Proporz ist wichtig, wenn es um die Besetzung von Staatsämtern geht. So ist bei der Besetzung des Bundeskabinetts auch darauf zu achten, dass die regionale Zusammensetzung stimmt: Ost und West, Nord und Süd müssen angemessen vertreten sein. Ähnlich war es zumindest in den ersten Jahrzehnten der Bonner Republik auch im Hinblick auf die Konfessionen. Zur Zeit Adenauers war es undenkbar, dass ein Katholik Bundespräsident werden konnte. Theodor Heuss war Protestant.
Auch zur Regierungszeit des Katholiken Helmut Kohl waren die Bundespräsidenten allesamt Protestanten: Karl Carstens, Richard von Weizsäcker, der bis 1984 der Synode und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland angehörte, und Roman Herzog. Als Gerhard Schröder Kanzler wurde, änderte sich daran nichts: Auch Johannes Rau und Horst Köhler waren Protestanten. Mit Christian Wulff zog der erste Katholik seit Heinrich Lübke ins Schloss Bellevue ein.
Bis auf Weiteres werden sie die einzigen beiden Katholiken im Amt des Bundespräsidenten gewesen sein. Denn mit Joachim Gauck wird wiederum ein Protestant, und diesmal sogar ein evangelischer Pastor, zum Staatsoberhaupt gewählt. Bei der Besetzung der vier höchsten Staatsämter steht es damit bis auf Weiteres zwei zu zwei: Bundestagspräsident Norbert Lammert und der gegenwärtige Bundesratspräsident Horst Seehofer sind katholisch.
Erstaunlich auch, wie viele evangelische Pastoren und sonstige Kirchenfunktionäre in den letzten Tagen für präsidiabel gehalten wurden: So wurden neben Gauck auch die beiden letzten Ratspräsidenten der EKD, Wolfgang Huber und Margot Käßmann, sowie Katrin Göring-Eckardt, Präses der EKD-Synode, ins Rennen geschickt. Dies zeigt, wie stark die Führungsriege des deutschen Protestantismus inzwischen politisiert ist.
Katholische Priester in Staatsämtern sind hingegen nicht zu erwarten. Ihnen ist es durch das Kirchenrecht untersagt, öffentliche Ämter anzunehmen.