Die protestantische Theologin und FAZ-Redakteurin Heike Schmoll befasst sich im Leitartikel der Ausgabe von morgen (Reformationstag) mit den Anliegen des Bibelübersetzers Luther. Und schlägt dann, scharf konstrastierend, einen Bogen zur jüngsten Bibelübersetzung aus protestantischem Hause:
Die Bibel in gerechter Sprache scheint grundsätzlich nicht mit kritischen und mündigen Lesern zu rechnen und sie zu einem selbständigen Urteil befähigen zu wollen. Das läuft Luthers Anliegen diametral entgegen. Vieles klingt wie eine Verbesserung deutscher Übersetzungen, nicht wie eine Übersetzung aus dem Hebräischen oder Griechischen. Damit wird genau der Text, der aus der Bevormundung befreien soll, selbst zum Mittel der Entmündigung. Das ist das Anstößige, Skandalöse dieser Übersetzung.
Der Gesinnungskult feministischer Randgruppen und Gleichmacher läßt sich nicht allein damit erklären, daß Protestanten immer in der Gefahr stehen, einer weltlichen Autorität den religiösen Kredit zu geben, den sie dem Papst einst verweigert hatten. Das eigentlich Erschreckende ist nicht, daß viele Spendenfreudige diese Bibelübersetzung wollten, sondern daß einige Kirchenleitungen in Deutschland (allen voran die hessische), aber auch in Österreich und der Schweiz und nicht wenige Vertreter der akademischen Theologie ein solches Vorhaben unterstützen. Denn die Bibel in gerechter Sprache wird vermutlich schneller wieder verschwinden als die verbreitete Unklarheit ihrer Unterstützer über elementare Einsichten der Bibelauslegung und Hermeneutik.
Der erste Absatz, in dem sie quasi den Glauben von der Bibel trennt, ist zwar haarsträubender Blödsinn (auch historisch – wo gab’s denn im Protestantismus Lateinschulen???), aber der Großteil des Artikels ist wirklich gut. Und der Teil, den Du zitierst, nachgerade genial… 🙂
Falsch ist: Protestanten konnten kein Latein.
Richtig ist: In jeder protestantischen Stadt gabs im 16. und 17. Jh Lateinschulen.
Falsch ist: Luther übersetzte nicht nach der Vulgata.
Richtig ist: Luther übersetzte im Neuen Testament meist eng im Anschluß an die Vulgata, auch dort, wo diese sich nicht an den griechischen Text hält. Beispiel Phil 4,7, womit heute noch jede gute lutherische Predigt abschließt (sog. Kanzelsegen). Das ist die Lesart der „alten“ Vulgata! (Et pax Dei … custodiat corda vestra) Man vergleiche die EÜ, die den wissenschaftlichen griechischen Text übersetzt – aber da ists kein Segen mehr.
Fazit: Die Lutherbibel stellt eine gelungene Weiterführung der Vulgata-Tradition im Raum der deutschen Sprache dar. Dies ist kein Manko, sondern birgt ökumenisches Potential. Jede EÜ-Revision, die sich gemäß römischen Vorgaben mehr an der Glaubenstradition orientiert, wird zwangsläufig auch der Lutherbibel näherrücken.
Falsch ist: Die Bibel in gerechter Sprache entfernt sich vom Urtext.
Richtig ist: Die BigS wurde von vielen Übersetzern erstellt und deshalb sind solche Pauschalurteile absurd. Die Genesis etwa ist sehr nah dran am hebräischen Text (ob das nun ein Vorzug ist, sei dahingestellt).
Falsch ist: Die BigS entmündigt die Leser.
Richtig ist: Den Lesern wird von dieser Übersetzung enorm viel abverlangt. Es gibt keine gliedernden Zwischenüberschriften. Die Sprache ist oft steil, von der Idee mit den Gottesnamen, die ad libitum ersetzt werden sollen, ganz zu schweigen. Hinter der BigS steht ein elitäres Konzept.