Bei der Rekonstruktion der Liturgiereform ließ ich mich bislang von der Annahme leiten, das große Kirchenumbauprogramm sei erst auf das Missale von 1969/1970 gefolgt. Inzwischen weiß ich aber, dass die gotische Hallenkirche meiner Heimatstadt schon sehr viel früher den neuen Choraltar erhielt. Er wurde bereits am 8. September 1965 durch Bischof Heinrich Maria Janssen geweiht.
Insofern stimmt die bislang angenommene Reihenfolge der Ereignisse nicht und kann auch die eingangs formulierte These so nicht stimmen. Das Messbuch Pauls VI. war, so scheint es mir nun, viel eher ein Akt der Reaktion auf eine außer Rand und Band geratene Liturgiereform als deren Ursache.
Mein Vater berichtet, dass in jener Kirche schon in den 40er Jahren regelmäßige „Gemeinschaftsmessen“ an einem hölzernen Volksaltar ad orientem zelebriert wurden. Dieser Altar stand etwa dort, wo später der marmorne Volksaltar errichtet wurde, und wurde nach jeder Gemeinschaftsmesse wieder demontiert.
Die Zelebration versus populum hingegen bringt mein Vater erst mit dem Konzil in zeitlichen Zusammenhang. Wahrscheinlich ging mit der Weihe des Choraltars der Wechsel der Zelebrationsrichtung einher.
Und in der Tat – die Zelebration versus populum entspricht der Reform von 1965, wie sie Adam Barnette in seinem Blog „The Mass of Vatican II“ beschrieben hat. Seiner Meinung nach spricht Einiges dafür, dass mit dieser Reform die zehn Jahre zuvor von Pius XII. mit der Neuordnung der Karwoche begonnene Liturgiereform im Sinne der Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ abgeschlossen war.
Der dieser Konstitution gewidmete vierte Teil meiner kleinen Reihe zur Liturgie steht noch aus. Danach wird eine zweite Runde folgen:
- Die Neuordnung der Karwoche (1955)
- Die Reformen Johannes‘ XXIII. (1960 bis 1962)
- Die Liturgiekonstitution (1963)
- „Inter Oecumenici“ (1964) und die Reform von 1965
- „Tres abhinc annos“ (1967)
- Die apostolische Konstitution „Missale Romanum“ (1969)
- Das Missale von 1969/1970
Lieber mr!
Die Aufarbeitung der Missale ist eine wunderbare Sache und ein Fundus für jeden interessierten Katholiken.
Darf ich Sie auf unsere Homepage oder Weblog einladen?
http://www.mercedarier.at — mercedarier.blogsome.com
Gottes Segen,
Jürgen G. Kotzian, OdeM CavdM
….ich habe zufällig entdeckt, dass die Zelebration vs.populum in Wien versuchsweise schon längst vor dem II. Vatikanum ad experimentum zugelassen war und zwar in der Pfarre St. Gertrud im 18. Wiener Gemeindebezirk unter dem Einflß der liturgischen Bewegung um Pius Parsch. Wesentlicher Grund dieser Zelebrationsrichtung dürfte tatsächlich die vermeintliche Norm der röm. Basiliken mit ihrer Zelebrationsrichtung gewesen sein, ….
verzeihung, error: das war nicht die Pfarre st.Gertrud sondern die Kapelle St. Gertrud in Klosterneuburg, wo Pius Parsch Can reg. bereits 1950 den „Volksaltar“ errichtete.