubenden Tempo einen Gottesdienst bei dem man -meist bedingt durch die räumliche Entfernung- selbst die zahlreichen Riten kaum mitverfolgen kann-von den Texten gar nicht zu reden und am Ende hat jeder das Gefühl: Deo gratias-gemma ham…
    Natürlich, wie gesagt, das war jetzt bewußt böse und etwas überzeichnet; ich hab mir auch die Freiheit genommen und mich an einem werktag ganz nahe zum Altar in der Kapuzinerkirche gesetzt, um die hl. Handlung besser mitfeiern zu können…ich muss gestehen ich bin ein Latinist, aber durch die Arkandisziplin, war es mir von wenigen Teilen abgesehen, unmöglich irgendetwas vom Gottesdienst zu erfassen, außer, dass eine überdurchschnittlich hohe Anzahl von Kreuzzeichen, Verneigungen, Kniebeugen Bewegungen von links nach rechts und umgekehrt stattfanden und obwohl ich den röm Canon in seiner lat. Fassung auswendig kann, gelang es mir nicht einmal in Stille ihn in der Geschwindigkeit des Priesters mitzubeten. Ich war noch immer bei „quorum meritis precibusque concedas..“, als schon längst die Wandlung war ……
    Ähnlich wars beim Schlußevangelium…abgesehen davon, dass es von einem uralten, mäßig tiefsinnigen Marienlied übertönt wurde, konnte ich den Prolog des Johannes nicht einmal gedanklich in der Schnelligkeit mitvollziehen, in der der gute Pater schon längst fertig war…..
    ganz ähnlich wirkt die Zelebrationsweise beim arme. Ritus und bei den Orthodoxen und den griech. katholischen werde ich ohnehin den Verdacht nicht los, dass sie ziemlich viele Stillgebete einfach auslassen und lediglich die Schlußdoxologien laut singen :u vijeki vijekow.Amin.
    Ich mache diesen Priestern ja keinen Vorwirf: bei einer derartigen Fülle von Text, der noch dazu z.t.des öfteren wiederholt wird, steigt man gern aufs Gas. Aber von Würde, Anbetung, Mystik, und v.a. Inhalt bleibt da für den normal sterblichen Christgläubigen nicht mehr viel über: jetzt versteh ich den Text der berühmten Messreihe übrigens besser :“Hier liegt vor deiner Majestät im Staub die Christenheit….“
    Ob wir dorthin zurück sollen?

  7. @Georg:

    Warum sollten Sie böse sein „dürfen“? Ziemt sich denn das für Christen? Tz, tz, tz …

    Nun, Ihre Anmerkungen zum alten Römischen Ritus sind für mich nicht etwas wirklich Neues. Ich kenne diese Empfindungen, die Sie beschreiben, aus eigener Erfahrung. Ich war schließlich lange genug Besucher von Opus-Dei-Priestern „würdig gefeierter Novus-Ordo-Messen“ und besuchte danach durch viele Jahre Messen im Alten Ritus (diese mittlerweile auch eher nur sehr kursorisch — aber das hat weniger „rituelle“ als vielmehr glaubensmäßige Gründe). Aber lassen Sie mich dennoch ein paar Kommentare machen:

    der Priester feiert flüsternd in einem atemberaubenden Tempo einen Gottesdienst bei dem man […] selbst die zahlreichen Riten kaum mitverfolgen kann – von den Texten gar nicht zu reden und am Ende hat jeder das Gefühl: Deo gratias-gemma ham…
    Hier unterliegen Sie dem Verständnis (das ich durchaus als Mißverständnis bezeichnen möchte!) der V2-Ideologie, die die katechetische Seite des Gottesdienstes allein und damit über-betont und die meditative Seite vernachlässigt. Es ist im Alten Ritus völlig egal, ob Sie jedes Gebet verstehen (so, wie ja auch die Mantras im tibetischen Buddhismus von den Lamas mit atemberaubender Geschwindigkeit rezitiert werden), wichtig ist das spirituelle „Kontinuum“, das sich dabei aufbaut. Und zu diesem Kontinuum gehört eben mehr die Textunverständlichkeit (deshalb „funktioniert“ m.E. der alte Ritus auch nur auf Latein), als die Textverständlichkeit, eher die Magie der (meist wiederholten) Zeichen, als die Redundanz erklärender Worte. Und all diese Elemente hat der alte Ritus eben mit den Ostriten gemeinsam, die ja ebenso (bei aller Verschiedenheit) sich durch Bild- und Gestenreichtum und Textunverständlichkeit (Sprechtempo, psalmodierende Vortragsweise, mehr oder weniger unverständliche Liturgiesprache) ähnlich sind, wie andererseits der Novus Ordo in seiner katechetischen „Verwortung“ den Gottesdiensten der Protestanten ähnlich ist.

    Damit mich keiner falsch versteht: ich bin kein Anhänger einer „Weihrauchschwaden-Mystik“ (wenn ich sie auch in Form eines „tridentinischen“ levitierten Hochamtes und unter Aufführung z.B. einer Mozart-Messe als sakrales Gesamtkunstwerks sehr zu schätzen weiß!) — aber ich muß der Ehrlichkeit halber bekennen, daß hier eben rund ums V2 ein Paradigmenwechsel (wie man heute zu sagen pflegt) stattfand und nicht versuchen, darüber „hinwegzumogeln“ (ich möchte Ihnen hier keine böse Absicht unterstellen, aber für mich wäre das eben „Mogelei“ — sorry!).

    Für mich persönlich, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, sähe der „Idealritus“ ohnehin total anders aus: zwar sehr wohl auf Latein (ich liebe einfach diese Sprache von einzigartiger Prägnanz und archaischer Strenge!), aber fast ohne „Riten“, jedenfalls ohne regelmäßige Eucharistiefeier (einmal im Jahr zum Gründonnerstag würde mir, ehrlich gesagt, völlig reichen). Auch keine Meßgewänder — „Clergyman“ ist genug, dezenter Blumenschmuck, an und ab Weihrauch und ein paar Kerzen sind auch ganz nett. Abgesehen von ein paar für den jeweiligen Tag festgelegten Lesungen, Orationen und Versikeln frei gestaltete Betrachtung eines Glaubensgegenstandes durch den Priester (bei aller Liebe zum Latein: das natürlich auf Deutsch!) — falls Sie einmal in der Krypta der Wiener Peterskirche an einer „Betrachtung“ durch Opus-Dei-Priester teilgenommen haben sollten, dann wissen Sie in etwa, was ich meine. Dazwischen meditative Musik. Das ganze hätte dann — wie ich gerne konzediere — eher den Charakter einer weihevollen Logensitzung als den einer „Messe“ (und zwar weder des Alten Ritus, noch des Novus Ordo).

    Aber das sind eben meine persönlichen Vorstellungen, die mein Urteil über die Differenz „Alte-Messe“ — Novus Ordo nicht beeinflussen.

    … obwohl ich den röm Canon in seiner lat. Fassung auswendig kann, gelang es mir nicht einmal in Stille ihn in der Geschwindigkeit des Priesters mitzubeten.
    Das ist Übungssache, denke ich mal. Ich habe jahrelang Teile des Breviers (regelmäßig alles wäre mir denn doch zu mühsam gewesen) gebetet und kann sagen: auch mit einem ganzen Tagesoffizium (Stil 1962 — also nur 3 Lesungen) war ich in ca. 35 min. „durch“, wenn ich mich beeilte. Das bedeutet natürlich eine Rezitationsweise, die z.B. die Psalmen (die man ja eh „halb auswendig“ kennt) eher pointillistisch hintupft, als mit dem Pinsel der silben- und Wortverständlichkeit breit ausmalt. „Modo Romano“, halt — so, wie die „stille Messe“ in 17 min. etc. etc. …

    Aber von Würde, Anbetung, Mystik, und v.a. Inhalt bleibt da für den normal sterblichen Christgläubigen nicht mehr viel über
    … schrieben Sie oben: glauben Sie mir, ich weiß genau, was Sie meinen! Es wird Sie aber nach vorstehenden Ausführungen nicht überraschen, daß ich da anderer Meinung bin. „Ganz im Gegenteil“, würde ich sogar sagen …

  8. Gut, da haben Sie , verehrter Penseur, unsere wichtigsten Differenzen ziemlich genau auf den Punkt gebracht;
    wobei ich der Überbetonung der katechetischen oder pädagogischen Funktion der Liturgie seit dem Vatikanum II allerdings auch kritisch gegenüberstehe.
    Im Gegensatz zu Ihnen ist mir alles Magische und „Urreligiöse“ a la Mantra usw. doch äußerst suspekt.
    Ich weiß schon, dass es ein Irrtum ist, man müsse jedes Wort verstehen, ja es ist überhaupt verfehlt, wenn man das Mysterium fidei allein oder auch nur vorwiegend verstandesmäßig erfassen will.(praestet fides suplementum sensuum defectui!!!)
    Das mechanische Herunterleiern theologisch so wertvoller Texte wie es die liturg. Texte nun einmal sind ist aber nicht nur schade sondern meiner Meinung schon eigentlich eine moralische Verfehlung.
    Denn auch wenn mein Geist und mein Intellekt nicht immer alles erfassen und mitvollziehen kann, so soll er sich doch im Gebet ganz auf Gott ausrichten, wenigstens seinem Streben nach….
    (mens concordet voci)
    Von daher ist es für mich sinnlos, möglichst schnell die Psalmen oder andere liturg. Texte labialiter zu persolvieren….da kann ich genauso gut glossolalieren. Ihre Argumentation erinnert auch frappant an die Verfechter dieser Übung…wobei die Glossolalie schon längst keinen Platz mehr in der Liturgie hat….
    Dass in der Orthodoxie ähnlich wie in der Synagoge bis heute der Grundsatz gilt: Hauptsache es wurde gelesen (am besten gleich zweimal, sicher ist sicher- so ein orthodoxer jüd. Freund zu mir einmal während eines Synagogengottesdienstes am Shabbes in der“Schul am Judenplatz“) ist mir bekannt, bleibt mir aber fremd;

    wenn das der wesentliche Bruch oder Paradigmenwechsel nach
    in der röm.Liturgie nach dem Vatic. II war, dann begrüße ich ihn mit Freuden.
    (ich brauche übrigens für das monastische Stundenbuch, obwohl ich die Psalmen auswendig kann und das ich täglich vollständig bete weiterhin insgesamt etwa 9o min….so long….no
    braucht der Hergott ziemlich viel Geduld mit mir;-))
    aber schneller kann ichs nicht und wann der Hergott ned (ondas) wüll nutzt des goa nix;-)

  9. @Georg:

    Zu Ihrer Ehrenrettung 🙂 sei den Uneingeweihten allerdings gesagt, daß das monastische Stundenbuch (soferne es sich um das „Original“ handelt) mit seinen 12 Psalmen in der Matutin auch ca. doppelt so lang ist …

    Daß sie den Paradigmenwechsel nach V2 mit Freuden begrüßen würden, war für mich abzusehen. Ich bin anderer Meinung (was sie nicht zu stören braucht) — mir kam es nur darauf an, diesen Paradigmenwechsel, der in papsttreu-neokonservativen Katholenkreisen gerne unter den Teppich gekehrt wird (unter dem Motto: „Ein würdig gefeierter Novus-Ordo-Gottesdienst ist eigentlich fast nicht von einer tridentinischen Messe zu unterscheiden, nur verständlicher und daher besser!“), herauszuarbeiten. Es geht um die Gesamthaltung, nicht darum, ob der Psalm Judica jetzt gebetet oder ausgelassen wird. Und die Gesamthaltung hat sich eben um fast 180 Grad geändert.

    Nur um ein Mißverständnis aufzuklären:
    … da kann ich genauso gut glossolalieren. Ihre Argumentation erinnert auch frappant an die Verfechter dieser Übung …
    Glossolalie ist nicht meine Sache. Sehr wohl aber z.B. das Beten eines Priesters „sotto voce“ zu Musik (das ich ästhetisch sehr ansprechend finde). Oder der Genuß, den eine Schlußfuge beim Gloria einer Bach- oder Haydn-Messe vermittelt, obwohl der Text genaugenommen durhc die Verschachtelungen und Wiederholungen auch im Grunde unverständlich ist.

  10. „Es ist im Alten Ritus völlig egal, ob Sie jedes Gebet verstehen (so, wie ja auch die Mantras im tibetischen Buddhismus von den Lamas mit atemberaubender Geschwindigkeit rezitiert werden), wichtig ist das spirituelle “Kontinuum”, das sich dabei aufbaut. Und zu diesem Kontinuum gehört eben mehr die Textunverständlichkeit (deshalb “funktioniert” m.E. der alte Ritus auch nur auf Latein), als die Textverständlichkeit, eher die Magie der (meist wiederholten) Zeichen, als die Redundanz erklärender Worte.“

    Sobald ein christlicher Ritus mit der Praxis fundamental andersgearteten östlichen Religionen gleichgesetzt wird, liegt irgendetwas im argen.

    Man muß sicherlich nicht alles verstehen und es gibt sicherliche Überbetonung der erklärenden, katechetischen Worte, aber ist die Unverständlichkeit keineswegs die Grundintention des Alten Ritus, sondern um eine mißbräuchliche Anwendung desselben. Glaubt man den ernsthaft, nach dem Konzil (dem von Trient ;-)) habe man Unverständlichkeit produzieren wollen (welch kluger Schachzug im Kampf gegen den Protestantismus!). Auch war das Latein nicht arkan gedacht, sondern eben zur Förderung der Einheitlichkeit und als Ausdruck Universalität – dies in einer Zeit, als Latein noch weit mehr verbreitet war als heute.

  11. @Str:

    nach dem Konzil (dem von Trient 😉 )
    Gefällt mir! Gefällt mir wirklich! Nun zum Inhaltlichen:

    Nein, ich glaube in der Tat nicht, daß das Konzil (jenes von Trient, versteht sich) „Unverständlichkeit produzieren“ wollte. Nein, das nicht, aber anderer Ziele wegen Unverständlichkeit für die breiten Massen in Kauf nehmen — das schon!

    Was Ihre Anmerkung
    Sobald ein christlicher Ritus mit der Praxis fundamental andersgearteten östlichen Religionen gleichgesetzt wird, liegt irgendetwas im argen.
    betrifft, stimme ich Ihnen bloß juxta modo zu. Es ist einfach so, daß kultische Aktion — auch über die Grenzen der christlichen Konfessionen hinaus — bestimmten Prinzipien und Usancen unterliegt. Und hier gibt es durchaus „vergleichbares“ (wenn auch deshalb noch lange nicht „gleichzusetzendes“). So ist die heute fast ausgestorbene Übung in ländlichen Gebieten, am Abend gemeinsam den Rosenkranz zu beten (recte: mechanisch dahinzuleiern) m.E. durchaus mit dem (mechanischen) Rezitieren der Mantras im tibetischen Buddhismus zu vergleichen (ebenso das diesbezüglich noch extremere „Jesus-Gebet“ der Ostriten). In beiden Fällen soll eine trance-artige Versenkung durch die mechanische, un-aufmerksame Wiederholung immer gleicher kurzer Gebetssätze erzielt werden.

  12. Herr Denker,

    Ich bin froh, daß mein kleiner Seitenhieb auf jene, die ständig von „dem Konzil“ oder „vorkonziliar“ (meinen die Nicaea I oder doch das Apostelkonzil) reden, gefallen.

    Nun zu ihrem inhaltlichen. Ich habe überhaupt nichts dagegen solches „mechanisches Beten“ als Meditationsübung zu nutzen, wobei man das ihm Einzelfall prüfen muß im Hinblick auf die Fundamente der jeweiligen Religion.

    Hier kam meine Mahnung ins Spiel: der Buddhismus und das Christentum sind sich im Ziel diametral entgegengesetzt: jene wolle den Tod, diese das Leben. Es gibt schließlich auch Mystik in mehreren Religionen, doch entscheidend ist wie diese geartet ist. (Dies kann man z.B. in Denis de Rougemont’s Die Liebe und das Abendland nachlesen, auch wenn diese in ihrem eigentlich Bereich, einer literaturhistorischen Arbeit wohl nicht sehr viel wert ist. Aber sie arbeitet gut grundlegende Unterschiede heraus.)

    Und ich gebe zu bedenken, daß das heilige Meßopfer nicht der rechte Ort für eine solche Übung ist, zumal er durch kanonische Stille sich auf den Priester beschränken würde. Aber ich meine, der Priester sollte bei der Messe besser nicht in Trance fallen. Aber auch für die Nichtzelebranten denke ich, gibt es bessere Gelegenheiten für Trancezustände.

  13. übrigens ist gerade deshalb, weil manche Hesychasten (=Vetreter des Jesusgebetes) auf dem Berg Athos Positionen wie unser verehrter Penseur vertreten haben, kam es zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem athos zu erbitterten Kämpfen, die- wie es dem hitzigen oriental. Blut nuneinmal entspricht, durchaus auch hanfgreiflich wurden- zwischen den Hesychasten und den Vertretern der „reinen Lehre“, bis man sich einigte, dass es im Jesusgebet keinerlei Ähnlichkkeit mit östl Mantras oder Namensmagie o.ä geebe und es in keinem Fall um irgend eine Art von Trance oder Erleuchtung geht…

  14. @Str & Georg:

    Sorry, hier liegt ein kleines Mißverständnis vor: ich habe die Ähnlichkeit der Gebets-Struktur des Rosenkranzbetens mit tibetischen Mantras angesprochen, mich aber deshalb noch lange nicht dafür ausgesprochen (gebetsmühlenartige Wiederholungsgebete liegen mir nicht so wirklich 😉

    Ebenso habe ich von tranceartigen mediativen Momenten für den Meßbesucher gesprochen, die der „Alte Ritus“ ermöglicht und die im Novus Ordo durch das ständige Gelabere (noch dazu in der Muttersprache, also durch die unmittelbare Verständlichkeit doppelt störend!) einigermaßen unmöglich macht. Im Alten Ritus hat ein Hochamt getreu dem Motto „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“ den ständigen Wechsel von ornamentalem Prunk und klösterlicher Schlichtheit, von Weihrauch und Kerzenlicht, das nüchterne Pathos des gregorianischen Gesanges, die Kanonstille, unterlegt mit der Musik des Sanctus und (nach der Wandlung) des Benedictus — ein Welttheater, ein geistliches Schauspiel im besten Sinne.

    Auch die tollste Papstmesse von heute ist verglichen mit einem (früheren) klassischen Pontifikalamt einer x-beliebigen Duodez-Diözese „a matte Sach'“ (um Travnicek zu zitieren). Der Novus Ordo erinnert immer ein wenig an jene DDR-Empfänge, auf denen realsozialistische Bonzen „in volkseigenen Betrieben hergestellte“ Pseudo-Luxus-Canapees mit original Rotkäppchen-Sekt anboten und sich damit wie die moderne Ausgabe von Louis XIV vorkamen, und doch nur kleinkarierte Figuren blieben …

    Was mich persönlich betrifft: ich genieße so eine Alte Messe „alle heiligen Zeiten“ wirklich gerne, konzediere durchaus, daß einer lieblos dahingehudelten Werktags-Stillmesse mit lateinunkundigem Ministrantenbübel nicht eben das Odium der Erhabenheit anhaftet (insoferne der Novus Ordo den Vorteil hat, daß man weniger kaputtmachen kann, weil schlicht und einfach wenig da ist, was man noch ruinieren könnte!), und habe in einem früheren Posting ohnehin dargestellt, was meine eigentlichen Präferenzen sind (und die sind von Mantras aber wirklich meilenweit entfernt!).

    Dennoch: wer gekonnt (!) schnell sein Stundengebet einmal labialiter persolviert hat, hat damit ein Erlebnis gehabt, in dem er zu einer Form intuitiven Gebets gelangt ist — das war wenigstens meine Erfahrung. Man übersieht mit einem Blick das Ganze, erkennt Strukturzusammenhänge, die einem, am Wort und Vers klebend, nie aufgefallen wären, vielleicht liegt es auch an der Hyperventilation …

    Daß der Priester besser nicht in Trance verfällt, da gebe ich Ihnen völlig recht. Aber bei den Meßbesuchern wäre ich mir da nicht so sicher. Denen täte ein Trance-Erlebnis vermutlich besser als die bierernste Konzentration auf die peinlich aus dem Stehgreif dahingeholperten Fürbitten, die das gebräuchliche „Herr, erbarme dich!“ oft in ganz anderer Bedeutung erscheinen lassen.

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  • Commentarium Catholicum » Wer hat Angst vor der alten Messe? 23. November 2006

    […] Eines der häufigsten Argumente gegen eine mögliche Koexistenz ist die Furcht vor dem Biritualismus. Doch mit diesem Argument, ich schrieb es bereits, lässt sich das praktisch flächendeckende Verbot der alten Messe nicht begründen. Denn handelte es sich bei der neuen Messe um einen anderen Ritus, dann fehlte ihm die Legitimation der Tradition. Das Biritualismus-Argument richtet sich in letzter Konsequenz gegen die neue Messe, nicht gegen die alte. […]