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Fegefeuer für Protestanten

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Offensichtlich erscheint ein schmales Päckchen mit dem Katechismus der Katholischen Kirche einem protestantischen Pfarrer und Liedermacher so gefährlich, dass er es nicht selbst öffnen mag. So berichtet der Spiegel in seiner Ausgabe von morgen:

Es gibt Situationen, in denen es sinnvoll sein kann, auf eigene Rechte zu verzichten. Für Clemens Bittlinger, 49, ist es das Postgeheimnis, das er in diesen Tagen lieber nicht in Anspruch nimmt. Als der evangelische Pfarrer aus Darmstadt in der vergangenen Woche ein schmales Päckchen erhielt, übergab er es ungeöffnet den Spezialisten des Hessischen Landeskriminalamts. Behutsam nahmen sie die Sendung unter die Lupe, suchten nach Sprengstoff, Gift oder einer anderen Substanz, die dem Liedermacher und Mann Gottes gefährlich werden könnte, doch am Ende fanden sie nichts.

Die Sendung aus dem Städtchen Aschaffenburg enthielt einen Katechismus und einen Schmähbrief, in dem Bittlinger aufgefordert wurde, sich endlich zum wahren Glauben zu bekehren, dem allein selig machenden Katholizismus. Der Absender gehört zu einem Kommando von Glaubensfundamentalisten, die seit Wochen das Fegefeuer gegen Bittlinger anheizen.

Denn der hatte mit einem Song („Mensch Benedikt“) zwar die Mehrzahl seiner Zuhörer beglückt, eine papsttreue Minderheit aber gegen sich aufgebracht. Die konnte es nicht ertragen, was der Protestant dem Heiligen Vater als Sünde vorhielt: „Du verbietest die Kondome auch den Armen dieser Welt, förderst damit Aids-Verbreitung, auch wenn dir das nicht gefällt.“ Mit ähnlichen ungelenken Reimen kritisierte Bittlinger die Erklärung „Dominus Iesus“ des Papstes, andere Kirchen seien keine Kirchen im eigentlichen Sinne: „Warum schmähst du andere Christen? Wer im Glashaus wirft mit Steinen, endet schnell im Scherbenmeer, und auch viele Katholiken decken diesen Stil nicht mehr.“

Als Bittlinger das Lied im Mai auf dem Osnabrücker Katholikentag das erste Mal vortrug, applaudierten die meisten der 1500 Zuhörer. Und der Liedermacher bekam selbst von katholischen Priestern und Religionslehrern hinter vorgehaltener Hand Zuspruch, so dass er bereits auf eine „konstruktive ökumenische Auseinandersetzung auf Augenhöhe“ hoffte.

Doch seit der Hinweis auf den Song auf rechtskonservativen katholischen Internet-Seiten erscheint, ist Schluss mit Ökumene. Bittlinger wird so massiv bedroht, dass die Behörden sein Premierenkonzert zur neuen CD „Habseligkeiten“ im hessischen Rimbach vorsorglich unter Polizeischutz stellten. Die Staatsanwaltschaft ermittelt inzwischen gegen einige der Drohbriefschreiber, deren Identität hinter ihren E-Mail-Adressen leicht zu entschlüsseln war.

Und das ist nur der Anfang der Spiegel-Geschichte. Eine Posse ohnegleichen. Eine Kurzfassung gibt es bei Spiegel Online.

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Kommentar

  1. „Schmähbrief, in dem Bittlinger aufgefordert wurde, sich endlich zum wahren Glauben zu bekehren, dem allein selig machenden Katholizismus.“

    „Kommando von Glaubensfundamentalisten“

    Das ist ja wohl ein Witz. Und da rümpfen die Leute beim Spiegel ihre Nase, wenn sie von der Bild sprechen. Journalismus und Ethos sind hier offenkundig nicht kompatibel. Ich hätte keinen Funken Selbstachtung mehr, wenn ich diesen übersteigerten Unsinn von mir gegeben hätte.

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  • bw3c 15. September 2008

    Katechismus für Bittlinger…

    Es ist eine Tradition in der Blogozese von Alters her, dass man, wenn man sich grob fahrlässig zur Lehre der Kirche äussert, kostenlos einen Katechismus in neutraler Verpackung geschenkt bekommt. Dies machten sich schon viele Sparfüchs…