in Demographia

Ministerin mit selektiver Wahrnehmung

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 685.000 Kinder geboren. Das sind immerhin 12.000 mehr als 2006. Die durchschnittliche Kinderzahl je Frau stieg von 1,33 im Jahr 2006 auf 1,37. Sie nahm damit 2007 erstmals seit 2004 wieder zu. Einen höheren Wert hatte die durchschnittliche Kinderzahl je Frau zuletzt 2000 er­reicht (1,38).

Die Familienministerin jubelt:

„Ich freue mich sehr über den Anstieg der Geburten und vor allem darüber, dass die jungen Eltern allmählich wieder die Kinder bekommen, die sie sich wünschen“, sagt Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen zu den heute [am 20. August] veröffentlichten Zahlen.

Interessant ist, dass vor allem Frauen im Alter von 33 bis 37 Jahren wieder mehr Kinder bekommen. „Das scheint darauf hin zu deuten, dass sich die Perspektiven für diese Frauen, die schon mitten im Berufsleben stehen, verbessern“, sagt von der Leyen.

Sie unterschlägt, dass die durchschnittliche Zahl der Geburten bei jüngeren Frauen („die jungen Eltern“?) auch 2007 zurückging. Und verliert keine Silbe darüber, dass die Zahl der Geburten 2006 ein historisches Tief erreicht hatte. Sie erwähnt nicht, dass das Geburtendefizit (Zahl der Geburten abzüglich der Sterbefälle) bei 142.000 lag. Und dass die Zahl der Eheschließungen weiter gesunken ist.

Aber das passt wahrscheinlich nicht ins Bild.

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Kommentar

  1. Selektive Wahrnehmung. Das ist genau das richtige Wort. Frau von der Leyen unterscheidet sich da nicht von anderen Politikern. Ich kenne die genauen Zahlen nicht, aber mir wäre es nicht nur wichtig wie viele Kinder auf die Welt kommen, sondern auch, wer sie zu Welt bringt. Hier in Berlin stammt die Hälfte der unter 11jährigen aus einem Mileu, in dem die Männer zur Hälfte und die Frauen zu drei Vierteln ohne Erwerbseinkünfte sind. Kinder aus diesen Teilen der Bevölkerung haben zunächst mit der deutschen Sprache und dann mit dem Schulabschluß zu kämpfen. Eine Berufsausbildung ist dann oft nicht mehr drin. Im Alter zwischen zwischen 33 und 37 Jahren haben sich die Frauen hoffentlich bereits für das zweite oder dritte Kind entschieden. Ein Kind groß zu ziehen – die Erziehung ist das entscheidende – mag persönlich ein großes Glück sein, ist gesellschaftlich aber irrelevant. Wer die Gesellschaft so vernachlässigt, der darf sich nicht wundern, wenn er irgendwann allein da steht.

  2. Es kann sich auch nicht jede Familie sieben Kinder leisten. Oder für eine solch große Familie einzukaufen? Ist auch schwer, ausser natürlich man lässt sich beliefern. Aber ich bin mit zwei Brüdern schon eine Ausnahme.

  3. In Deutschland hat der deutschsprachige Teil der Bevölkerung zum überwiegenden Teil gar keine oder maximal zwei Kinder. Die durchschnittliche Kinderzahl je Frau müsste dauerhaft bei 2,1 liegen, um die Schrumpfung und Vergreisung der Bevölkerung zu vermeiden.

    Im heutigen Wert von 1,37 sind auch die Zuwanderer enthalten, die signifikant mehr Kinder je Frau haben. ich werde mal suchen, ob es separate Zahlen gibt. Vielleicht bei der OECD.

  4. Ich kann mich erinnern, vor einiger Zeit (um die Jahreswende? Hab die Ausgaben gerade nicht zur Hand …) im Merkur (Klett-Cotta) einen Artikel von Gunnar Heinsohn gelesen zu haben, der die gesellschaftliche Stratifizierung der Geburten analysiert hat. Soweit ich mich erinnere, war die Argumentation, dass sich das ‚Problem‘ numerisch von selbst lösen könnte, da die Schichten, die wenig Nachwuchs haben, zahlenmäßig an Bedeutung verlieren und die Geburtenzahl bald nicht mehr dominieren. Auf jeden Fall werfen die Worte der Ministerin einige Fragen auf.

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  • Zugewanderte haben mehr Kinder at Commentarium Catholicum 27. August 2008

    […] der OECD, wie zunächst vermutet, wurde ich zwar nicht fündig. Aber Herwig Birg konnte helfen: Das durchschnittliche Niveau der […]