Am kommenden Sonntag werde ich meiner Bürgerpflicht nachkommen und meine Stimmen bei der Wahl zum Niedersächsischen Landtag abgeben. Auch wenn ich ratlos wie selten bin, wem ich meine Stimmen geben werde. Ein schneller Test mit dem Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung ergab die größte Übereinstimmung mit der FDP.
Am wenigsten stimme ich demnach heute mit den Positionen jener Partei überein, der ich zwanzig Jahre lang bei jeder Bundes- und Landtagswahl mindestens meine Zweitstimme gab. Die Grünen vereinten von Anfang an zwei unvereinbare Richtungen unter ihrem Parteidach.
Da war die Umwelt- und Friedensbewegung der 70er und 80er Jahre, die zu ihren Hochzeiten bis weit ins katholische Milieu hinein ausstrahlten. Auf den selbstverständlich umweltpapiergrauen Briefumschlägen der Bezirksstelle der katholischen Jugend prangten damals Picassos Friedenstaube und der Slogan „Frieden und Gerechtigkeit“. Jugendmessen hatten die Bewahrung der Schöpfung zum Thema. Die Umweltbewegung trägt konservative, bewahrende, oft bis ins Kleinbürgerliche reichende Züge.
Und dies verträgt sich kaum mit dem libertären Revoluzzertum der Erben von 1968, das sich gegen Staat, Wirtschaft und Familie als Institutionen der Unterdrückung richtete. Die Ideologie jener Erben kann mit Begriffen wie Materialismus, Kommunismus, Sozialismus oder Nihilismus skizziert werden.
In der Partei der Grünen hat sich dieser Grundwiderspruch bis heute in den Gegensätzen von Land und Großstadt, von Fundis und Realos oder Ost und West erhalten. So kämpfen die Grünen gegen Umweltzerstörung und zerstören gleichzeitig die Innenwelt (Jürgen Borchert).
Der Wahl-O-Mat vergleicht anhand von 30 Thesen die Meinung des Nutzers mit den Positionen der Parteien. Dadurch ergibt sich durchaus ein erkennbarer Trend. Um der Wahlentscheidung näher zu kommen, bietet sich der Überblick der Bundeszentrale für politische Bildung über die Wahlprogramme der Parteien an. Bei kandidatenwatch.de stellen sich die Direktkandidaten auch meines Wahlkreises den Fragen der Wähler. Nicht alle jedoch antworten dort auch.
Die FDP, die für die flächendeckende Zerstörung von ungeborenen Kindern zu Forschungszwecken eintritt? Meines Erachtens die für einen Katholiken am wenigsten wählbare im Bundestag vertretene Partei.
Welche Partei ist denn die für einen Katholiken am ehesten wählbare Partei?
Tja, eine berechtigte Frage. Leider gibt es ja keine mehr, die christliche Prinzipien konsequent vertritt und die man unbedenklich wählen könnte. Ich tue mich auch jedes Mal wieder schwer. Bislang habe ich die Partei Adenauers gewählt, die immerhin für eine Einschränkung des Greuels der Abtreibung und – bisher – für den Emryonenschutz eintrat. Ob ich das bei der gegenwärtigen Entwicklung weiter verantworten kann, weiß ich noch nicht.
Das ist das Problem, mr.
Keine der großen Parteien tritt konsequent für unverhandelbare Werte wie Lebensschutz ein, die übrigens nicht deshalb so wichtig sind, weil sie katholische Werte wären (das sind sie eigentlich nicht, also nicht spezifisch katholisch) sondern weil sie eben das unterste Minimum unserer auf Menschenrechte gegründeten Werteordnung sind.
Jede Partei verstößt dagegen, hier und da:
-die Unionspartein sind gegen Abtreibungen, aber nicht so richtig, gegen Embryonenverbrauch, aber nicht so richtig.
-die Grünen sind gegen Embryonenverbrauch, aber für Abtreibungen.
-ähnlich hält es die PDS, wenn auch aus anderen Gründen (solange Geld damit verdient wird, ist es abzulehnen).
-bei der SPD kann keine feste Meinung erkennen.
Die FDP jedoch tritt in jedem einzelnen Punkt in radikaler Weise für die anti-menschlichen Positionen ein.
Nun, ohne mich als Ösi allzu sehr in bundesrepublikanische Wahldebatten einlassen zu wollen, nur eine ganz kurzes Statement: Ich halte es für eine bedenkliche Verkürzung des politischen Diskurses, wenn jede Wahlentscheidung eine (echten oder vermeintlichen) Christen nur noch von der Frage der Abtreibung und der Embryonenforschung abhängig gemacht wird.
In beiden Fragen vertrete ich eine durchaus klare Position (nämlich: dagegen), aber bemühe mich auch, die jeweiligen Gegenargumente nicht bloß als böswillige Scheinargumente (obzwar es natürlich aus solche gibt!)abzuqualifizieren, sondern ihrem jeweiligen Wert gerecht zu werden.
Ein Christ, der kompromißlos für das Auf-die Welt-kommen“ jedes einzelnen Embryos kämpft, wird sich auch die Frage gefallen lassen müssen, was mit diesen nun nach der Geburt konkret geschehen sollte. Und hier sind Fragen der Überbevölkerung und des massenweisen Überlebens unter „natürlichen“ Verhältnissen an sich nicht überlebensfähiger behinderter Kinder samt Konsequenzen durch deren weitere Vermehrung nicht einfach vom Tisch zu wischen.
Wenn auch unbestritten ist, daß Lebensschutz ein zentrales Gebiet der Gesellschaftsordnung darstellt, so ist doch die Absolutsetzung deser Frage quasi als Schibboleth des Christentums eine unzulässige Verkürzung.
Penseur: Nein. Ich bin mir zwar nicht völlig sicher, worauf Dein Kommentar hinauswill, wenn er aber so zu verstehen ist, Lebensschutz sei zwar wichtig, aber eben nur ein Kriterium unter vielen, widerspreche ich dem entschieden. Achtung: Relativismus-Alarm! Natürlich können im Grundsatz bei der Wahlentscheidung die verschiedensten Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Die ungerechtfertigte Tötung von Menschen ist ein intrinsisches Übel. Alle Menschen, besonders a-ber alle Katholiken sind verpflichtet, sich ihr stets und unbedingt zu widersetzen. Hier kann es auch – im Unterschied zu Krieg und Todesstrafe, die unter bestimmten Umständen immerhin theoretisch erlaubt sein können – keine erlaubte Meinungsvielfalt geben. Die formelle Mitwir-kung an ihr (cooperatio formalis) ist stets verboten und schwer sündhaft. Deshalb kann es auch unter keinen Umständen erlaubt sein, für eine Partei wegen deren lebensfeindlicher Haltung zu stimmen. Card. Ratzinger hat dies in einem Brief an Card. McCarrick vor den amerikansichen Wahlen 2004 ausgeführt (http://www.priestsforlife.org/magisterium/bishops/04-07ratzingerommunion.htm). Wie sieht es nun damit aus, für eine Partei trotz deren die Abtrei-bung/Embryonentötung befürwortender Haltung zu stimmen, solange man selbst diese klar ab-lehnt? Dies stellte eine materielle mittelbare Mitwirkung am Bösen dar. Sie ist grundsätzlich e-benfalls unerlaubt, kann aber erlaubt sein, wenn schwerwiegende Gründe dafür sprechen. Da hier der höchste Wert des menschlichen Lebens auf dem Spiel steht, könnte ein solcher schwer-wiegender Grund darin liegen, daß die fragliche Partei zwar gewisse Abtreibungen befürwortet, die anderen zur Wahl stehenden Parteien aber noch weitergehende Abtreibungen befürworten. Hier ist zu berücksichtigen, daß, wie Card. Ratzinger schreibt, nicht alle moralischen Fragen dasselbe Gewicht haben wie Abtreibung und Euthanasie; ausdrücklich nicht dieses Gewicht ha-ben etwa, wie gesagt, Krieg oder Todesstrafe. Ich kann eigentlich keinen anderen schwerwie-genden Grund erkennen, zumal etwa Johannes Paul II in Christifideles laici, Nr. 38, ausgeführt hat: „Wenn das Recht auf das Leben nicht als erstes und fundamentales Recht mit größter Entschiedenheit als Bedingung für alle anderen Rechte der Person verteidigt wird, bleibt auch das berechtigte, wiederholte Hinweisen auf die Menschenrechte – auf das Recht auf Gesund-heit, Wohnung, Arbeit, Gründung einer Familie, Kultur usw. – trügerisch und illusorisch.“
Und dann muß ich noch sagen, wenn ich den Satz lese, „Und hier sind Fragen der Überbevöl-kerung und des massenweisen Überlebens unter “natürlichen” Verhältnissen an sich nicht ü-berlebensfähiger behinderter Kinder samt Konsequenzen durch deren weitere Vermehrung nicht einfach vom Tisch zu wischen“, graut es mit. In der Wendung von den „an sich nicht überlebensfähigen behinderten Kindern“ offenbart sich eine – unbewußte, wie ich inständig hoffe! – Beeinflussung durch den Biologismus, die im Denken eines Christen, ja eines Men-schen nichts zu suchen hat. „An sich nicht überlebensfähige behinderte Kinder“ mag es unter Tieren geben, in einer menschlichen Gesellschaft darf es sie nicht geben, denn es ist deren vornehmste Aufgabe, sich um die Schwächsten zu kümmern.
Ich bitte all dies nicht als persönlichen Angriff aufzufassen, aber in der Sache kann ich den Kommentar nicht so stehen lassen.
@Beroninensis:
Keine Bange, ich fasse Ihr Posting nicht als „persönlichen Angriff“ auf. Aber lassen Sie es mich einmal folgendermaßen beantworten:
1. Sie haben natürlich recht — in der Theorie!
2. Das praktische Problem dabei ist allerdings, daß Sie sich damit faktisch jeder Wahlmöglichkeit berauben. Es gibt m.w. keine Partei, die gegen jegliche Abtreibung (außer in den Fällen, die auch von der RKK als zulässig erachtet werden, z.B. Lebensgefahr für Mutter) eintreten würde. Damit können Sie (bisher) „in materieller Mitwirkung“ eigentlich nur CDU/CSU wählen, und sollten diese ihre Meinung in der Embryonenforschung ändern, eigentlich nur mehr zu Hause bleiben oder eine Anti-Abtreibungspartei gründen. Das halte ich für vielleicht theoretisch wunderbar, aber praktisch sinnlos und kontraproduktiv.
3. Zu Ihrem J.P.II-Zitat möchte ich sagen, daß umgekehrt ein Recht auf Leben ohne weitere Rechte ebenso ziemlich illusorisch ist. Wer z.B. jemandem bloß „koste es was es wolle“ zum Leben verhilft, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie dessen Leben dann verlaufen wird, handelt zwar weniger verantwortungslos, als einer, der jemanden „koste es was es wolle“ abtreiben möchte, aber deshalb noch lange nicht verantwortungsvoll.
4. Es ist weiters zu sagen, daß die moralische Frage des Abtreibens sehr wohl von der strafrechtlichen zu trennen ist, indem es genug Handlungen gibt, die wohl moralisch verwerflich, aber dennoch nicht strafrechtlich sanktioniert sind. Und das sind keineswegs nur „Bagatellsachen“, sondern oft Dinge, die einem die Haare zu Berge stehen lassen, von denen aber trotzdem klar ist, daß eine strafrechtliche Sanktion wohl nichts besser, aber dafür vieles schlechter machen würde. Und „Täter“ in dem Sinne, daß sie aktiv abtreibungen durchführen würden, werden wohl nur die wenigsten (wenn überhaupt welche!) Parteipolitiker sein.
5. Noch ein Wort zu Ihrem Vorhalt: „„An sich nicht überlebensfähige behinderte Kinder“ mag es unter Tieren geben, in einer menschlichen Gesellschaft darf es sie nicht geben, denn es ist deren vornehmste Aufgabe, sich um die Schwächsten zu kümmern.“ Das ist schön gesagt, aber für die Betroffenen oft weniger schön umzusetzen. Wer z.B. ein Baby mit Anencephalie gesehen hat, wird wissen, wovon ich spreche. Und hier ein Kind auf die Welt zu bringen, das aller Wahrscheinlichkeit nach binnen weniger Stunden bis Tage sterben wird, halte ich weniger für die „vornehmste Aufgabe“, sondern eher für eine unmenschliche Dogmenreiterei. wobei mir schon klar ist, daß hier die Abgrenzungen schwierig sind und für die unmittelbar Betroffenen fast immer einen casus perplexus darstellen (nur Nicht-Betroffene fühlen sich oft berufen, hier theoretische Problemlösungspfade durchzudenken — und danach sehen sie dann auch aus!).
Das Problem der Abtreibung ist m.E. fast so schwierig wie das des Selbstmordes. Wiewohl ich eindeutig dagegen bin, Selbstmord zu begehen, scheue ich doch davor zurück, den, der ihn verübte, verurteilen zu wollen. Und der Gedanken, ihn strafbar zu sehen (was früher fast überall der Fall war, und selbst heute noch in manchen Rechtsordnungen), ist mir vollends unerträglich.
Also, Herr LP, niemand hat hier gesagt, was Sie unterstellen, daß „jede Wahlentscheidung … nur noch von der Frage der Abtreibung und der Embryonenforschung abhängig gemacht wird.“
1. sind dies ja keiner spezifisch christlichen Werte sondern Werte unserer Verfassung.
2. sind sie aber eben doch auch für Christen wichtig.
Das heißt ja nicht, das anderes nicht auch wichtig wäre. Es ist auch immer zu betrachten, inwiefern das Thema denn überhaupt bei der jeweiligen Wahlentscheidung relevant ist. In ca. einem Monat hat es bei uns hier Kommunalwahlen. Soll ich nun die Oberbürgermeisterin wiederwählen weil ihre „bioethische Korrektheit“ über jeden Zweifel erhaben ist? Oder sollte ich aufh Bausünden und andere kommunale Dinge schauen? Das heißt nicht, daß Bausünden wichtiger wären als organisierter Menschenmord aber innerhalb dieser Wahlentscheidung sind sie nunmal relevanter.
Für Christen/Katholiken ist hier natürlich eine Abwegung nötig – das entsprechende Dokument wurde oben schon verlinkt.
Es schmeckt schon sehr nach Relativismus was Sie, LP, hier schreiben. Sie machen es sich dabei sehr einfach und flüchten sich dann in die Probleme der Praxis – ganz als ob die anderen zu doof wären, dies schon zu wissen. Es geht aber eben darum, sich nicht mit der schlechten Realität abzufinden. Und abschließend rechtfertigen Sie dann noch die Tötung unwerten Lebens.
Si tacuisses …
Eines noch:
„Das Problem der Abtreibung ist m.E. fast so schwierig wie das des Selbstmordes. Wiewohl ich eindeutig dagegen bin, Selbstmord zu begehen, scheue ich doch davor zurück, den, der ihn verübte, verurteilen zu wollen. Und der Gedanken, ihn strafbar zu sehen (was früher fast überall der Fall war, und selbst heute noch in manchen Rechtsordnungen), ist mir vollends unerträglich.“
Nun, die Dinge liegen hier doch etwas anders:
1. Beim Selbstmord sind Täter und Opfer identisch. Beim vorgeburtlichen Kindermord eben nicht. Das Recht hat die Aufgabe das Leben zu schützen, vor allem das der Schwächeren.
2. Beim Selbstmord „gelingt“ die Tat entweder – dann erüberigt sich eine Strafverfolgung – oder sie scheitert – dann ist es aber viel wichtiger dem Opfer wieder auf die Beine zu helfen.
3. Die moralische Beurteilung beider Taten hängt sehr von den Umständen und Motiven ab. Jemanden der sich aus Verzweiflung über Persönliches umbringt beurteile ich anders als jemanden, der eine Familie mit einem Schuldenberg zurückläßt. Wieder anders jemanden, der durch Selbstmord verhindern will, durch Verrat z.B. unter Folter andere zu verraten (man denke hier an totalitäre System oder Kriegssituationen). Ähnliches wird man bei Abtreibungen sich überlegen können. Aber auf der rechtlichen Ebene ist dies jedoch alles grundsätzlich gleich zu behandeln.
4. Dennoch ist es nicht ganz ohne, daß Selbstmord keine Straftat ist, denn dadurch kann man Selbstmordorganisationen wie Indignitas nicht wegen Beihilfe beikommen, denn wo keine Straftat da keine Beihilfe.
@str1977:
Klar, Selbstmord ist was anderes als Abtreibung. Dennnoch stehe ich der Fixierung vieler Katholiken auf das Thema Abtreibung mit gemischten Gefühlen gegenüber. Hier sehe ich (ganz profan gesprochen) v.a. ein Scheitern der damaligen Kirchenobrigkeiten der 60er-Jahre, als das Thema (gemeinsam mit der Verhütungsfrage) hochkochte und von Paul VI. nicht gerade, milde ausgedrückt, glücklich gehandhabt wurde. Ein Beispiel aus Österreich: Ende der 60er-Jahre, also zu Zeiten einer ÖVP-Alleinregierung gab es Pläne des Justizministers, bei der Abtreibung, die damals in Österreich außer in Fällen der LEbensgefahr für die Mutter immer strafbar war, zu einem sehr eng gefaßten Indikationenmodell überzugehen. Das scheiterte am Widerstand der österreichischen Bischöfe (mit denen sich ein „schwarzer“ Justizminister natürlich nicht anlegen wollte). Einige Jahre später kam unter der SPÖ-Alleinregierung Kreisky dann die Fristenlösung mit Freifahrt für alle Abtreibungen bis zum 3. Monat. Ich bin mir nicht sicher, ob nicht eine gewisse Flexibilität bei den erstgenannten Überlegungen diese Entwicklung anders verlaufen hätte lassen. Sicherlich: der Indikationenkatalog wäre erweitert worden — aber auch das wäre immer noch lebensschützender gewesen, als die vollständige Freigabe.
Zu Ihrem Punkt 3. noch eine Anmerkung: ich denke nicht, daß „auf der rechtlichen Ebene alles grundsätzlich gleich zu behandeln“ ist. Das Recht differenziert auch sonst bei Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen, warum also nicht auch hier? Und, wie schon gesagt: ich bin fürwahr kein Apologet des „Mein-Bauch-gehört-mir“ — nur: das Gegenteil ist (fast) ebenso falsch. Wer z.B. Vergewaltigungsopfer unter Strafsanktion zum Austragen des Kindes zwingen will, handelt unmenschlich. Keine Frage, daß die Frau, die auch als Vergewaltigungsopfer keine Abtreibung will, unseren allerhöchsten Respekt verdient — nur: verlangen kann man es nicht!
„Dennnoch stehe ich der Fixierung vieler Katholiken auf das Thema Abtreibung mit gemischten Gefühlen gegenüber.“
Ich kann keine Fixierung erkennen, es sei denn in der Apathie anderer Gruppen, die sich sonst so menschenrechtsbewußt geben.
„Hier sehe ich (ganz profan gesprochen) v.a. ein Scheitern der damaligen Kirchenobrigkeiten der 60er-Jahre, als das Thema (gemeinsam mit der Verhütungsfrage) hochkochte und von Paul VI. nicht gerade, milde ausgedrückt, glücklich gehandhabt wurde.“
Das ist Unfug. Egal wie glücklich oder unglücklich er die Verhütungsfrage behandelt hat (obwohl es kaum Alternativen gab), auf die Abtreibungsfrage hat das keine Auswirkung. Die Millionen Tote hat sich die Abtreibungsindustrie und der sie tragende Zeitgeist schon selbst zuzuschreiben.
„Ein Beispiel aus Österreich: … Das scheiterte am Widerstand der österreichischen Bischöfe (mit denen sich ein “schwarzer” Justizminister natürlich nicht anlegen wollte). Einige Jahre später kam unter der SPÖ-Alleinregierung Kreisky dann die Fristenlösung mit Freifahrt für alle Abtreibungen bis zum 3. Monat.“
Aber Sie können doch nicht in einer Situation eine Verschlimmerung* befürworten nur weil dadurch möglicherweise eventuell eine noch schlimmere Verschlimmerung verhindert würde. Wobei auch das Spekulation wäre. (*Wenn Sie die Teilliberalisierung befürworten, dann sollte dies aus inhaltlichen Gründen geschehen, nicht aus solchen Überlegungen.)
„Das Recht differenziert auch sonst bei Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründen, warum also nicht auch hier?“
Das Recht tut das, aber es legt grundsätzlich fest ob etwas eine Straftat ist (wie bei der Abtreibung, nach deutschem Recht zumindest theoretisch) und was nicht (wie beim Selbstmord).
„Und, wie schon gesagt: ich bin fürwahr kein Apologet des “Mein-Bauch-gehört-mir” —“
Nun, im Endeffekt sind sie es eben doch.
„nur: das Gegenteil ist (fast) ebenso falsch. Wer z.B. Vergewaltigungsopfer unter Strafsanktion zum Austragen des Kindes zwingen will, handelt unmenschlich. Keine Frage, daß die Frau, die auch als Vergewaltigungsopfer keine Abtreibung will, unseren allerhöchsten Respekt verdient — nur: verlangen kann man es nicht!“
Warum sollte ich für ein Verbrechen einen dritten bestrafen? Tut mir leid, eine Legalisierung bei Vergewaltigung halte ich zwar für tolerierbar, aber moralisch rechtfertigbar ist sie nicht. Eine solche Rechtfertigung ist in sich selbst unmenschlich.
@Str1977:
Seufz! Viel mehr fällt mir zu Ihrem Posting nicht ein — leider. Trotzdem versuche ich eine kurze Replik:
1.) Hätte Paul VI. in den 60er-Jahren nicht durch seine intransigente Pillen-Enzyklika nicht jeglichen Kredit bei allen anderen als den „Hard-Core-Katholiken“ verspielt, so wäre er vielleicht mit größerem Gewicht in der Abtreibungs-Debatte dagestanden. So jedoch war der Eindruck der Öffentlichkeit: „Den kann man ja eh nicht ernst nehmen“. Taktischer Fehler.
2.) Durch das Einbetonieren auf den Standpunkt „Abtreibung ist immer und unter allen Umständen moralisch unannehmbar“ begibt man sich jeglicher Verhandlungsmöglichkeit. Daß die 68er-Bewegung genau das nicht akzeptieren würde, war abzusehen. Und daß es nicht einmal bei katholischne Kreisen wirklich kommunizierbar sein würde, wohl ebenso. Es redet ja keiner davon, daß sich Paul VI. zum Motor der Fristenlösung hätte machen sollen! Aber zwischen einer undifferenzierten Fristenlösung unter dem Motte „Was vor dem 90. Tag passiert, ist schnurzegal!“ und einer ebenso unf´differenzierten Abtreibungsgegnerschaft unter dem Motto „Werdendes Leben darf unter keinen Umständen abgetrieben werden!“ liegen viele falsche und manche richtige Zwischenlösungen. Ich kann weder der Linken den Vorwurf ersparen, mit der Fristenlösung fundamentale Unmenschlichkeit legalisiert zu haben, noch aber andererseits der Kirche, sich auch unter Inkaufnahme unmenschlicher Einzelfälle auf ein Totalverbot zu versteifen.
Natürlich – mir ist schon klar, daß die differenzierte Betrachtung des Problems die Gefahr birgt, quasi die „Büchse der Pandora“ zu öffnen. Nur: hat das Einbetonieren der RKK dagegen etwas bewirkt? Ich denke: leider nein!
Die katholische Morallehre, die doch sonst in Schulkasus mit beachtlicher (und teilweise geradezu unheimlicher) Kreativität in der LAge war, „lästige“ Moralprinzipien solange umzudeuten, bis das Ergebnis „paßte“ — sollte sie auf einmal diese Fähigkeit verloren haben? Auf einmal ganz im Gegensatz zu bewährter katholischer Tradition des Differenzierens und subtilen Unterscheidens in schwarz/weiß verfallen …?
Nein, ich denke, wir werden keinen Konsens darüber finden. Aber nochmals: wer Wahlentscheidungen zwischen Parteien nur unter dem Aspekt „Die sind gegen Abtreibung“ trifft, geht m.E. an der Realität und Komplexität des LEbens vorbei.
Tja, seufzen kann ich auch nur bei Ihrem/n Posting/s.
1. Das Humanae Vitae (die außerdem keineswegs irgendetwas neues gesagt hätte) einen Einfluß auf Abtreibungsbefürworter hätte, halte ich für ein Gerücht. Gestreut übrigens von interessierten Kreisen, die ja gerne die Katholische Kirche als Werkzeug benutzen um die Gegnerschaft gegen vorgeburtliche Tötung als einen religiösen Standpunkt hinstellen wollen.
2. Ich will ehrlich gesagt gar nicht darüber verhandeln, wann denn das Morden erlaubt sei.
Fehlende Argumente können Sie auch nicht durch Beschimpfungen wie „Hardcorekatholiken“ oder „fundamentalistisch“ ersetzen.
Sie brauchen sich auch nicht über die „katholische Morallehre“ lustig machen. Es kann nie darum gehen, lästige Moralprinzipien umzudeuten. Wo das gesehen ist, ist es abzulehnen, Es ist aber vielmehr eine Eigenschaften liberaler Pseudomoral.
„Nein, ich denke, wir werden keinen Konsens darüber finden.“
Das war auch weder meine Erwartung noch meine Absicht. Sie haben Ihren Standpunkt oben zur Genüge klar gemacht.
Ihr letzter Satz belegt nur, daß sie andere Postings hier entweder nicht lesen oder nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
@Str1977:
Fehlende Argumente können Sie auch nicht durch Beschimpfungen wie “Hardcorekatholiken” oder “fundamentalistisch” ersetzen.
Den Vorwurf fehlender Argumente trage ich durchaus mit Gelassenheit, denn auch ich hatte umgekehrt nicht den Eindruck, daß Ihre Gegenargumente besonders stark waren. In stark kontroversen Diskussionen ist es aber meistens so, daß die Gegner sich nicht einmal über die Validität von Argumenten einigen können.
Inwieweit jedoch „Hard-Core-Katholiken“ und „fundamentalistisch“ Beschimpfungen sein sollen, ist mir nicht nachvollziehbar.
Ich will ehrlich gesagt gar nicht darüber verhandeln, wann denn das Morden erlaubt sei.
Seltsam — die Kirche verhandelte aber seit Jahrhunderten beim Thema des „gerechten“ Krieges oder des notwendigen „Sterbens für das Gemeinwohl“ (denken Sie z.B. an die „Bürger von Calais“) genau darüber, wann das Ermorden unbeteiligter/unschuldiger Dritter eben kein Ermorden, sondern bloß die zwar unerwünschte, doch unvermeidliche Tötung derselben darstellt. Ihr Standpunkt mag Sie ehren, aber konsistent mit der überlieferten katholischen Lehre ist er nicht.
Sie brauchen sich auch nicht über die “katholische Morallehre” lustig machen. Es kann nie darum gehen, lästige Moralprinzipien umzudeuten. Wo das gesehen ist, ist es abzulehnen, Es ist aber vielmehr eine Eigenschaften liberaler Pseudomoral.
Über die katholische Morallehre mache ich mich keineswegs lustig — dazu sind ihre Auswirkungen durch die Jahrhunderte einserseits viel zu erfreulich, andererseits viel zu bedauerlich. Ihr Verdikt über die angeblich „liberale Pseudomoral“ finde ich hingegen durchaus erheiternd. Es ist durchaus charakteristisch, daß Angehörige eines Beziehungssystems die von ihnen erkannten, aber nicht eingestehbaren Fehler dieses Systems „denen da draußen“ zuschreiben. Nur um den historischen Kontext klarzumachen: „Jesuitenmoral“ und „Kasuistik“ waren bereits eindeutige Begriffe zu Zeiten, als von „liberaler Pseudomoral“ noch jahrhundertelang keine Rede sein konnte.
Und zur Frage des „Umdeutens lästiger Moralprinzipien“: denken Sie hier nur an das kanonische Zinsverbot (vgl. Lateranense II http://www.legionofmarytidewater.com/faith/ECUM10.HTM dessen can. 13 die Zinsnahme mit lebenslänglicher Infamie und Verweigerung des krichlichen Begräbnisses bestrafte) und den Eiertanz, den die katholische Morallehre seit der Neuzeit deshalb aufführt. „Non sunt inquietandi“ heißt es gleißnerisch in einem Kompendium der Moraltheologie vom ende des 19. Jhs. — die Zinsnahme bleibt natürlich verboten, aber die unwissenden Gläubigen sind „nicht zu beunruhigen“ …
Wenn ich mir dann z.B. die Geschäfte der Vatikanbank ansehe, komme ich schwerlich darum herum, hier ein Umdeuten lästiger Moralprinzipien zu erkennen.
Ihr letzter Satz belegt nur, daß sie andere Postings hier entweder nicht lesen oder nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Wenn ich sie nicht läse, würde ich dann Postings schreiben? Und außerdem verwechseln Sie „zur Kenntnis nehmen“ mit „zustimmen“. Wenn Sie allerdings nur Meinungen, die der Ihren konform sind, lesen wollen, dann frage ich mich freilich, wozu wir hier diskutieren …
„Den Vorwurf fehlender Argumente trage ich durchaus mit Gelassenheit, denn auch ich hatte umgekehrt nicht den Eindruck, daß Ihre Gegenargumente besonders stark waren.“
Nur habe ich auch nicht zu „Kraftausdrücken“ gegriffen. Wenn Sie „Hardcore“ und das F-wort als neutrale Begriffe betrachte, dann mache ich mir wirklich sorgen um Sie.
„Seltsam — die Kirche verhandelte aber seit Jahrhunderten“
Öhm, eigentlich nicht, denn das Kriegstöten und die Todesstrafe sind schon mal grundsätzlich nicht Mord (was nicht heißt, das es im Einzelfall dann doch wieder Mord sein kann). Lesen Sie mal nicht nur die Zehn Gebote. Außerdem ist es hier ja wohl eindeutig der Fall, daß Unschuldige absichtsvoll getötet werden.
„Jesuitenmoral“ und „Kasuistik“ sind schon wieder rein polemische Begriffe aus der tiefsten Mottenkiste. Die „liberale Pseudomoral“ (zugegeben auch polemisch) dagegen ist allenthalben Realität. Pseudo (das haben Sie wohl nicht verstanden) deshalb, weil es derselben ja eben nicht um Eingrenzung von Handlungsmöglichkeiten geht sondern darum das eigene Tun zu rechtfertiten. Und bevor Sie nun kommen: natürlich haben auch Katholiken und auch Jesuiten bisweilen ähnlich (falsch) gehandelt, aber diese Pauschaulisierung paßt nur zu jenen, die hassen und vernichten wollen.
Zu ihrem Beispiel: das Zinsverbot ist tatsächlich ein Wucherverbot … ja man hat lange einen Eiertanz gemacht, um das herkömmliche strenge Verbot des Zinsnehmens im allgemeinen zu erhalten im Anbetracht praktischer Undurchführbarkeit. Hier geht es aber 1. nicht darum, den eigentlich Kern zu entsorgen, und 2. sollte es selbst ihnen einleuchten, daß Geld weniger wichtig ist als Menschenleben, 3. Schon gar nicht ist das Umdeuten hier aus egoistischen Motiven geschehen. Die Vatikanbank war ja kein Vorreiter des Kapitalismus.
„Wenn ich sie nicht läse, würde ich dann Postings schreiben?“
Ja, warum wiederholen Sie sich denn mit Ihrem ständigen „Abtreibung darf nicht das einzige Thema sein.“ Erstens hat das niemand behauptet, zweitens wurde das seit Ihrem ersten Posting sogar von mehreren Leuten in Abrede gestellt. Dennoch kommen Sie erneut damit, als ob nichts geschehen wäre. Daher geht es definitiv nicht um „zustimmen“.
„… dann frage ich mich freilich, wozu wir hier diskutieren …“
Ja, das ist mir auch unklar, was Sie antreibt hier zu schreiben. Ihre Anwürfe in ihrem ersten Posting haben mich allerdings gezwungen, Widerspruch zu erheben.
@Str1977:
Ja, das ist mir auch unklar, was Sie antreibt hier zu schreiben.
Wenn ich mir Ihre Reaktionen so ansehe, frage ich mich das gelegentlich auch mal. Na, vielleicht hilft ein Blick in meinen Blog-Header — nicht, daß ich mich der aufgehenden Sonne vergleichen wollte 😉 (bin ja nicht größenwahnsinnig!), aber das Bestreben des „Illuminare his qui in tenebris et in umbra mortis sedent“ trifft’s schon irgendwie (na, hoffentlich fühlen sie sich jetzt nicht gleich wieder auf den Schlips getreten …)