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Moderne Mythen

Gestern habe ich das erste Gespräch [MP3] aus der Reihe „Wiederkehr der Religion?“ im Deutschlandfunk gehört. Gesprächspartner war der agnostische Philosoph Kurt Flasch.

Irgendwie doch witzig, dass ein gebildeter Mann wie er, explizit interessiert an der Wahrheitsfrage, offensichtlich der Meinung ist, die Kirche habe bis zur Erfindung der historisch-kritischen Exegese ein wortwörtliches Verständnis der Bibel gelehrt. Dies sei dann „zusammengebrochen“, weshalb nun zum Beispiel allegorisch interpretiert werde (was ihn nun wiederum nicht überzeugen könne).

Da kennt er aber die Kirchenväter schlecht, und er scheint auch nicht zu wissen, dass der Bibelfundamentalismus erst eine (moderne, protestantische) Reaktion auf die diversen Exzesse der modernen (protestantischen) Exegese ist.

Wie wäre es denn, lieber Deutschlandfunk, jemanden zu fragen, der sich mit sowas auskennt?

Auch nett übrigens, wie Flasch den von Jochen Rack ins Feld geführten Gianni Vattimo und dessen mythologisches Credo-Verständnis abfertigt…

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Kommentar

37 Kommentare

  1. Das Traurige ist ja, dass Behauptungen wie „die Kirche hat die Bibel wörtlich interpretiert“ (als hätte es Augustinus nicht gegeben) oder „die Vernunft ist erst mit der Aufklärung zu Ehren gekommen, davor gab es nur bigotte Fanatiker“ (als hätte es Thomas von Aquin, Albertus Magnus usw. nicht gegeben) einfach Allgemeingut sind. Man denkt, dass das „eben so war“ – und dabei natürlich völlig übersieht, dass die oftmals als „Befreiung des Geistes“ interpretierte Reformation* eben auch der Vernunft im Glauben eine Absage erteilte, und dem Fideismus Tür und Tor öffnete. Aber man muss sich halt eben explizit mit diesen Dingen auseinandersetzen, um sie zu wissen – und das tut man halt nicht, wenn man kein spezielles Interesse daran hat (etwa katholisch ist).

    *Wohl auch deswegen wird derzeit zu einer „Reformation“ im Islam aufgerufen. Dabei haben schon mehrere US-Kommentatoren z. T. bereits vor Jahren festgestellt: „Islam doesn’t need a Reformation, it needs a Pope.“ Radikale private Interpretationen des Koran gibt’s dort eben schon mehr als genug…

  2. Exakt, Petra, der Islam hatte seine Reformation schon, mitten in Arabien, mit den Wahhabiten, die ja den Puritanern in vielen Dingen ähnlich sind. Und die Wahhabiten sind sa schließlich die Vorbilder von Leuten wie Osama bin Ladin und anderen „freundlichen Zeitgenossen“.

    Ein weiteres Problem, das ich oben sehe, ist die Zuspitzung auf „wortwörtliche“ und „allegorische“ Lesart einerseits, und die unterlíegende Meinung, man müsse entweder nur die eine, oder nur die andere gebrauchen (der Urheber dieser Meinung ist die Reformation, die sich auf den „sensus historicus“ versteift hat).

    Da lob ich mir doch die Kirchenväter mit dem vierfachen Schriftsinn, der erlaubt, daß eine Stelle sowohl historisch wie auch allegorisch auslegt werden kann.

    Diese Einseitigkeit ist meiner Ansicht nach auch das Grundproblem von Herrn Drewermann, der meint der Glaube, Jesus sei wirklich über das Wasser gewandelt und das Grab sei wirklich leer gewesen verstelle den Blick auf über das rein historische hinausgehende Bedeutung „für mich jetzt“.

  3. Diese Einseitigkeit ist meiner Ansicht nach auch das Grundproblem von Herrn Drewermann, der meint der Glaube, Jesus sei wirklich über das Wasser gewandelt und das Grab sei wirklich leer gewesen verstelle den Blick auf über das rein historische hinausgehende Bedeutung “für mich jetzt”.

    Dazu eine Literaturempfehlung: Drewermann, „Worum es eigentlich geht“ http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/346620366X/gantenkiel-21

    Hier findet sich ein hochinteressanter Diskurs mit Erzbischof Degenhardt über die Historizität der jungfräulichen Geburt und der Himmelfahrt Jesu Christi. Vielleicht verstehen man Drewermanns Intentionen besser, wenn man das gelesen hat.

  4. Ach, Penseur, ich verstehe Drewermanns Intentionen sehr gut.

    Ich habe zwar bei einem Psychologen gelesen, daß seine Psychologie eher laienhaft sei, aber sein Grundansatz Theologie, Seelsorge und Psychologie zu verbinden, ist vielleicht nicht ganz originell aber zumindest positiv.

    Das Problem ist nur was er dabei, vom alten Bultmann indoktriniert, aus dem Fenster herauszuschmeißen meint (mit sehr hanebüchenen Argumenten, vor allem was die Jungfrauengeburt angeht – ich führe das auf Anfrage gerne weiter aus) … und daß nicht nur für sich. Er ist ja der Papst von Paderborn und somit gelten seine Lehrmeinungen gleich allgemein. Und wehe die Welt(kirche) unterwirft sich nicht, dann guckt er gleich ganz böse (damit meine ich jetzt nicht die ständige Leidensmiene).

    Worum es eigentlich geht?

    Drewermann glaubt an die Psychologie und an Mythen … Christen glauben an eine tatsächlich so geschehene und eine tatsächlich geschende und eine tatsächlich geschehen werdende Realität.

  5. Das Problem ist nur was er dabei, vom alten Bultmann indoktriniert, aus dem Fenster herauszuschmeißen meint (mit sehr hanebüchenen Argumenten, vor allem was die Jungfrauengeburt angeht – ich führe das auf Anfrage gerne weiter aus)

    Ja, bitte! Bin sehr interessiert an Ihren Ausführungen zur Jungfrauengeburt.

    Drewermann glaubt an die Psychologie und an Mythen … Christen glauben an eine tatsächlich so geschehene und eine tatsächlich geschende und eine tatsächlich geschehen werdende Realität.

    Tatsächlich so geschehene Realität — „… ach laß, Louise, das ist ein zu weites Feld!“ möchte man mit dem alten Baron Briest seufzen … Dann sind wir nämlich bei der „photographierbar stattgefunden habenden“ Himmelfahrt Christi („Mit wieviel km/h?“ möchte man hier fast fragen), bei der Frage, wie Christus genetisch ein Mann sein konnte (Maria konnte aus ihrem weiblichen Chromosomensatz wohl schwerlich ein y-Chromosom generieren), über die maximale Dehnbarkeit des Hymen und ähnlich undelikaten Fragestellungen. Ich glaube nur, daß man dem Glauben damit keinen wirklich guten Dienst erweist …

    P.S.: mir ist völlig bewußt, daß diese und andere Fragen von Ihnen als Provokation aufgefaßt werden dürften. Leider. Sie sind aber nicht bloß provokativ gemeint — daher versuchen Sie es einmal so zu sehen: wenn Sie diese Fragen nicht mit mir diskutieren, werden Sie sie einmal von einem wirklich ungläubigen, u.U. glaubenshassenden Menschen gestellt bekommen. Bis dahin haben Sie jetzt die Gelegenheit zu trainieren … 🙂

  6. Penseur,

    ein paar solcher hanebüchenen, jedweder Vernunft spottetenden Argumenten bringen sie ja selber an (wohl zuviel Drewermann gelesen?): Chromosomensatz usw.

    Es geht hier nicht um Provokationen. Solche Argumente provozieren allerhöchstens meine Intelligenz, nicht mein Christentum, denn sie sind, wie gesagt so bodenlos dümmlich, daß man an menschlicher Intelligenz zweifeln muß.

    Das jetzt bitte nicht persönlich nehmen.

    Drewermann argumentiert etwa wie folgt: Im ersten Jahrhundert kannte man sich nicht so aus mit Zeugung und Fortpflanzung und so konnte man meinen, Gott schwängert Maria und raus kommt der Sohn Gottes. Wir aber wissen seit dannundann dank der Forschungen von soundso, wie die Zeugung läuft. Das Ei und Samenzelle verschmelzen und Chromosomen und Gene und und und. Und danach fehlt das nötige Erbmaterial des Vaters usw usw usw.

    Alles natürlich gequirlter Quatsch.

    Sicher wußte man damals über die Details nicht so gut Bescheid. Aber man wußte dennoch, daß man Mann und Frau braucht um ein Kind zu zeugen. Man wußte daß es ohne nicht geht. Wenn es dennoch „passiert“, dann muß es ein Wunder sein.

    Drewermanns Problem ist, daß er nicht an Wunder glaubt, oder vielmehr: er glaubt an die Nicht-Existenz von Wundern, denn natürlich kann er sein Meinung nicht begründen. Wunder (jetzt im übernatürlichen Sinn) sind Abweichungen vom üblichen, natürlichen Geschehen, wir würden sagen: von den Naturgesetzen.

    Wir wissen heute detailierter über die Naturgesetze bescheid (obwohl diese auch nur Denkmodelle sind), aber die Damaligen wußten auch genug. Drewermanns philosophische Vorentscheidung (über Bultmann) ist der Materialismus, der eben übernatürliches ausscheidet und negiert. Das ist aber nur seine Meinung, die in keiner Weise begründeter ist als die gegenteilige Meinung, daß Wunder eben doch möglich sind. Im Gegenteil, eine gesunde Skepsis würde eher zu letzterer Meinung neigen, ganz abgesehen vom empirischen Befund, z.B. unerklärter Heilungen.

    Da Drewermann alles Übernatürliche ausschließt, muß er dann solch pseudo-naturwissenschaftliche Argumente anführen wie das mit dem Chromosomensatz. Als ob der allmächtige Gott, wenn er schon ein Wunder tut, nicht auch die nötigen Chromosomen mitliefern könnte?!

    Denn falls es Ihnen oder Drewermann entgangen ist: die jungfräuliche Empfängnis ist ja nicht, daß Jesus keinen Vater gehabt hätte, sondern daß dieser Vater Gott war.

    „Tatsächlich so geschehene Realität“ ist deshalb wichtig, weil wenn das mit Jesus alles nur Geschichten und Mythen wären, dann ist auch unsere Erlösung nur eine Geschichte und nicht real. Und so stellt es sich auch in Drewermanns Seelsorge dar. Ich beziehe meine Kenntnis aus dem was er selbst darüber sagte. Schuld und Sünde gibt es darin nicht, nur das Ausgeschlossensein von Gemeinschaften, woran dann natürlich nur die böse Allgemeinheit schuld ist. Ich krieg das Beispiel jetzt nicht mehr zusammen, aber es ging um Alkoholiker. Er wollte uns doch wirklich weißmachen, daß die Alkoholabhängigkeit an sich kein Problem wäre.

    Die Geschwindigkeit der „Himmelfahrt“? Nun, so lange sich Jesus im materiellen Raum bewegte hatte er natürlich eine bestimmte Geschwindigkeit, die man mit dem nötigen Instrumentarium auch messen könnte. Wo liegt das Problem? Etwa, wie ich es schon gehört habe, daß er dann heute noch nicht „im Himmel angekommen wäre“? Ist genau so ein Stuß, wie das obere, denn der Himmel ist ja nicht da wo die Sterne sind (das glauben nur Mormonen) – der Himmel ist jenseits der materiellen Welt und dahin kommt man eben ohne Zeitverzögerung.

    Die Gelegenheit zu trainieren will ich hier nicht wahrnehmen. Die Fragen müssen natürlich beantwortet werden. Aber das Grundproblem, die Grundfrage ist doch diese:

    Halte ich Wunder und Übernatürliches, Ausnahmen von den Naturgesetzen für möglich, oder halte ich in abergläubischer Weise an dem Glauben fest, daß es solche Ausnahmen nicht geben kann?

    Argumente wie die obigen sind aus diesem Aberglauben geboren und können daher nicht durch Argumente überwunden werden. Genauso wenig wie ich einem Verschwörungstheoretiker von seiner Vorstellung abbringen kann.

    PS. „Aberglauben“ sage ich deshalb, weil diejenigen, die ihn vertreten, sich selten der philosophischen Voraussetzungen ihres Denkens bewußt sind. Wären sie das, dann würden sie zumindest den alternativen Gedanken bedenken und zumindest als Gedankenspiel für möglich halten.

    Auch Drewermann ist sich seiner Voraussetzungen nicht bewußt. Er ist ja, bei allem Respekt, nicht sonderlich helle. Daher kann er auch seine Ansichten nicht diskutieren. Zumindest habe ich noch nie (und ich habe ihn schon mehrere Male gesehen) diskutieren sehen. Nein, er hält Monologe solange bis der Diskussionsleiter ihm das Wort nimmt (oder halt auch nicht). Wagt es jemand zu widersprechen, gibt er zurück: Ihr Reaktion ist ein Ausdruck des …-ismus, den ich hier anprangere. Und schon gehts weiter mit dem nächsten Monolog.

    Es tut mir leid, so positiv ich auch den Grundansatz Psychologie und Seelsorge zu verbinden erachte, das Phänomen Drewermann im Ganzen ist letzlich nur eine einzige Infantilisierung. Ich glaube nicht, daß der Herr dies gemeint hat in Matthäus 18,3.

  7. str:

    Du meinst vermutlich den katholischen Psychotherapeuten Manfred Lütz, der in seinem köstlichen Buch „Der blockierte Riese. Psycho-Analyse der katholischen Kirche“ über Drewermann schreibt (S. 36):

    „Zwar hat er seine eigene Psychotherapieausbildung, wie er an eher entlegener Stelle selbst mitteilte, „aufgrund der inneren und äußeren Reibungen nicht bis zu Ende durchführen können“, und berichtet unabsichtlich von offensichtlichen und verheerenden Behandlungsfehlern, zwar fehlt seinem gesamten Werk ein wissenschaftlich-kritische Auseinandersetzung mit der von ihm verwendten Methode, das hießt, den Geltungsanspruch psychoanalytischer Deutungen. Dennoch gelang es ihm eine zeitlang, sich durch geschickte Medienstrategie zu einer geradezu unanfechtbaren Autorität zu stilisieren. (…) Innerkirchlich kam ihm seine zutiefst konservative Struktur zu Hilfe, mit einem überhöhten Priesterideal, an dem jede Realität scheitern musste, und mit einer ausgesprägten Bischofsfixierung – während er wissenschaftlich kontroversen Auseinandersetzungen stets aus dem Weg ging, legte er auf Gespräche mit Bischöfen großen Wert.“

    Vielen Dank übrigens auch für Deine Darlegungen zu den Wundern des Neuen Testaments. Die meisten sich selbst als Christen bezeichnenden Wunderleugner scheinen es ja irgendwie nicht zu schnallen, dass Gott im christlichen Verständnis vor aller Schöpfung da ist: dass Er eben die ganze Welt und alles was wir wahrnehmen können (inklusive unseres eigenen Bewusstseins) geschaffen hat. (Woran sie ja oftmals auch selber noch glauben.) Und dieser Gott, der ein ganzes Universum erschuf, soll eine Frau nicht schwängern können – obwohl Er die Frau, die Eizelle, die Chromosomen, die Abläufe der Befruchtung, bis hin zu den Atomen und subatomaren Teilchen, aus dem das alles besteht – selbst erschaffen hat?? Also bitte!

  8. Danke Petra für die Informationen.

    Ich kann mich nicht erinnern, wie der Psychologe hieß.

    Sein Artikel befand sich in einem Sammelband namens „Marsch auf Rom“, erschienen so Mitte der 90er, in der viele Aspekte des „Anti-Romanismus“ in Deutschland behandelt wurden. Ich kram die Kopie daheim mal raus und liefere den Namen nach.

    Mit den Wunderleugnern stimme ich Dir zu. Mir geht es vor allem um die unterliegende Haltung. Ich habe kein Problem damit, wenn Drewermann oder andere ein Heilung psychologisch erklären, oder Jesu Gang über Wasser als Gleichnis nehmen, oder die Brotvermehrung als Akt des Teilens. Auch und obwohl das alles in der Summe schon sehr penetrant ist. Noch nicht mal mit einer nichtbiologischen Interpretation der Jungfauengeburt, außer in dem Sinne das sie natürlich dem klaren biblischen Zeugnis widersprechen. Da hilft keine Alma-Philologie, bei Matthäus ist der Kontext klar und Lukas verwendet das Jesaja-Zitat ja gar nicht.

    Das wahre Problem ist die Antwort auf die Frage, warum denn unbedingt jedes Wunder so „behandelt“ werden muß. Und die Antwort ist klar, auch wenn der Diskussionspartner es ableugnet (schon geschehen): Wunder kann es gar nicht geben! Sie verstoßen gegen die Naturgesetze. Und für den christlichen Glauben ist das tödlich, denn wenn das nicht geht, was ist dann mit der Auferstehung, sowohl der Christi als auch unserer? Paulus spricht dazu klare Worte im 15. Kapitel des Ersten Korintherbriefes. Wenn es keine Wunder geben kann, dann kann es auch kein Christentum geben. Dann suchen wir uns lieber eine andere Beschäftigung als weiter die Zeit hiermit zu verplempern. Jeder muß sich die Frage stellen, wenn er den Christ sein will.

    Abschließend noch ein bißchen Chesterton:

    „Das großartige an Wundern ist, daß sie manchmal tatsächlich geschehen!“

  9. Petra, der Psychologe war Erwin Möde.

    Penseur möchte ich im Kontext der von mir angesprochenen Infantilisierung bitten, nochmal die von ihm so vehement verteidigte Vorlesung Benedikts in Regensburg zu lesen.

  10. Drewermann argumentiert etwa wie folgt: Im ersten Jahrhundert kannte man sich nicht so aus mit Zeugung und Fortpflanzung und so konnte man meinen, Gott schwängert Maria und raus kommt der Sohn Gottes. Wir aber wissen seit dannundann dank der Forschungen von soundso, wie die Zeugung läuft. Das Ei und Samenzelle verschmelzen und Chromosomen und Gene und und und. Und danach fehlt das nötige Erbmaterial des Vaters usw usw usw.

    Alles natürlich gequirlter Quatsch.

    Wieso? Wenn Christus „wahrer Gott und wahrer Mensch“ sein soll, braucht er den Chromosomensatz eines Menschen, und als „Menschensohn“ näherhin den eines Menschenmannes. Nun argumentieren Sie:

    Als ob der allmächtige Gott, wenn er schon ein Wunder tut, nicht auch die nötigen Chromosomen mitliefern könnte?!

    Aber sicher kann er das. Und nicht nur das! Er kann natürlich noch viel mehr: Er kann eine Eizelle Mariens anregen, sich spontan zu teilen und spontan ihre Chromosomen zu ändern und sich sodann im Uterus einzunisten. Er kann nach ca. neun Monaten Marias Vagina und Hymen dehnen, um ein Kind auf die Welt kommen zu lassen, ohne daß es zu einer Hymenbeschädigung kommt. Er kann Maria bei der ganzen Sache völlig schmerzfrei belassen (wenigstens ist das offizielle Ansicht — wenngleich m.W. noch nicht definierte Glaubenslehre), usw., usf. …

    Natürlich könnte Gott das alles, aber warum soll er es wollen? Und v.a.: warum soll er es gerade so wollen, daß zu Lebzeiten Jesu es keiner mitbekommt („… und er wurde für den Sohn des Zimmermanns gehalten“) und wir Nachgeborenen es nur aus wesentlich später verfaßten Evangelientexten erfahren und es glauben können, oder auch nicht … Wenn diese Jungferngeburt nämlich so wichtig und beweiskräftig für den GLauben wäre — warum tut Gott zu all den mühevollen Wundern mit Chromosomen etc. nicht noch ein kleines Extrawunder dazu und läßt, bespielsweise, den guten alten Pulblius Ovidius Naso auf einer Orientreise zufällig vorbeikommen und das Ereignis in seiner Beobachtungen literarisch festhalten? Aber eigenartig — er tut es nicht. Warum wohl …?

    Drewermanns philosophische Vorentscheidung (über Bultmann) ist der Materialismus, der eben übernatürliches ausscheidet und negiert. Das ist aber nur seine Meinung, die in keiner Weise begründeter ist als die gegenteilige Meinung, daß Wunder eben doch möglich sind. Im Gegenteil, eine gesunde Skepsis würde eher zu letzterer Meinung neigen, ganz abgesehen vom empirischen Befund, z.B. unerklärter Heilungen.

    Darf ich Ihnen dazu eine sehr aufschlußreiche Webpage empfehlen: http://www.dittmar-online.net/religion/wunder.html

    Denn falls es Ihnen oder Drewermann entgangen ist: die jungfräuliche Empfängnis ist ja nicht, daß Jesus keinen Vater gehabt hätte, sondern daß dieser Vater Gott war.

    Und das haben wir, wenn wir die Trinitätslehre annehmen, schon das nächste Problem. Ja, ja, ich weiß, hypostatische Union usw. … Schon wieder ein Wunder und ein strenges theologisches Geheimnis noch dazu. Keiner weiß was genaues und wir glauben es alle.

    Aber das Grundproblem, die Grundfrage ist doch diese:

    Halte ich Wunder und Übernatürliches, Ausnahmen von den Naturgesetzen für möglich, oder halte ich in abergläubischer Weise an dem Glauben fest, daß es solche Ausnahmen nicht geben kann?

    Abergläubisch? Nun, hier wandern Sie für meine Begriffe eher wie ein Kind beklommen durch den dunklen Wald und rufen: „Ich fürchte mich überhaupt nicht!“ Und gleich Ihre nächste These ist von ähnlich argumentativer „Qualität“:

    “Aberglauben” sage ich deshalb, weil diejenigen, die ihn vertreten, sich selten der philosophischen Voraussetzungen ihres Denkens bewußt sind. Wären sie das, dann würden sie zumindest den alternativen Gedanken bedenken und zumindest als Gedankenspiel für möglich halten.

    Wenn ich so denke, wie Sie das postulieren, kann ich alles erklären. Ich kann bei jedem beliebigen Ereignis ein „Wunder“ annehmen. Ich kann „als Gedankenspiel“ jede nur mögliche Welt imaginieren. Nur: was soll mir das beweisen? Daß das, was als Gedankenspiel möglich ist, deshalb auch wirklich so ist? Das meinen Sie doch nicht im Ernst, hoffe ich …

    Zur Abwechslung eine Gegenfrage:

    Was sagen Sie zum „Wunder“, daß z.B. auch Buddha (vernachlässigen wir einstweilen noch die vielen anderen, von denen das ebenfalls berichtet wurde) durch Jungfrauengeburt zur Welt gekommen ist? Wenn das stimmt („als Gedankenspiel“ kann ich es mir nämlich ebensogut vorstellen, wie die jungfräuliche Geburt Jesu) — wäre das dann nicht ein Zeichen für die Richtigkeit der buddhistischen Lehre? Und wenn Sie daran Zweifel haben sollten: welche sind es denn, die Sie nicht gegenüber der jungfräulichen Geburt Christi ebenso haben könnten oder vielmehr müßten?

    Es tut mir leid, so positiv ich auch den Grundansatz Psychologie und Seelsorge zu verbinden erachte, das Phänomen Drewermann im Ganzen ist letzlich nur eine einzige Infantilisierung.

    Ohne mich zum Anwalt Drewermanns machen zu wollen (der kann sich gegen solche Vorwürfe schon durchaus selbst verteidigen, bin ich mir sicher), da meine Ansichten zu diesen Fragen doch durchaus von den Drewermann’schen abweichen: die Deutung von „Wundern“ wie Jungfrauengeburt oder Himmelfahrt als historisch festmachbare und beweisbare Fakten wirkt auf mich weit eher als Infantilisierung des Glaubens, frei nach dem Motto „Wenn ihr keine Wunder seht, glaubt ihr nicht“.

  11. Das finde ich schon recht enttäuschend, lieber Denker, dass sie nun gerade Volker Dittmar als Referenz anführen. Ich habe von ihm noch keine Argumentation gelesen, die wirklich schlüssig wäre. Im Gegenteil.

    Für Dittmar ist etsi deus non daretur ein Dogma – und nicht das, was es wirklich ist: der Ausschluss der Beobachtung Gottes aus der (modernen Natur-)Wissenschaft.

    In der modernen Naturwissenschaft kann Gott per definitionem nicht mehr vorkommen. Deshalb sind natürlich auch Wunder – definieren wir sie einmal als aktives Handeln des transzendenten Gottes in der Welt – nicht wissenschaftlich beobachtbar. Die Erklärung „Gott“ ist von vornherein ausgeschlossen, aus methodischen Gründen und um Naturwissenschaft von metaphysischen Vorentscheidungen ablösen zu können.

    Aber folgt daraus, dass es keine gibt? Das kann ich nicht sehen. Die eigentliche Frage ist doch: Kann Gott aktiv in der Welt handeln? Falls nicht, dann wären wir wohl beim Deismus.

  12. „Wieso? Wenn Christus “wahrer Gott und wahrer Mensch” sein soll, braucht er den Chromosomensatz eines Menschen, und als “Menschensohn” näherhin den eines Menschenmannes.“

    Ja und, er hat ja auch einen menschlich-männlichen Chromosomensatz.

    „Natürlich könnte Gott das alles, aber warum soll er es wollen?“

    Wissen Sie, ich maße mir nicht an, Gott vorzuschreiben was er wollen könnte oder wollen sollte und warum, außer er hält es für richtig mir das mitzuteilen. Und das hat er ja nun mal auch getan, wie uns die Evangelien berichten.

    Natürlich mußte Jesus rein legal der Sohn des Joseph sein, schon wegen der dynastischen Abstammung von David und der Zugehörigkeit zum Stamme Juda (der Stamm geht nämlich nach dem Vater, die Zugehörigkeit zum Volke Israel nach der Mutter). Und warum sollte er einen obskuren Poeten des in der Welt zwar sehr bedeutendenden aber in Gottes Auge nur zweitrangingen Volkes des Römer dabei Pate stehen? Ganz abgesehen davon, daß ich nicht glaube, daß ein solches Zeugnis ihre oder Drewermanns Opposition aufheben würde.

    „Wenn diese Jungferngeburt nämlich so wichtig … wäre“

    Es geht hier gar nicht darum ob sie wichtig ist. Gott hätte vielleicht auch ohne dergleichen Mensch werden können. Er hat es aber nun mal so gemacht, so glauben Christen, und es ist uns so bezeugt. Man mag es für unwichtig halten, aber damit begnügen sich die Drewermänner ja nicht. Nein, es darf nicht, darf nicht, darf nicht sein.

    „… beweiskräftig für den GLauben wäre“

    Ich verstehe nicht genau, was das heißen soll, aber die Grundlage der Leugnung der Jungfrauengeburt, nämlich ein philosophischer Materialismus steht nunmal im Widerspruch zu jedem christlichen Glauben.

    „Und das haben wir, wenn wir die Trinitätslehre annehmen, schon das nächste Problem. Ja, ja, ich weiß, hypostatische Union usw.“

    Mmh, ich weiß nicht wo da ein Problem liegen soll. Ganz abgesehen davon, daß auch die Arianer an die Jungfrauengeburt glaubten. Insofern tut das nichts zur Sache.

    „Abergläubisch? Nun, hier wandern Sie für meine Begriffe eher wie ein Kind beklommen durch den dunklen Wald und rufen: “Ich fürchte mich überhaupt nicht!”“

    So, ihre Argumentation würde mich vielleicht überzeugen, wenn sie eine wäre. Da ist aber nichts.

    „Wenn ich so denke, wie Sie das postulieren, kann ich alles erklären. Ich kann bei jedem beliebigen Ereignis ein “Wunder” annehmen.“

    Nein eben nicht. Im einzelnen Fall kann ich ja durchaus skeptisch sein. Man kann auch gegenüber der Auferstehung skeptisch sein … nur dann ist man kein Christ mehr. Wenn sie mir sagen wollen, man könne heutzutage kein Christ mehr sein, wären sie (und Drewermann) wenigstens konsequent (und in Drewermanns Fall: ehrlich gegenüber sich selbst) und ich würde das respektieren, wenn auch nicht teilen. Aber die Annahme von vornherein JEDES Wunder auszuschließen, ist eine philosophische Grundannahme, mithin ein Glaubensakt. Insofern diese Annahme unbewußt geschieht, nenne ich sie Aberglauben.

    Nur weil etwas möglich ist, ist es noch nicht real. Aber ich kann dann die Unmöglichkeit nicht mehr als Argument anführen, daß es so was ja nicht geben könne.

    Natürlich ist zum christlichen Glauben (aber eben auch für alles andere) eben ein Glaubensakt nötig. Heutzutage meine viele, ohne einen solchen auskommen zu können, und scheitern denn natürlich an der Stelle, wo es gefragt ist.

    „Was sagen Sie zum “Wunder”, daß z.B. auch Buddha (vernachlässigen wir einstweilen noch die vielen anderen, von denen das ebenfalls berichtet wurde) durch Jungfrauengeburt zur Welt gekommen ist?“

    Erstmal muß zu den „vielen anderen“ gesagt werden, daß die meisten davon Humbug sind insofern als gar nicht von einer jungfräulichen Empfängnis und Geburt eines Menschen die Rede ist (falls sie z.B. Dionysos, Herakles, Osiris etc. meinen).

    Nun zu Buddha: grundsätzlich möglich ist das schon. Dann frage ich mich aber, wer und wann das bezeugt und wie glaubwürdig diese Zeugen sind – allgemein und auch für mich persönlich. Allgemein ist anzumerken, daß die Quellen ereignisnah sind und ein solches Ereignis im jüdischen Kontext nicht gewöhnlich sind. Persönlich sage ich, daß ich nun mal Christ bin und der Überlieferung der Apostel, wie sie auch in den Evangelien niedergelegt ist, vertraue. Also glaube ich, daß Jesus von einer Jungfrau geboren wurde. Bei Buddha habe ich persönlich keinen Grund, das zu glauben, ganz abgesehen von der Nähe der Quellen.

    „wäre das dann nicht ein Zeichen für die Richtigkeit der buddhistischen Lehre?“

    Ich glaube hier haben wir das Herzstück des Problems. Ich bin nicht Christ, weil mich die Jungfrauengeburt oder sonst ein Wunder so vom christlichen Glauben überzeugt. Suchen Sie immer noch nach einem Grund, der sie „zwingt“ zu glauben. Da muß ich sie enttäuschen, Gott wird Sie nicht zwingen. Sie sind frei zu glauben ohne zu sehen (Joh 20) oder auch nicht.

    „der kann sich gegen solche Vorwürfe schon durchaus selbst verteidigen, bin ich mir sicher“

    Das kann er … durch Polemik. Zur Argumentation war er leider bisher nicht fähig.

    „die Deutung von “Wundern” wie Jungfrauengeburt oder Himmelfahrt als historisch festmachbare und beweisbare Fakten wirkt auf mich weit eher als Infantilisierung des Glaubens, frei nach dem Motto “Wenn ihr keine Wunder seht, glaubt ihr nicht”.“

    Nein, wenn ihr keine Wunder seht, überhaupt niemals keine, dann mögt ihr an irgendetwas glauben, aber Christen könnt ihr nicht sein, denn ihr negiert die Auferstehung.

    Und was soll das heißen? „historisch festmachbare und beweisbare Fakten“. Ich sage nicht, daß ich die Auferstehung historisch (d.h. mittels der Geschischtswissenschaft) nachweisen kann, auch wenn ich drum herum einige nachweisbare Indizien habe (ein leeres Grab und Berichte darüber von eben noch verschüchterten Zeugen, die plötzlich dafür sich martern lassen). Ich habe absichtlich das Wort „historisch“ vermieden! Aber real geschehen muß die Auferstehung schon sein, sonst glaube ich an ein Märchen und mein Glaube wäre auch ein Märchen. In ihrem Leben gibt es sicherlich viele ihnen wichtige Ereignisse, gut wie schlechte, aber was glauben sie, wie viel davon mal historisch nachweisbar sein wird? Und das obwohl wir heute viel mehr „Spuren hinterlassen“ (Photos, Urkunden etc.)

    Martin hat vollkommen recht. Die modern Naturwissenschaft beruht unter anderem auf einem „methodischen Materialismus“, der das übernatürliche ausschließt. Das ist auch gut so, denn so ist es möglich nach natürlichen Gesetzmäßigkeiten zu forschen. Ein Annahme von Übernatürlichem (oder vom Zufall, kleiner Anmerkung für Herrn Dawkins) würde die Modellbildung verhindern. Gott ist ja auch kein Automat der nach Gesetzmäßigkeiten handeln würde, insofern ist er in gewissem Sinne „unberechenbar“.

    Aufgrund dieses „methodischen Materialismus“ kann man aber nun nicht die Wissenschaft anführen, um einen „philosophischen Materialismus“ zu begründen. Der trägt sich selbst, rein aufgrund eines Glaubensakt (der übrigens viel größer ist als jeder Gottesglaube, denn er muß so viel mehr Indizien negieren – nicht nur Buddha oder Christus sondern beide und alle anderen auch). Man mag diesen „philosophischen Materialismus“ dennoch vertreten, aber muß sich im klaren sein, daß man dann auf der Ebene der Metaphysik wandelt.

    Tut mir leid, Martin, daß das jetzt wieder so lang wurde.

  13. Das finde ich schon recht enttäuschend, lieber Denker, dass sie nun gerade Volker Dittmar als Referenz anführen. Ich habe von ihm noch keine Argumentation gelesen, die wirklich schlüssig wäre. Im Gegenteil.

    Seh’n Sie — So unterschiedlich kann man denken! Ich könnte vielmehr sagen, daß ich von ihm noch wenige Argumentationen gelesen habe, die nicht schlüssig gewesen wären. Ganz im Gegenteil. Ich gebe zu, daß sie nicht immer mein Herz erfreut haben, da ich nun mal (wie schon mehrfach geäußert) ein prinzipiell durchaus glaubensfreundlicher Deist bis Agnostiker bin, und Dittmars Argumente manchmal desillusionieren in ihrer Folgerichigkeit. Daß „nicht alle wirklich schlüssig sind“, dem könnte ich zustimmen (z.B. in seiner Widerlegung von Pascal’s Wette) — aber daß von ihnen „keine […] wirklich schlüssig“ wären, also da bitte ich um kurze Aufklärung inwieferne denn.

    Die eigentliche Frage ist doch: Kann Gott aktiv in der Welt handeln? Falls nicht, dann wären wir wohl beim Deismus.

    Ganz richtig. Wobei ich die Frage nicht so verengen würde auf ein „kann Gott aktiv in der Welt handeln“, sondern die schlichte Frage stelle: „Handelt Gott aktiv in der Welt“ (was weiß ich was Gott nicht alles kann 🙂

    Und hier würde ich z.B. bei über Wasser gehenden bzw. in den Himmel schwebenden Personen (soferne ich das nicht selbst gesehen hätte und mich durch geeignete Maßnahmen meiner ungetrübten Wahrnehmungsfähigkeit versichert habe) prima facie bezweifeln. Nicht, daß ich es prinzipiell ausschließen wollte, aber ich würde es nicht zur Grundlage meines Glaubens machen, nur weil solches von jemandem erzählt wurde, der das über jemanden gehört hatte (und genau um diese Art des „Beweises“ handelt es sich z.B. bei den Evangelienberichten).

    Und wenn es um Wunder geht, dann stelle ich mir (wenn ich jetzt einmal einen durch solches Wunderhandeln doch vorausgesetzten personalen, „theistischen“ Gott hypostatiere) immer die Frage: cui bono? Diese Frage ist übrigens auch irgendwie in dem alten Schema Anselms v. Canterbury „potuit, decuit ergo fecit“ impliziert, also „gut katholisch“ 😉

    Und hier frage ich mich: ein Wunder wie die Jungfrauengeburt ist — laut offizieller kirchenamtlicher Meinung — ein ganz wichtiges, geradezu paradigmatisches Wunder, welches unseren Glauben grundlegt. Warum geschieht das dann völlig „undokumentiert“? Warum (wenn es doch so wichtig ist) schweigt sich z.B. sogar ein Paulus darüber völlig aus? Warum gibt es keine einzige unabhängige Quelle, die darüber etwas aussagt. Das kommt mir etwa so vor, als würde ein des Mordes Verdächtiger als Alibi für die Tatzeit eine eigene Notiz in seinem eigenen Taschenkalender anführen. Na, sagen wir mal: sehr überzeugend ist das nicht …

    Warum sollte also Gott so etwas tun? Ist die Jungfrauengeburt (und hier können wir jedes andere „Wunder“ Christi nach Belieben einsetzen!) für den Glauben so wichtig (Wunder sind nach RKK-Ansicht die vorzüglichsten Glaubensmotive!), und ist der Glaube für die Rettung des Menschen so wichtig, dann frage ich mich: warum hat Gott diese „Wunder“ nicht in einer Weise geschehen lassen, daß sie „glaubwürdiger“ wären. Ich verlange von ihm ja nicht, daß er jedes Wunder vor mir „ungläubigem Thomas“ geschehen läßt — aber warum läßt er sie nur vor bereits überzeugten Anhängern geschehen, nicht vor Außenstehenden? Und führen Sie jetzt nicht den obzit. Thomas an — der war als Apostel wohl sicher kein „Außenstehender“! Hier nähme Gott (der doch Wunder wirken kann, wie die RKK glaubt) quasi „sehenden Auges“ das Zuschandengehen weitester Teile der von ihm geschaffenen Menschheit in Kauf, nur weil er bei der (von ihm mit Leichtigkeit zu bewerkstelligenden!) Dokumentation von Wunderereignissen geschludert hat.

    Und wenn man sich diese Wunder ansieht: wenn sie denn wirklich („photographierbar“) stattgefunden hätten — das wären doch Sensationsmeldungen, die wenigstens irgendeinen Widerhall in der zeitgenössischen Literatur gefunden hätten. Man stelle sich bloß vor: z.B. am Rand der Wüste in der Einöde fünftausend Männer — und auf einmal sind sie satt durch eine unerklärliche Brotvermehrung, so satt, daß noch körbeweise Essen übrigbleibt! Das in damaligen Zeit von Hunger und Knappheit! Aber keiner, absolut keiner, berichtet darüber außerhalb der Evangelien. Seltsam, nicht war? Und selbst bei Markus scheint das „Wunder“ sogar an den Jüngern sang- und klanglos vorbeigegangen zu sein (Kapitel 6 „Speisung der Fünftausend“, Kapitel 8 „Speisung der Viertausend“, was auf eine eben mangelnde Historizität hindeutet).

    Wenn ich die Lehre der RKK zu Wundern kurz zusammenfasse, dann käme etwa folgendes heraus (und ich bitte herzlich um offene, nachvollziehbar argumentierte Widerlegung, sollte ich hier der RKK etwas unterstellen, was sie nicht lehrt):

    1. Wegen Gottes Allmacht sind die Wunder Christi allesamt möglich.

    2. Die Wunder Christi sind für den übernatürlichen Glauben an Gott eine notwendige Voraussetzung als Glaubensmotive, denn sie beweisen, daß Christus Gott ist.

    3. Die Wunder Christi haben historisch real stattgefunden.

    4. Der übernatürliche Glaube an Gott ist Voraussetzung für die Rettung des Menschen.

    5. Gott hat den ernstlichen Willen, alle Menschen zum ewigen Heil zu führen.

    Wenn ich das mit dem vorstehenden Befund vergleiche, dann komme ich zwangsläufig in Schwierigkeiten. Denn warum sollte ein Gott, der die Welt so schuf, daß Wunder für den Glauben notwendige Voraussetzung sind, diese auf eine Weise bewerkstelligen, die denkbar schlecht dokumentiert und daher zweifelhaft ist? Warum sollte Gott dann u.a. gerade Wunder wie die Jungfrauengeburt wirken, die im Detail betrachtet zu anderen Aussagen der Bibel in flagrantem Widerspruch steht („Brüder Jesu“ etc.) und faktisch unbeweisbar ist (wer hätte denn Mariens Virginität je überprüft?), aber gerade dieses Wunder zum Gegenstand eines weitverzweigten Kultes und unzähliger theologischer Forschungen (und Verfolgungen Andersdenkender) gemacht?

    Sorry, aber das kann ich nicht glauben!

  14. „Wobei ich die Frage nicht so verengen würde auf ein “kann Gott aktiv in der Welt handeln”, sondern die schlichte Frage stelle: “Handelt Gott aktiv in der Welt” (was weiß ich was Gott nicht alles kann“

    Da wären wir beinahe d’accord. Aber dann muß man auch mit offenem Auge durch die Welt gehen und daß tut z.B. Drewermann nicht. Wunder darf es bei ihm einfach nicht geben.

    „soferne ich das nicht selbst gesehen hätte und mich durch geeignete Maßnahmen meiner ungetrübten Wahrnehmungsfähigkeit versichert habe“

    Und ich würde halt noch hinzufügen, wenn es mir glaubwürdige Zeugen berichten. Denn glaub ich ja sonst auch in Bezug auf Christus.

    „Nicht, daß ich es prinzipiell ausschließen wollte“

    … ist schon mal gut

    „aber ich würde es nicht zur Grundlage meines Glaubens machen“

    Würde ich auch nicht, allerdings mit Ausnahme der Auferstehung, denn ohne die geht Christsein nicht. Darauf haben sie bis jetzt noch nicht geantwortet.

    „nur weil solches von jemandem erzählt wurde, der das über jemanden gehört hatte (und genau um diese Art des “Beweises” handelt es sich z.B. bei den Evangelienberichten)“

    Mmh, und woher beziehen sie dann überhaupt irgendwelche „Glaubensinformationen“? Dann kann ich mir meinen Glauben ja auch selbst backen à la Joseph Smith.

    „immer die Frage: cui bono?“

    ich sag bloß: propter nos homines et propter nostram salutem

    „Warum geschieht das dann völlig “undokumentiert”?“

    Was heißt hier denn undokumentiert. Wir haben zwei Dokumente, die Sie jedoch ausselektiert haben. Das mögen Sie gerne tun, dann aber nicht so tun, als gäbe es keine. Und Paulus? Ist denn Paulus der Angelpunkt der Christentums? Ich denke nein! Dazu kommt noch die einmütige Überlieferung. Von „keine einzige unabhängige Quelle“ kann also gar keine Rede sein.

    „Warum sollte also Gott so etwas tun?“

    Ich muß es leider schon wieder sagen: Was soll diese dumme Frage. Er tut was er tut und läßt was er läßt. Selbst wenn wir es nicht verstehen sollten, heißt es nicht das es so ist.

    „und hier können wir jedes andere “Wunder” Christi nach Belieben einsetzen“

    Nein, können wir nicht. Ich frage erneut: Wie ist es mit der Auferstehung?

    „Wunder sind nach RKK-Ansicht die vorzüglichsten Glaubensmotive!“ – Das wäre mir neu.

    Und Ihr Hinweis auf den Heiligen Thomas ist durchaus treffend. Selig die, die nicht sehen und doch glauben.

    „aber warum läßt er sie nur vor bereits überzeugten Anhängern geschehen, nicht vor Außenstehenden?“

    Das ist natürlich grundfalsch. Wer waren denn die bereits Überzeugten? Thomas sicherlich nicht und die anderen Apostel auch nicht. Nur, wenn nunmal jeder, der das Wunder erlebt dadurch zum Glauben käme, dann kann es nach Ihrer Argumentation gar keine „richtigen Zeugen“ geben. Die Argumentation ist also eine Immunisierungsstrategie.

    Ganz abgesehen davon, daß es Zeugnisse von Außenstehenden gibt, wie z. B. das Sonnenwunder von Fatima.

    Und wiederholt diese widersinnige Argumentation: keiner berichtet davon außer denen die davon berichten. Was soll das beweisen.

    Doubletten in den Evangelien sagen übrigens nichts über Historizität aus. Solcherlei gibt es hundertfach in antiken Quelltexten.
    Die Speisung hat also nicht zweimal stattgefunden, sondern sie wurde zweimal berichtet, entweder geschludert, oder weil man sich nicht einig wurde, ob dann oder dann – dort oder dort, und deshalb beides aufgenommen hat.

    „1. Wegen Gottes Allmacht sind die Wunder Christi allesamt möglich.“

    – stimmt.

    „2. Die Wunder Christi sind für den übernatürlichen Glauben an Gott eine notwendige Voraussetzung als Glaubensmotive, denn sie beweisen, daß Christus Gott ist.“

    – nein, notwendig sind sie nicht. Man kann aufgrund von Wundern glauben, aber auch ohne sie. Aber ja, von Christus gewirkte Wunder, in Verbindung mit der Auferstehung beweisen, daß er von Gott ist und seine Worte wahr sind (woraus sich dann schließlich seine Gottheit ergibt).

    3. Die Wunder Christi haben historisch real stattgefunden.

    – natürlich haben sie das. Warum auch nicht?

    4. Der übernatürliche Glaube an Gott ist Voraussetzung für die Rettung des Menschen.

    – yep.

    5. Gott hat den ernstlichen Willen, alle Menschen zum ewigen Heil zu führen.

    – So ist Er nun mal.

    Die übrige Argumentation bedarf keiner Widerlegung, denn sie beruht auf einer falschen Annahme (Nr. 2) und auch auf der Vorstellung, daß Gott das Heil gefälligst jedem auf dem Silbertablett servieren soll. Bitte nur keine eigene Anstrengung.

    Sorry, das ist wiederum mir zu billig.

  15. Nun, sie fragten schon mehrfach nach der Auferstehung — eh voilà! Hier meine Antwort:

    Man kann m.E. sehr wohl Christ sein, ohne daran zu glauben, daß Christus im herkömmlichen Sinne „auferstanden“ ist (wobei dieser Terminus ohnehin so vieldeutig ist, daß man darunter alles mögliche verstehen kann). Aber versuchen wir diesen schwammigen Begriff möglichst exakt zu fassen, etwa so:

    Unter der Voraussetzung, daß Christus am Kreuz wirklich gestorben ist (nicht scheintod war, ohnmächtig etc.), sondern in einer Weise tot war, daß unter normalem Verlauf die Verwesung beginnen mußte, glaube ich nicht, daß Christus in der Weise „auferstanden“ ist, daß er wieder als real lebender (d.h. mit Atmung, Herzschlag, Blutkreislauf, Verdauungsprozessen etc.) Mensch zu bezeichnen gewesen wäre. Daraus ergeben sich für mich folgende Probleme mit resultierenden Schlußfolgerungen (die Sie natürlich völlig anders ziehen können und werden):

    1. ist zu klären, inwieweit die Kreuzigung a) stattgefunden hat oder b) wenn sie stattfand, mit dem Tod Christi endete.
    2. ist zu klären, wenn sie mit dem Tod Christi endete, ob a) die „Auferstehung“ sich bloß als Vision der Jünger ereignete (also das Skelett Christi tatsächlich noch irgendwann später in einem Grab lag) oder b) irgendein Sachverhalt die Annahme ein unerklärbaren Phänomens nahelegte.
    3. ist schließlich zu klären, welche „unerklärbaren Phänomene“ es denn gewesen sein dürften (Fehlen der Leichnams, „Begegnungen“ mit Christus etc.)

    Für mich ist es z.B. vorstellbar, daß der Leichnam Christi in Energie umgewandelt wurde. So etwas wird u.a. auch vom Tod diverser hoher Lamas („Inkarnationen“) in Tibet berichtet und obwohl ich auch diesen Berichten mit einem Höchstmaß an Skepsis gegenüberstehe, könnte ich mir (aufgrund der vielen, von einander unabhängigen Berichte zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten) irgendwie vorstellen, daß es sowas geben kann.

    Ansonsten tragen für mich alle Evangelienberichte über die Begegnungen mit dem „auferstandenen Christus“ das deutliche Zeichen visionärer Vorgänge an sich: da löst sich Jesus in Luft auf, geht durch Wände, spricht mit jemandem, der/die ihn aber trotzdem nicht erkennt etc. etc. Wenn man die Auferstehung in diesem weiteren Sinne (also daß Jesus seinen Jüngern in Visionen erschienen ist) nimmt: ja, das halte ich für durchaus möglich und wahrscheinlich.

    Aber nur zu Ihrer weiteren Argumentation:

    … dann muß man auch mit offenem Auge durch die Welt gehen und daß tut z.B. Drewermann nicht. Wunder darf es bei ihm einfach nicht geben.

    Ich glaube, sie tun Drewermann hier ziemlich Unrecht. Was Sie sagen, stimmt sicher für die rationalistische Bibelkritik des 19. Jahrhunderts, aber nicht für ihn. Er versucht ja gerade, die Wundererzählungen zu deuten, indem er das eigentlich „Wunderbare“ daran herausarbeitet. Wenn das Wunder der Jungfrauengeburt darin besteht, daß Gott aus dem haploiden weiblichen Chromosomensatz einer Eizelle Marias einen diploiden männlichen macht, dann haben wir glaube ich ein Auffassungsproblem, worin (und wofür!) dieses „Wunder“ nun eigentlich besteht.

    Und ich würde halt noch hinzufügen, wenn es mir glaubwürdige Zeugen berichten. Denn glaub ich ja sonst auch in Bezug auf Christus.

    Genau da liegt der Hase im Pfeffer: wir haben nur Berichte aus zweiter, dritter etc. Hand (jeder der Evangelisten berichtet über Dinge, die er selbst nie gesehen hat, ja teilweise nie gesehen haben konnte!), und die sind noch dazu von „Parteigängern“ verfaßt. Jetzt mal ganz provokant: ein Gruppe von Neonazis beschließt heute, die ultimative Hitlerbiographie zu schreiben und heraus kommt aus vielen (un- bzw. kaum dokumentierten Berichten), daß Hitler ein ganz großartiger Mensch gewesen ist. Was wäre Ihre Reaktion?

    Meine wäre: Hitler ist seit Jahrzehnten tot, es gibt (fast) keine Agenzeugen mehr, die Biographen sind nicht nur Bewunderer von Hitler, sondern haben ein lebhaftes eigennütziges Interesse, Hitler im besten Licht darzustellen. Daher ist die Biographie nicht als seriöse Quelle zu betrachten.

    Damit jetzt kein Mißverständnis entsteht: ich will Jesus überhaupt nicht mit Hitler vergleichen, sondern am Beispiel einer vermutlich voreingenommenen Berichterstattung hinterfragen: wie war es denn im Falle der Bibel?

    Und hier kommen wir eben zum selben Befund:
    1. die Evangelisten (wer immer das jetzt genau war) waren keine Augenzeugen all dessen, was sie schrieben
    2. es gab zur Zeit der Abfassung auch nur mehr wenige Augenzeugen (und die waren jedenfalls schon betagt)
    3. die Christen hatten sich bereits als eigene Gruppierung abgetrennt und mußten sich gegen alle möglichen Unterstellungen und Verfolgungen durch Juden und Römer wehren
    4. die Evangelien wollen nicht historisches Werk sein, sondern Glaubensverkündigung.

    Jetzt meine Gegenfrage: wie „glaubwürdig“ sind für Sie solche Zeugen.
    (meine Antwort können Sie sich denken)

    Mmh, und woher beziehen sie dann überhaupt irgendwelche “Glaubensinformationen”? Dann kann ich mir meinen Glauben ja auch selbst backen à la Joseph Smith.

    Können Sie mir einen objektivierbaren Beweis liefern, daß das Buch Mormon keine Offenbarung ist, den ich nicht ebenso dafür verwenden kann, der Bibel den Offenbarungscharakter abzuerkennen?

    Ich versuche „Glaubensinformationen“ nicht aus der spitzfindigen Interpretation eines alten religiösen Textes zu sammeln, sondern durch den kritischen Vergleich und das rationale Abwägen von Lehrmeinungen von Philosophen und Theologen. Das gibt mir wesentlich mehr „Glauben“ (den ich nämlich auch verstandesmäßig verarbeitet weitergeben kann!), als gefinkelte Klügeleien, ob das Wort „pro multis“ in den Wandlungsworten auch mit „für alle“ übersetzt werden könnte, und welche gedanklichen Implikationen sich daran knüpfen …

    Ich muß es leider schon wieder sagen: Was soll diese dumme Frage. Er tut was er tut und läßt was er läßt. Selbst wenn wir es nicht verstehen sollten, heißt es nicht das es so ist.

    Diese Frage ist eine Frage nach der Vernünftigkeit von Gottes handeln. Lesen Sie doch die jüngste Papst-Vorlesung in Regensburg. Sie argumentieren hier schon fast „islamisch“ 😉

    “Wunder sind nach RKK-Ansicht die vorzüglichsten Glaubensmotive!” – Das wäre mir neu.

    Lesen Sie in einem klassischen Dogmatikwerk (Premm, Schmaus etc.), dann werden Sie genau diese Aussage finden!

    Das ist natürlich grundfalsch. Wer waren denn die bereits Überzeugten? Thomas sicherlich nicht und die anderen Apostel auch nicht. Nur, wenn nunmal jeder, der das Wunder erlebt dadurch zum Glauben käme, dann kann es nach Ihrer Argumentation gar keine “richtigen Zeugen” geben. Die Argumentation ist also eine Immunisierungsstrategie.

    Das ist verkehrt herum gedacht — ich meinte eigentlich: ein glaubwürdiger Zeuge wäre es, wenn jemand durch das „Wunderereignis“ nicht Jünger wird (bzw. es nicht auf Dauer bleibt), die Faktizität des Ereignisses dennoch bestätigt (quasi ein weiterhin skeptischer Thomas). Und das ist auch das Einzige (neben der üppigen Namensphantasie), was mich am „Buch Mormon“ beeindrucken konnte: daß am Beginn das Zeugnis mehrerer Männer steht, die bestätigen, daß die Auffindung und Übersetzung sich so zugetragen hätte, einige von ihnen dann vom Momonentum wieder abfielen, jedoch ihr Zeugnis nie widerrufen, sondern weiter bestätigt haben. Nicht daß mich das allein zum Mormonen bekehren könnte, aber: es ist ein erster Hinweis, daß Zeugen „etwas wert sind“.

    Ganz abgesehen davon, daß es Zeugnisse von Außenstehenden gibt, wie z. B. das Sonnenwunder von Fatima.
    Und wiederholt diese widersinnige Argumentation: keiner berichtet davon außer denen die davon berichten. Was soll das beweisen.

    Ach, das Sonnenwunder von Fatima. Sie vergessen aber die Weltverschwörung aller Observatorien und seimologischen Anstalten der Welt, die dieses Sonnenwunder leider nicht registrierten. 🙂 Und meine Argumentation lautet nicht (wie Sie behaupten) „keiner berichtet davon außer denen die davon berichten“ sondern „keiner berichtet davon außer denen die ein Interesse haben, das so zu berichten“.

    Die übrige Argumentation bedarf keiner Widerlegung, denn sie beruht auf einer falschen Annahme (Nr. 2) und auch auf der Vorstellung, daß Gott das Heil gefälligst jedem auf dem Silbertablett servieren soll. Bitte nur keine eigene Anstrengung.

    Zunächst zu Annahme Nr. 2: hier verweise ich wieder auf Premm & Co. außerdem bestätigen Sie selbst im nächsten Satz, daß diese Annahme RKK-Lehre ist.

    Nun zum „Silbertablett“: nein, das ist nicht mein Argument. Aber wenn Gott ein (doch angeblich existenziell für das Heil aller Menschen so wichtiges) Wunder wirkt, dann frage ich mich: warum verbirgt und verunklärt er es so, daß es im Fall, daß es einem positiv Voreingenommenen vorgetragen wird, faktisch unbeweisbar ist?

    Nehmen wir an, ich hätte ein Wissen, das für die Menschheit sehr wichtig ist — sagen wir einmal: die chemische Formel für die absolut sichere Heilung von Krebs. Was würden Sie sagen, wenn ich diese Information als eine Reihe von Novellen und Lehrgedichten verschlüsselt in mein Tagebuch schriebe, welches ich dann unter dem Titel „Krebsgänge“ veröffentliche. Würden Sie mir hier attestieren, daß mir das Heil der Menschheit sehr am Herzen liegt?

    (meine Antwort können sie sich vermutlich denken)

  16. Lieber Denker,

    Volker Dittmar ist ein Meister der zirkulären Argumentation. Was er zu zeigen beabsichtigt, setzt er stets bereits voraus, verbirgt aber die Voraussetzungen seiner Argumentation nicht ungeschickt.

    So auch hier. Freundlicherweise gibt er im von Ihnen referenzierten Text seine Voraussetzung gleich an: den Naturalismus. Damit wäre an sich jede weitere Argumentation überflüssig, denn unter naturalistischen Voraussetzungen sind Wunder per definitionem ausgeschlossen.

    Die folgende Argumentation klappert entsprechend. Ich will nur einen Punkt herausgreifen, an dem die Argumentation klar kontrafaktisch wird. Sein Ansatz ist ganz grob: Jeder Vorgang hat eine natürliche Erklärung (wir erinnern uns: Naturalismus ist vorausgesetzt).

    Gibt es keine solche, was nach katholischem Verständnis nötige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für ein Wunder wäre, dann ist dies nur temporär – irgendwann wird schon eine Erklärung gefunden werden. Und wenn nicht, sei es auch egal, weil man dies heute noch nicht wissen könne. Oder man erfinde halt selbst eine. Jedenfalls nehme die Zahl der Wunder – definiert als Vorgänge ohne natürliche Erklärung – mit dem Fortschreiten der Naturwissenschaften ab.

    Beides ist nicht wahr: Ich kenne kein einziges biblisches Wunder, für das eine naturwissenschaftliche Erklärung gefunden worden wäre. Sie vielleicht? Und die Zahl der Vorgänge ohne natürliche Erklärung nimmt mit dem Fortschreiten der Naturwissenschaften zu, aber nicht ab. Ob man diese Vorgänge nun Wunder nennen möchte oder nicht.

    Sehr lustig finde ich seine Forderung nach Beweisen, die naturwissenschaftlichen Standards standhalten. Als hätte es etsi deus non daretur nicht gegeben. Zuerst schließen wir die Gotteshypothese aus der Naturwissenschaft aus, um anschließend naturwissenschaftliche Beweise für Gottes Existenz zu fordern? An Stellen wie diesen, und die gibt es zuhauf, frage ich mich, ob ich hier veralbert werden soll.

    Volker Dittmar tut das, was er dem Glauben vorwirft: Er macht Voraussetzungen, die er nicht beweisen kann. Ich meine, das geht auch gar nicht anders – jede Argumentation braucht Axiome. Um Axiome lässt sich schlecht streiten.

    Küng hat in „Existiert Gott?“ gezeigt, dass es nach Feuerbach, Marx, Freud und Nietzsche nun unentschieden steht. Nach der Zertrümmerung aller Gewissheiten haben wir immer noch und wieder die Freiheit, zu glauben oder es zu lassen – uns also unsere Axiome selbst zu wählen. Das ist unsere ureigenste Verantwortung, die uns niemand abnehmen kann.

    Man kann sich allerdings die Konsequenzen verschiedener Axiome anschauen. Und da sieht es für seinen Atheismus eher schlecht aus.

    Dittmar ist groß darin, die Kriminalgeschichte des Christentums zu zitieren. Deschner ist sein Freund. Er vergisst hingegen völlig, die Greueltaten des 20. Jahrhunderts in die Rechnung einzubeziehen. Erst zwei explizit atheistischen Ideologien ist es gelungen, den Massenmord zu industrialisieren.

    Kommunismus und Faschismus haben beide den Menschen (die Gesellschaft, das Volk, die Rasse) an die Stelle Gottes gesetzt, mit verheerenden Konsequenzen. Es ist wahr, dass nach Auschwitz sich die Theodizee-Frage in nie gekannter Schärfe stellt. Wo war Gott?

    Wo aber der Mensch war, die Frage lässt sich leicht beantworten: Er war der Massenmörder, und er betete seine Götzen an.

  17. trotz allem berührend, wie all die ausgewiesenen Agnostiker und Atheisten doch offensichtlich ringen mit der sie so umtreibenden Frage nach Gott und der Wahrheit…..

  18. @mr94:

    Volker Dittmar ist ein Meister der zirkulären Argumentation. Was er zu zeigen beabsichtigt, setzt er stets bereits voraus, verbirgt aber die Voraussetzungen seiner Argumentation nicht ungeschickt.

    Nicht unrichtig. so wie die Theisten Meister der zirkulären Argumentation sind, da sie wiederum einen Gott im theistischen Sinne voraussetzen. Vielleicht verstehen Sie nun, warum ich mich als „prinzipiell glaubensfreundlichen Agnostiker bis Deisten“ und nicht als Atheist bezeichne.

    Es ist wahr, dass nach Auschwitz sich die Theodizee-Frage in nie gekannter Schärfe stellt. Wo war Gott?
    Wo aber der Mensch war, die Frage lässt sich leicht beantworten: Er war der Massenmörder, und er betete seine Götzen an.

    Ihre Antwort, der Mensch sei der Massenmörder gewesen, insinuiert, daß Atheisten (oder auch Agnostiker) besonders zu Massenmorden neigen würden. Nun, das muß ich als unsubstantiierte Polemik zurückweisen. Es ist zwar richtig, daß bestimmte totalitäre Systeme atheistisch waren/sind (wie z.B. der Kommunismus, schon beim Nationalsozialismus kann man das nicht ohne weiteres behaupten!) und wie alle totalitären Ideologien zu Gewalt und Greueltaten neig(t)en. Das gilt aber auch für religiös motivierte Totalitarismen — wie wir derzeit am Beispiel des Islamismus schlagend unter Beweis gestellt bekommen!

    Aber mit Ihrer Antwort haben Sie sich natürlich elegant um die Theodizeefrage gedrückt (Angriff ist die beste Verteidigung), da Sie diese (v.a. auch im Hinblick auf Auschwitz) einfach nicht beantworten können. Zur Theodizeefrage und zur Frage, warum die (kritische) Vernunft auch bezüglich des Glaubens so wichtig ist, verweise ich auf die Hompage des Grazer Philosophieprofessors Streminger (http://members.aon.at/gstremin/index2.htm), insbesondere auf seinen Aufsatz „Christlicher Glaube und kritische Vernunft“ (http://members.aon.at/gstremin/singer6.htm).

    Ich kenne kein einziges biblisches Wunder, für das eine naturwissenschaftliche Erklärung gefunden worden wäre. Sie vielleicht

    Ja, doch. Viele Heilungswunder sind z.B. als psychosomatische Erkrankungen bzw. „Heilung“ von Fehldiagnosen erklärbar. Das Teilen der FLuten des Roten Meeres ist (neben dichterischer Übertreibung) ein Gezeitenphänomen, das alle paar Jahrhunderte durch eine bestimmte Konstellation von Sonne und Mond dort kurzfristig auftritt (ich könnte Ihnen die Belegstelle raussuchen, wo ich das las — ich glaube irgendwo bei Greshake) etc. etc.

    Man kann sich allerdings die Konsequenzen verschiedener Axiome anschauen. Und da sieht es für seinen Atheismus eher schlecht aus. […] Erst zwei explizit atheistischen Ideologien ist es gelungen, den Massenmord zu industrialisieren.

    Sie vergessen auf die seinerzeitige Eroberung des Nahen Ostens durch die Moslems, auf den heutigen Islamismus, der das mittlerweile auch recht industriell betreibt (z.B. in Sudan, Nigeria und Pakistan), auf die systematische Ausrottung der Indianer durch die „gut protestantischen“ US-Amerikaner (die darin ihren Kalvinismus, zu den „Prädestinierten“ zu gehören, bestätigt sahen, daß die Indianer von ihnen ausgerottet wurden) usw. Wiewohl ich Deschners Obsession mit der „Krinialgeschichte des Christentums“ keineswegs teile — Ihre bemühte Reinwaschung der „Religiösen“, die doch moralisch so viel hochstehender sind, als die Agnostiker und Atheisten, kann ich ebensowenig teilen. Weder historisch (die grauenhaftesten Kriege vor dem 20. Jahrhundert waren zumeist Religionskriege, jedenfalls wurden Kriege fast immer „im Namen Gottes“ geführt), noch aus meiner persönlichen Erfahrung: zu den m.E. moralisch hochstehendsten Personen die ich kenne, zählen sowohl einige Priester, mit denen ich befreundet bin, als auch einige ausgewiesene Agnostiker (echte „hard-core-Atheisten“ kenne ich einfach keine). Andererseits kenne ich aus unserer Kirchengemeinde einige Superkatholiken, bei deren Fanatismus und bigotter Borniertheit mir die sprichwörtlichen „Grausbirnen“ aufsteigen, und beruflich ebenso auch praktische Agnostiker, die ich schlicht und einfach als „Arsch mit Ohren“ (pardon l’expression!) bezeichnen würde. Es ist also quer durch die Bank gemischt, würde ich sagen.

    @Georg

    trotz allem berührend, wie all die ausgewiesenen Agnostiker und Atheisten doch offensichtlich ringen mit der sie so umtreibenden Frage nach Gott und der Wahrheit…..

    Schön, Sie berührt zu haben. Nur: warum glauben Sie, daß die Wahrheitsfrage nur etwas ist, was nur Theisten „umtreiben“ darf? Die gesamte Philosophie handelt im Grunde von nichts anderem. Auch Pilatus (si non è vero, e ben trovato) stellte die berühmte Frage. Aber ich darf Ihnen im Gegenzug versichern: auch ich finde es berührend, daß Theisten von der Frage nach Gott und der Wahrheit so umgetrieben werden, daß sie solche Foren betreiben — wo doch (wenigstens für die Katholiken unter ihnen) für aktuelle Fragen ein kurzer Blick in die neueste Enzyklika und für Grundlegenderes das Nachlesen im Katechismus der Katholischen Kirche (oder bei Denzinger) völlig ausreichen müßte, ihnen Wahrheitsdurst vollinhaltlich zu stillen … 😉

  19. Lieber Denker,

    Agnostizismus und Deismus sind, jedenfalls für unser Argument, nicht mehr als Spielarten des Atheismus, mit dem sie die Ablehnung dessen, was durch das Licht der natürlichen Vernunft erkannt werden kann, gemein haben.

    Ich habe gar nichts gegen zirkuläre Argumentationen, weil anders gar nicht argumentiert werden kann (jedenfalls nicht deduktiv). Allerdings lehne ich es ab, den agnostisch-atheistischen Argumentationszirkeln eine Überlegenheit zuzugestehen, wie sie Volker Dittmar und vermutlich auch Sie postulieren.

    Im Gegenteil: Die Konsequenzen sind furchtbar.

    „Ihre Antwort, der Mensch sei der Massenmörder gewesen, insinuiert, daß Atheisten (oder auch Agnostiker) besonders zu Massenmorden neigen würden. Nun, das muß ich als unsubstantiierte Polemik zurückweisen.“

    Das habe ich auch gar nicht gesagt. Ich sprach über atheistische Ideologien und deren massenmörderische Konsequenzen. Christen sind gegen solche Ideologien keineswegs immun, wie die Geschichte hinreichend gezeigt hat.

    Mir liegt ohnehin fern, Christen (oder auch andere Gruppen) für moralisch höherstehend zu halten. Ganz im Gegenteil: Was gut und böse ist, kann jeder Mensch ganz unabhängig von seinen metaphysischen Überzeugungen im schon zitierten Licht der natürlichen Vernunft erkennen. Der Glaube ist dafür keinesfalls Voraussetzung. Und insofern ist das Schlagwort „Werte brauchen Gott“ auch falsch.

    Allerdings sind gewisse metaphysische Überzeugungen eher dazu angetan, dieses Licht zu verdunkeln und entsprechend üble Konsequenzen zu zeitigen. So hat zum Beispiel auch der so harmlos scheinende westliche Liberalismus in seiner Verteidigung der Menschenrechte gewaltige blinde Flecke, lässt er doch mehrheitlich den massenhaften Mord an ungeborenen Kindern zu und zeigt Tendenzen zur Tötung alter und kranker Menschen.

    Ich werde nicht anfangen, Greueltaten gegeneinander aufzurechnen. Mein Punkt ist nur der, dass es der Massenmord im industriellen Maßstab eine Erfindung des 20. Jahrhunderts und zweiter explizit atheistischer Ideologien war. Dass der Islam oder der Islamismus sich heute ähnlicher Methoden bedient, mag angehen, liegt aber daran, dass der Islam keine vernunftgebundene Religion ist. Kommunismus und Faschismus hingegen haben beide eine höhere Vernunft für sich beansprucht. (Und der Faschismus war im Kern atheistisch, auch wenn er religiöse Motive benutzt hat.)

    Die Kriegs- und Gewaltgeschichte des Christentums ist jedenfalls abgeschlossen und das Verhältnis zur Vernunft geklärt. Für manche Denominationen mag das nicht gelten, aber ich bin katholisch…

    Mir liegt auch fern, Religion („Theismus“ in Ihrer Diktion) oder Christenum an sich dem Atheismus oder Agnostizismus für überlegen zu halten. Es gibt Religionen und leider auch christliche Denominationen mit gewaltigen Problemen, das ist offensichtlich. Ich werde mich hüten, den Islamismus gegen Kritik zu verteidigen, nur weil sie möglicherweise atheistisch motiviert ist.

    Was die naturwissenschaftlichen Erkärungen für einige biblische Wunder angeht, machen Sie es sich etwas zu einfach. Die Strategie ist mir zu durchsichtig: Denn was sie nicht zum Beispiel psychosomatisch oder durch Gezeitenwechsel erklären können, ist dann halt dichterische Übertreibung. Es kann nicht sein, was nicht sein darf – weil es Ihrem Materialismus oder Naturalismus widerspricht?

  20. Penseur,

    da daß meiste was sie schreiben weder Hand noch Fuß hat und dieser Thread ohnehin schon zu lang ist, will ich gar nicht darauf eingehen.

    Nur eins:

    „Man kann m.E. sehr wohl Christ sein, ohne daran zu glauben, daß Christus im herkömmlichen Sinne “auferstanden” ist (wobei dieser Terminus ohnehin so vieldeutig ist, daß man darunter alles mögliche verstehen kann).“

    Nein, der Begriff ist, wenn man sich die Berichte anschaut eben nicht sooo vieldeutig.

    Und:

    Nein, man kann eben nicht Christ sein, ohne an die Auferstehung Christi zu glauben. (Ganz abgesehen davon, daß ich ihren Ausführungen ohnehin keinen Punkt des christlichen Glaubens entdecken konnte, mit dem sie übereinstimmen.)

    Aber versuchen wir diesen schwammigen Begriff möglichst exakt zu fassen, etwa so:

  21. @mr94:

    Ich habe gar nichts gegen zirkuläre Argumentationen, weil anders gar nicht argumentiert werden kann (jedenfalls nicht deduktiv). Allerdings lehne ich es ab, den agnostisch-atheistischen Argumentationszirkeln eine Überlegenheit zuzugestehen, wie sie Volker Dittmar und vermutlich auch Sie postulieren.

    Sie unterstellen hier offenbar, daß die „agnostisch-atheistischen Argumentationszirkel“ verknappt in etwa so aussehen: „Es gibt keine naturwissenschaftlich feststellbaren Gott. Da nur gilt, was naturwissenschaftlich feststellbar ist, folgt daraus: es gibt keinen Gott. Und jetzt bitte beweisen Sie mir mal naturwissenschaftlich, daß es doch einen gibt.“

    Es mag ja Leute geben, die so argumentieren. Aber nicht ich. Und m.E. auch nicht Volker Dittmar (aber das sollten Sie vielleicht besser ihn selbst fragen — ich kenne den Herrn nämlich überhaupt nicht, außer von seiner Website). Worum es mir (und, wie ich glaube, auch Herrn Dittmar) jedoch geht ist die Frage: kann ich Glauben rational-logisch (nicht: „naturwissenschaftlich beweisbar“ — das ist ganz was anderes!) begründen. Daß ich Gott (so wie vieles andere!) nicht „experimentell“ nachweisen kann und es sehr naiv ist zu glauben, daß das allein schon reichen würde, um Gottes Nicht-Existenz zu verkünden — da bin ich ganz bei Ihnen!

    Nur, wenn Sie die jüngste Regensburger Ansprache des Papstes ansehen: auch der Papst sagt, daß Gott quasi zwangsläufig vernünftig ist, und daß unser Glaube an Gott vernünftig sein muß, will er nicht gewalttätige Ideologie werden. Und das wende ich jetzt an — z.B. in der Theodizee-Frage oder der Jungfrauengeburt Jesu. Vielleicht habe ich mich bisher nicht genau genug (oder mißverständlich) ausgedrückt, aber ich fordere nicht von Ihnen oder der Kirche, mir zu erklären, wie ein haploid-weiblicher Gensatz aus Marias Eizelle ein diploid-männlicher in Jesus Christus werden kann und wenn Sie das nicht tun, dann erkläre ich Ihr Wunder für Humbug, sondern ist setze eine Stufe weiter an — bei der philosophischen Frage: „Warum soll Gott dieses (und andere) Wunder gewirkt haben?“

    Und hier sind wir nicht auf der Ebene der Naturwissenschaft, und damit nicht auf der banal-zirkulären Argumentation: „Es gibt keine Wunder, weil es Wunder nicht geben kann“. Auf diese Ebene begebe ich mich gar nicht! Hier geht es um gesunden Hausverstand, um logisches Denken — und um nicht mehr. Ich bin kein Gynäkologe, daß ich Ihnen erklären könnte, warum das vielleicht doch, oder eben niemals hätte sein können. Das interessiert mich auch herzlich wenig! Mich interessiert die Frage: Warum soll Gott das getan haben. Und jetzt höre ich die Antworten der Kirche und versuche sie auf logische Plausibilität zu prüfen:

    1. Weil damit eine Prophezeiung erfüllt wird (Jes 7, 14)
    2. Weil damit die besondere Stellung Jesu in der Heilsgeschichte herausgestellt wird.
    3. Weil das „Ja“ Mariens als Ganzhingabe an den Willen Gottes vorbildhaft für die ganze Menschheit ist.
    (es wird sicherlich noch einige weitere Gründe geben, aber für die Argumentation reicht es m.E.)

    Wenn ich diese Gründe abwäge, komme ich eigentlich nicht zum Schluß, daß sie wirklich die Notwendigkeit dieses „Wunders Jungfrauengeburt“ erweisen. Da ja auch die Prophezeiung ein von Gott gewirktes Wunder darstellt, wäre es ja nur an Gott gelegen, die Prophezeiung anders aussehen zu lassen. Auch die besondere Position Jesu in der Heilsgeschichte erfordert (wenn seine anderen Wunder wahr sein sollten, insbesondere seine Auferstehung) nicht seine jungfräuliche Geburt. Und für die Menschheit vorbildlich könnte z.B. auch die Annahme des Willens Gottes sein, in der Ehe mit Joseph einen Erstgeborenen zu zeugen, von dem Maria vorhergesagt wird, daß es wegen seines Glaubens grausam ermordet würde.

    Wenn ich jetzt aber zu den Argumenten noch die Lehre der Kirche über die unfehlbare Inspiration der Heiligen Schrift in Glaubensfragen hinzunehme und damit die Lehre, daß die Wunder in der Bibel heilsnotwendig zu glauben sind, so habe ich ein lebhaftes Plausibilitätsproblem, wenn ich noch die ebenso als Dogma definierten Glaubenswahrheit des allgemeinen Heilswillens Gottes dazudenke. Spätestens hier beginnt es sich zu spießen: wenn Gott das Heil aller will, warum wirkt er ein wichtiges Wunder „im Geheimen“, das wir nur aufgrund von Berichten aus dritter Hand glauben sollen, obwohl es aus Gründen des sonstigen Glaubensgebäudes keineswegs notwendig erscheint, daß dieses Wunder stattfand, jedoch im inspirierten Text der Bibel irritierenderweise sehr deutliche Argumente gegen dieses Wunder (z.B. die „Brüder Jesu“, die ausdrückliche Postulierung der Abstammung Jesu „der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch“ Röm 1,3 etc.) zu finden sind.

    Ich denke, ich habe die Problemstellung nun deutlich genug zugespitzt. Entweder will Gott hier mit den Menschen eine Rätselralley betreiben, oder sein Heilswille ist nicht sehr allgemein, wenn ein im Grunde unnotwendiges Wunder trotz verwirrender Gegenstellen im Neuen Testament selbst heilsnotwendig geglaubt werden muß. Schwerer kann man’s den Menschen eigentlich nicht machen!

    Sie können sich jetzt natürlich auf den kühlen Standpunkt zurückziehen, daß es mir nicht zustehe, Gottes Wunder zu kritisieren oder ihm gar „Vorschriften“ zu machen, wie er seine Wunder gefälligst zu wirken hätte. Nun, dieser Einwand ist natürlich berechtigt. Auf ihn erwidere ich aber (mit dem Papst), daß Gott eben vernünftig handelt. Die Theologie spricht z.B. von einem „Sparsamkeitsprinzip“ in der Schöpfung, und auch Jesus hat nach der Bibel nicht Wunder „am laufenden Band“ gewirkt, sondern eben nur, wenn er es für notwendig hielt. Gott macht demanch keine „überflüssigen Wunder“ — was wäre aber denn eine „Jungfrauengeburt“, die fürs Heilsgeschehen prinzipiell nicht notwendig ist, und von der keiner was wußte (Jesus wurde bekanntlich für den Sohn des Zimmermanns gehalten)? Wenn ich — die Benedikt XVI doch gerade erst betont hat — meinen Glauben mit Vernunft begründen muß, dann habe ich mit diesem Wunder ein Problem (s.o.). Und nur ein willkürlicher Gott, der eben aus Spaß jungfräuliche Geburten vorkommen läßt, wäre eine (nicht sehr befriedigende) Erklärung — aber das wäre wohl nicht der Gott, von dem der Papst sprach.

    Dann sind wir nämlich haarscharf an der Grenze, mit der das „Gott kann nach Belieben Wunder tun“ zum alleserklärenden Totschlagargument wird. Dann sind wir etwa dort, wo der Hl. Thomas von Aquin stand, als er die Tatsache, daß das „Sanctum Præputium Christi“ als Reliquie verehrt wurde, obwohl doch Christus als ganzer Mensch auferstanden sei, zu kommentieren hatte. Und besonders ärgerlich dabei war, daß es gleich mehrere (kirchlich jeweils bestens anerkannte) dieser Reliquien gab, obwohl es in Natur doch ursprünglich wohl nur eines gegeben haben konnte. Thomas löste die diffizile Frage mit der gewagten Hypothese, daß auch die abgeschnittene Vorhaut bei der Auferstehung mit auferstanden sei, es jedoch dem allmächtigen Gott gefallen habe, aus „materia libera“ diese Reliquien zu formen (daher konnten es auch problemlos mehrere sein), die daher mit einem relativen cultus latriæ zu verehren seien.

    Sie werden verstehen, daß ich bei der Lektüre dieses Textes nur schwer meine Ernsthaftigkeit bewahren konnte.

  22. Lieber Denker,

    ich kann und will nicht auf alles eingehen, was Sie schreiben. Deshalb nur wenige Anmerkungen.

    Die Frage, ob der Glaube rational-logisch begründet werden kann, möchte ich erst einmal bejahen. Wir werden damit leben müssen, dass nicht jeder die Vernunft des Glaubens einsieht. Das ist unvermeidlich, solange wir Menschen frei sind. (Und deshalb ist es auch folgerichtig, dass Materialisten in den Ergebnissen der modernen Hirnforschung den Beweis dafür sehen möchten, dass der Mensch gar nicht frei ist. Dann ist er allerdings auch kein Mensch.)

    Warum Gott das Wunder der Jungfrauengeburt Jesu gewirkt haben soll, ist einfach zu erklären. In aller Kürze gesagt: Weil Jesus Christus der Sohn Gottes ist und nicht der Sohn des Zimmermanns. Weil Gott in der Zeugung und der Geburt seines Sohnes selbst am Menschen gehandelt hat. Weil die Menschwerdung Gottes den ganzen Menschen betrifft – auch im biologischen Sinne.

    Für die Einzelheiten empfehle ich den schmalen Band „Die Tochter Zion“ von – na, wem wohl? – Joseph Ratzinger. 83 Seiten, aber alles drin. Ihre Einwände sind sämtlich berücksichtigt.

  23. Auch ich will nicht viele Worte machen und auf alles eingehen, insbesondere, Penseur, da Sie leider die Tendenz haben, irrelevantes als wichtiges anzuführen (wie z.B. das mit der Vorhaut Christi – warum diese mitauferstanden sein sollte, ist mir nicht begreiflich – Thomas Antwort ist übrigens m. E. so wie das ganze Problem absurd und latent anti-judaistisch).

    *Wiederholt die Frage „Warum dieses Wunder?“ – da haben wir auch keine Antwort, außer Gott hat sie uns mitgeteilt.
    *Die Sinnhaftigkeit eines Wunders heißt ja nicht unbedingt, daß es zwingend so sein mußte. Da will ich Martin vordergründig widersprechen, denn Gott hätte es (vielleicht, wissen tu ich das auch nicht) so machen müssen. Aber er hat es so getan und vernünftig ist es auch.
    *Das Sparsamkeitsprinzip in allen Ehren, aber sollte man dieses gegen das reale Geschehen anführen. Waren denn die Heilungen Jesu notwendig?
    *Die Frage, ob der Glaube rational-logisch begründet werden kann, ist m. E. zweitschneidig oder zweideutig. Der Glaube als Glaubensakt kann nicht logisch begründet werden – hier ist eine Entscheidung von nöten. Allerdings der Glaubensinhalt ist schon vernünftig, d. h. darlegbar, wobei hier aber vernünftig nicht mit rationalistisch oder logisch völlig zwingend oder ganz und gar rational ausgeleuchtet gleichgesetzt werden darf.
    *Ein Glaubensakt ist übrigens nicht nur im religiösen Bereich erforderlich, sondern bei jedweder Erkenntnis. Stur stellen und leugnen kann ich mich nämlich immer, womit wir wieder bei Verschwörungstheoretikern wären. (Und nein, ich glaube nicht an eine Weltverschwörung der Astronomen in bezug auf Fatima – allerdings sollte man das Zeugnis einer großen Menschenmenge, Skeptiker und Agnostiker mit eingeschlossen, nicht einfacht so negieren. Daß sie es tuen, belegt nur die Richtigkeit meiner Ausführungen oben.)

    möchte ich erst einmal bejahen.

  24. @mr94:

    ich kann und will nicht auf alles eingehen, was Sie schreiben.

    Dafür habe ich durchaus Verständnis. Weniger verstehe ich allerdings, daß Sie gerade auf jene Punkte, die ich als besonders „fragwürdig“ (für beide Seiten) empfinde, nicht eingehen. Nun, soll eben so sein …

    Ihrer Empfehlung bezügl. „Tochter Zion“ werde ich gerne nachkommen. Ich habe zwar ca. ein Dutzend Ratzingers in meiner Bibliothek, dieser allerdings fehlt mir noch (also, ehrlich gesagt: ob er mir wirklich gefehlt hat, wird sich bei der Lektüre herausstellen 😉 ).

    Ihre Einwände sind sämtlich berücksichtigt.

    Nun, warten wir es ab. Ich werde nach Lektüre über meine Eindrücke (und etwaig offen gebliebene Fragen) berichten …

    @str1977:

    Thomas Antwort ist übrigens m. E. so wie das ganze Problem absurd und latent anti-judaistisch

    Sie werden dieses Problem in den meisten katholischen Dogmatiken vor dem Vaticanum II (ich nenne hier z.B. Premm’s „Glaubenskunde“) finden. Mit Thomas‘ „Erklärung“. Das Ganze war aber von mir eigentlich nur als etwas ironisches aperçu gedacht, wohin ein Insistieren auf „Gott kann jedes Wunder wirken, das er nur will“ führt …

    Der Glaube als Glaubensakt kann nicht logisch begründet werden – hier ist eine Entscheidung von nöten. Allerdings der Glaubensinhalt ist schon vernünftig, d. h. darlegbar, wobei hier aber vernünftig nicht mit rationalistisch oder logisch völlig zwingend oder ganz und gar rational ausgeleuchtet gleichgesetzt werden darf.

    So, das ist jetzt einmal eine klare Darlegung des Standpunktes. Und hier kann ich auch (und Sie empfinden das hoffentlich nicht als persönlichen Angriff) darlegen, worin ich Ihnen hier nicht zustimmen kann:

    „Der Glaube als Glaubensakt kann nicht logisch begründet werden – hier ist eine Entscheidung von nöten“ – Völlig d’accord.

    „Allerdings der Glaubensinhalt ist schon vernünftig, d. h. darlegbar …“ – „Placet juxta modum“, würde ich sagen 😉 Nicht alles, was darlegbar ist, ist deshalb schon vernünftig. Ich kann z.B. meiner Geliebten meine Liebe darlegen, ohne daß das deshalb notwendig auch vernünftig wäre (und zwar weder die Darlegung, noch die Liebe).

    „… wobei hier aber vernünftig nicht mit rationalistisch oder logisch völlig zwingend oder ganz und gar rational ausgeleuchtet gleichgesetzt werden darf.“ — Hier haben wir sicherlich den entscheidenden Unterschied. Sie sagen: „Ich glaube, auch wenn es logisch nicht zwingend ist, zu glauben“. Meine Antwort (bessergesagt: Anfrage) in diesem Zusammenhang: „Da es verschiedene Religionen gibt, die jeweils von sich behaupten, allein der wahre Glaube zu sein, einander jedoch in entscheidenden Punkten widersprechen — wie wollen Sie hier den einen Glauben bekennen, wenn dieser nicht logisch zwingend richtig ist, und nicht den anderen?“ Es ist nun einmal so, daß jedenfalls Judentum, Christentum und Islam sich selbst und einander ausschließend als „wahren Glauben“ betrachten. Hier muß ich mit logischen, rationalen Kriterien herangehen, will ich meinen Glauben fundiert begründet glauben, und nicht bloß aus Familientradition (wiewohl mir bewußt ist, daß dies der sicherlich bei weitem üblichste faktische Glaubensgrund ist).

    Stur stellen und leugnen kann ich mich nämlich immer, womit wir wieder bei Verschwörungstheoretikern wären. (Und nein, ich glaube nicht an eine Weltverschwörung der Astronomen in bezug auf Fatima

    Es geht hier, glaube ich, nicht um „stur stellen“, sondern gerade um das Gegenteil: der Skeptiker ist für Neues offen (da er dem bereits Vorhandenen eben mit Skepsis gegenübersteht) …

    Was das Fatima-„Sonnenwunder“ betrifft: Sie werden zustimmen, daß die Sonne ihre Position real schwerlich verändert haben kann. Eine Positionsveränderung (ich meine eine gegenüber der normalen Laufbahn der Sonne in der Milchstraße), die auf 150 Mio. km zu einer merklichen Positionsveränderung für das unbewaffnete Auge führt, müßte so gewaltig sein, daß die Änderung der Sonnengravitation sämtliche Planetenbahnen nachhaltig gestört haben müßte. Vermutlich wäre das gesamte Sonnensystem räumlich versetzt worden — mit Querbeschleunigungskräften, die wohl zwangsläufig auf der Erde zu schwersten Beben, ja vermutlich sogar zum Untergang der Biosphäre geführt hätten, etc. Und alle diese Ereignisse wären wohlgemerkt vor sich gegangen, ohne daß auch nur eine einzige Sternwarte, ein einziges Sonnenobservatorium, eine einzige Bebenstation auch nur das mindeste gemerkt hätte?!

    Man könnte nun sagen: „Na und? Kein Problem für den lieben Gott, der schafft das schon. Er wirkt einfach neben dem Sonnenwunder noch ein Gravitationswunder, ein Astronomiewunder etc. etc.!“ Mag schon sein — doch wiederum gefragt: warum sollte Gott so ein Wunder tun, und dieses Wunder (das er doch wohl tut, um für die Menschen ein „denkwürdiges“ Zeichen zu setzen!) dann so tun, daß es nie nachgewiesen werden kann (außer aus Berichten dort gerade anwesender Personen — die ich prima facie nicht als besondere Experten auf den Gebieten der Astrophysik und Geodynamik einschätzen würde). Ich bin daher eher geneigt, hier eher an ein Phänomen der Massenhysterie zu denken, oder aber an ein Zusammentreffen verschiedener atmosphärischer Störungen, die zu sehr auffälligen Lichtbrechungsphänomenen führten, sodaß für die Anwesenden der Eindruck einer sich bewegenden Sonne ergab. Wenn Sie das nicht auf eine bloße Koinzidenz, sondern auf ein vorausschauend-planvolles Wirken Gottes zurückführen, dann hätten Sie auch Ihr „Wunder“ — gegen das ich nichts prinzipiell einzuwenden habe (solange Sie mich nicht zwingen, meinerseits darin auch ein Wunder erblicken zu müssen)!

  25. „Weniger verstehe ich allerdings, daß Sie gerade auf jene Punkte, die ich als besonders “fragwürdig” (für beide Seiten) empfinde, nicht eingehen.“

    Was meinen Sie da konkret?

  26. @mr94:

    Konkret meinte ich z.B. mein Posting vom 21.09. 17:32 – meine Frage, warum die Jungfrauengeburt Christi glaubwürdig ud ein Wunder sein soll, hingegen die Jungfrauengeburt Buddhas eine bloße Legende. Darauf antwortete Kollege „str1977“ bloß ausweichend, indem er meinte, „…daß die meisten davon Humbug sind insofern als gar nicht von einer jungfräulichen Empfängnis und Geburt eines Menschen die Rede ist“. Nun, was ist mit Buddha? Und, um es etwas auszuführen (obwohl natürlich vom Prinzip her die Antwort immer gleich ausfallen wird): was ist mit Alexander dem Großen? Was mit Pythagoras und mit Apollonius von Tyana (vgl. u.a. http://de.wikipedia.org/wiki/Apollonius_von_Tyana mit interessanten Vergleichen mit Wundertaten Christi)?

    Konkret meinte ich mein Posting vom 22.09. 10:45 — meine entscheidende Schlußfrage war:
    „… warum sollte ein Gott, der die Welt so schuf, daß Wunder für den Glauben notwendige Voraussetzung sind, diese auf eine Weise bewerkstelligen, die denkbar schlecht dokumentiert und daher zweifelhaft ist? Warum sollte Gott dann u.a. gerade Wunder wie die Jungfrauengeburt wirken, die im Detail betrachtet zu anderen Aussagen der Bibel in flagrantem Widerspruch steht (”Brüder Jesu” etc.) und faktisch unbeweisbar ist (wer hätte denn Mariens Virginität je überprüft?), aber gerade dieses Wunder zum Gegenstand eines weitverzweigten Kultes und unzähliger theologischer Forschungen (und Verfolgungen Andersdenkender) gemacht?“

    Auf meine Frage nach dem „cui bono“ antwortet Kolleg „str1977“ lapidar: „ich sag bloß: propter nos homines et propter nostram salutem“ — Verzeihung, aber das ist m.E. keine Antwort.

    Konkret auch noch mein Posting vom 23.09. 12:16 — näherinh meinen Vorhalt:
    „Aber mit Ihrer Antwort haben Sie sich natürlich elegant um die Theodizeefrage gedrückt (Angriff ist die beste Verteidigung), da Sie diese (v.a. auch im Hinblick auf Auschwitz) einfach nicht beantworten können.“

    Ich will Ihnen damit wirklich nicht unterstellen, Sie antworteten gezielt selektiv, um sich mit meinen Argumenten nicht auseinandersetzen zu müssen. Es wird bei mir sicher auch vorgekommen sein, daß ich Antworten auf Fragen Ihrerseits unterlasse, zumal ich ja auf zwei durchaus unterschiedliche („mr94“ und „str1977“) Argumentationslinien antworten muß. Ich lade Sie daher ein, mir etwaig unbeantwortete Fragen aus Ihrer Sicht ungeniert ins Gedächtnis zu rufen, denn ich finde, daß eine Diskussion nur dann fruchtbringend ist, wenn sie nicht bloß mit dem rhetorischen „Sieg“ einer Partei endet, sondern allen Parteien Gelegenheit gibt die anderen Standpunkte möglichst exakt gefaßt zu erkennen und sich bei der eigenen Argumentation allfälliger Mängel bewußt zu werden. Ich diskutiere hier nicht, um Sie „zu überzeugen“, daß ich recht habe, sondern um mir über mich interessierende Probleme möglichst umfassend eine Meinung zu bilden.

  27. Wenn die Diskussion derart mäandriert wie hier, dann muss es gestattet sein, den einen oder anderen Nebenarm trockenfallen zu lassen. Zumal Sie die Gewohnheit haben, sich in Details zu verbeißen und das große Ganze aus dem Blick zu verlieren.

    1. Die Jungfrauengeburt für sich genommen beweist oder widerlegt überhaupt nichts. Sie gibt überhaupt nur Sinn, wenn sie uns zeigt, worum es geht – nämlich dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist. Sie verweist also auf etwas Größeres.

    Die Jungfrauengeburt Buddhas hingegen tut das nicht. Auf die Person Buddhas kommt es auch dem Buddhisten überhaupt nicht an, sondern nur auf den Weg, den er gezeigt hat. Das steht in denkbar größtem Gegensatz zu Christus (Joh 14,6).

    Als was würde Buddha durch das Zeichen der Jungfrauengeburt ausgewiesen? Als Erleuchteter? Alexander der Große? Als König? Ich weiß es nicht. Christus hingegen wird durch dieses Zeichen als Sohn Gottes ausgewiesen. Liegt hier nicht ein fundamentaler Unterschied vor?

    2. Ihre zweite Frage ist mir zu kompliziert. Nahezu jeder Halbsatz ist falsch oder wenigstens irreführend. Damit möchte ich mich nicht befassen.

    3. Die Theodizeefrage habe ich selbst in die Debatte eingeführt. Allerdings nicht, um sie nun zu diskutieren – das mag bei anderer Gelegenheit geschehen. Wir können sie hier offen lassen.

    Mir ging es nur darum, zu zeigen, wie Auschwitz einseitig als Argument gegen den christlichen Gottesglauben gebraucht wird – während es doch ebenso sehr als Argument gegen atheistische Ideologien verwendet werden kann.

    Letzteres Argument halte ich übrigens für stärker. Denn das Christentum verkündet keinen Gott, der dem Menschen bei seinen Greueltaten in den Arm fallen müsste. Nein, der Mensch ist und bleibt selbst dafür verantwortlich und wird sich dafür verantworten müssen.

  28. @mr94:

    ad 1. Jungfrauengeburt:
    Nun, ebenso wie Jesus Christus als Sohn Gottes dadurch „legitimiert“ werden soll, so wird eben Buddha als „Erleuchteter“ legitimiert (wobei wenigstens im Mahayana-Buddhismus, insbes. dem Amida-Buddhismus dem Buddha sehr wohl eine Art Mittler- und Erlöserfunktion — cum grano salis! — zugeschrieben wird, also irgendwie vergleichbar der Funktion Christi im Christentum). Bei Alexander dem Großen ist es seine Heros-Gestalt, die dadurch betont wird. Jedenfalls zeigen diese Beispiele, daß die „Jungfrauengeburt“ einer überragenden (Gründer-)Person kein Spezifikum des Christentums ist. Ob hier wirklich ein „fundamentaler Unterschied“ vorliegt, ist genau die Frage, die es zu klären gilt. Wenn man es behauptet, müßte man in einer ersten Argumentationsstufe wohl nachvollziehbare Kriterien angeben, worin er denn besteht (d.h.: warum ist die Jungfrauengeburt Jesu „angemessen“ zu glauben, andere jedoch nicht). Und in einer zweiten Stufe wäre dann die Frage zu klären, inwieweit sich die Bezeugung der Jungfrauengeburt Jesu von den anderen in ihrer Glaubwürdigkeit (als historisches Faktum vs. bloße Legende) unterscheidet.

    ad 2. zur Sinnhaftigkeit von „widersprüchlichen“ Wundern:
    Dei Frage ist m.E. auf einen ganz einfachen Punkt zu bringen: warum wirkt Gott „widersprüchliche“ Wunder, d.h. solche, die mit anderen Schriftstellen in offensichtlichem Konflikt stehen (konkret: Jungfrauengeburt und Brüder Jesu, Jungfrauengeburt und Paulus‘ Diktum der Abstammung Jesu von David dem Fleische nach, was nach Lukas- wie auch Matthäus-Genealogie nur einen Sinn hat, wenn Joseph der leibliche Vater Jesu war). Wunder sollen doch zeichenhafte Ereignisse sein (ich nehme an, darüber besteht Einhelligkeit), doch wie „zeichenhaft“ ist ein Ereignis, das mit anderen Glaubensaussagen kollidiert bzw. nur sehr gekünstelt unter einen Hut zu bringen ist?

    ad 3. Die Theodizee-Frage:
    Diese kann m.E. nicht gut gegen atheistische Ideologien verwendet werden. Denn daß die Menschen allesamt unendlich gut, vollkommen, allmächtig, allwissend etc. wären, wird wohl von keinem Atheisten ernsthaft behauptet — sehr wohl werden all diese Eigenschaften aber seitens der Theisten von ihrem (theistischen) Gott angenommen, was dann eben zwangsläufig zur Theodizee-Problematik führt. Aber ich stimme Ihnen zu, daß diese einen eigenen Thread verdienen würde.

  29. Penseur,

    1. Ihre Liebe zu Ihrer Geliebten ist eben doch vernünftig, zumindest nach meinem Verständnis des Wortes Vernunft. Oder ist das ein merkwürdiges Gefühl, daß in drei Minuten schon ganz anders sein kann. Ich glaube nicht.

    2. Sie setzen logisch-zwingend mit vernünftig gleich. Vernünftig heißt, daß es sich beim Glaubensinhalt eben nicht um eine zufällige Ansammlung unverbundener Aussagen handelt, sondern um ein zusammenhängendes Ganzes. Da gibt es auch logisch-zwingende Verknüpfungen, aber nicht alle sind so. Aber all das wird ihnen nicht helfen, wenn sie rausfinden wollen, welches nun der wahre Glaube ist. Auflösung folgt halt erst später. Bis dahin bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung. Sie aber wollen immer noch gezwungen werden. Das wäre ja auch so schön einfach: jemand haut mit dem großen argumentativen Holzhammer auf Ihren Kopf und zieht Sie in seine Religionshöhle. So schaut aber die Welt nicht aus.

    Und stur stellen kann man sich auch in der Skepsis. Der Skeptiker ist durchaus nicht per se offen für neues, solange er nur Skeptiker ist. Er ist skeptisch gegenüber allem. An sich ist er überhaupt nicht offen. (Das jetzt ohne Wertung gesagt.)

    Daß dies so ist, belegt unabsichtlich ihr Satz „Sie werden zustimmen, daß die Sonne ihre Position real schwerlich verändert haben kann.“ Nein, ich werde nicht zustimmen der unbegründeten Aussage, daß dies nicht geschehen sein kann. Wohl aber, glaube ich nicht, ohne Beleg bzw. nicht gegen den Beweis, daß es nicht passiert ist, daß es passiert ist.

    3. Das allerdings in Fatima etwas passiert ist, was auch skeptische Zeitgenossen beobachtet haben. Darum habe ich das Wunder überhaupt angeführt. Was dieses etwas war, ist eine andere Frage. Ich weiß das auch nicht und in Anbetracht der astronomischen Beobachtungen war es wohl keine außerordentlich Bewegung der Sonne (was aber nicht heißt, das dies nicht geschehen sein könnte oder das es nicht früher geschehen sein könnte … nur hier eben nicht). Deshalb brauche ich auch nicht auf Ihre langwierigen Ausführungen einzugehen.

    Allerdings, hängt mir Ihre „warum sollte Gott so ein Wunder tun“ ziemlich zum Halse raus. Ich werde es für die Wahl zur dümmsten Frage der Jahrtausende vorschlagen.

    „daher eher geneigt, hier eher an ein Phänomen der Massenhysterie zu denken“ – Ja, es ist ein interessantes Phänomen, warum der moderne Mensch, stets bemüht ist, alles ins Schlechte zu ziehen. Ich frage mich auch, wie jene Skeptiker, die kamen, das abergläubische Volk auszulachen, da hinein geraten sind.

    „Wenn Sie das nicht auf eine bloße Koinzidenz, sondern auf ein vorausschauend-planvolles Wirken Gottes zurückführen, dann hätten Sie auch Ihr “Wunder” — gegen das ich nichts prinzipiell einzuwenden habe“

    Ja, auch daß wäre ein Wunder und so erkläre ich mir dieses ja auch. Daß hat nur nichts mit jenen Wundern zu tun, die ich ganz oben beschrieben habe. Und zwingen? Ich zwinge sie zu gar nichts, auch wenn Sie das gerne so hätten.

  30. Sie schreiben, ich habe „ausweichend“ geantwort. Also, noch mal zum Mitschreiben:

    Die meisten angeblichen Jungfrauengeburten, die dabei so angeführt werden sind Humbug. Ob daß bei Buddha auch so ist, weiß ich nicht, dafür kenne ich mich in der buddhistischen Tradition zu wenig aus. Den Humbug präsentieren sie aber auch selbst, wenn sie auf Alexander den Großen kommen. Bei ihm liegt keine Jungfrauengeburt vor! Niemand, außer modernen Vielwissern, hat jemals behauptet, er sei von einer Jungfrau geboren worden. Wäre auch lächerlich, wenn man die gute Olympias kennt. 😉 Alexander soll nach späteren Berichten, von einem Gott (Zeus Ammon) gezeugt worden sein. Ist ja nichts neues in einer Familie, die sich von Achilles und Herakles und Perseus herleitet. Nur, jungfräulich ist dabei keine der Mütter geblieben. Später, vor allem im Alexanderroman wurde dann Zeus Ammon zum letzten vorpersischen Pharao Nektanebo umgedeutet, der nach Makedonien entkommen sei (was schon chronologisch Quatsch ist).

    Und so könnte man mit vielen Parallelgestalten weitermachen. Hier und da ergeben sich natürlich wirklich Parallelen, allerdings sind diese äußerst marginal. Aber Jungfrauengeburt ist mir noch nicht untergekommen.

  31. Nur sind, Penseur, manche Widersprüche auch nur konstruiert.

    Es gibt sicher mehrere Möglichkeiten der Interpretation der wenigen Stellen über die „Brüder Jesu“, aber ein Widerspruch zur Jungfrauengeburt ergibt sich eben nur bei gewisser Interpretation. Ganz abgesehen davon, daß andere Stellen wiederum nahelegen, daß Maria keine anderen Kinder hatte („Siehe deine Mutter“ am Kreuz z.B.).

    Wenn sie nun meinen, sich das einfachste Modell auszusuchen (a la Ockham), dann begehen sie aber leider den Fehler, einen Teil des Befundes zu ignorieren. Und das halte ich für unredlich.

    Oder man überinterpretiert ein Wort von Paulus.

    Oder man beweist seine eigene Unkenntnis, indem man meint, ohne Vaterschaft Josephs seien die Genealogien sinnlos. Der Ehemann der Mutter ist der Vater gilt nicht nur nach deutschem Recht.

  32. Sie sollten genau lesen, Penseur!

    Nicht die Theodizee-Frage kann man gegen den Atheism wenden, sondern Auschwitz.

    Allerdings halte ich Ausschwitz in Bezug auf die Theodizeefrage für, wenn auch zeitbedingt verständlich, für überbewertet. Durch Auschwitz hat sich im Grunde bzw. prinzipiell nichts verändert. Böses gab es auch vorher. Bitte daß jetzt nicht misinterpretieren oder etwas hineinlesen, was ich nicht gesagt habe.

  33. @str1977:

    Nett, daß Sie sich auch wieder in den Thread eingeklinkt haben!

    Allerdings, hängt mir Ihre “warum sollte Gott so ein Wunder tun” ziemlich zum Halse raus. Ich werde es für die Wahl zur dümmsten Frage der Jahrtausende vorschlagen.

    Auch wenn es Ihnen zum Hals raushängt: ich finde die Frage wichtig und berechtigt, und das nicht, weil ich „stur“ bin, sondern weil ich der MEinung bin, daß zum glauben-können auch ein wisen-müssen dazugehört. Sonst haben wir einen Kinder- oder Köhlerglauben.

    Ich zwinge sie zu gar nichts, auch wenn Sie das gerne so hätten.

    Nein, das hätte ich gar nicht gerne! Ich werde ungern gezwungen, und zum Glauben sogar ganz besonders ungern!

    Die meisten angeblichen Jungfrauengeburten, die dabei so angeführt werden sind Humbug. […] Aber Jungfrauengeburt ist mir noch nicht untergekommen.

    Mir in der Realität auch noch nicht. Und genau deshalb bezweifle ich sie auch im Falle Jesu. Oder mit den Worten von Karl Kraus (ich zitiere „Die Fackel“ bloß aus dem Gedächtnis, also sinngemäß, nicht wörtlich!):
    „Ich wundere mich nicht, daß Joseph ihr geglaubt hat. Aber das er ihr das geglaubt hat, wundert mich doch!“

    Es gibt sicher mehrere Möglichkeiten der Interpretation der wenigen Stellen über die “Brüder Jesu” …

    Nein, umgekehrt: nur wenn ich bewußt die „Brüder Jesu“ (weil nicht sein kann, was nicht sein darf) als Stiefbrüder bzw. Cousins umdeute, komme ich in keine Schwierigkeiten. Und natürlich weiß ich, daß es auch im alten Palästina Vaterschaftsvermutungen und -fiktionen gab: nur spricht Paulus schließlich als inspirierter Schriftsteller (d.h. in Glaubensdingen unfehlbar wahr und richtig), „… dem Fleische nach“, und das ist wohl kein Adoptivsohn.

  34. @str1977:

    Sie sollten genau lesen, Penseur!
    Nicht die Theodizee-Frage kann man gegen den Atheism wenden, sondern Auschwitz.

    Sorry, das habe ich auch gemeint, aber etwas verkürzt und mißverständlich ausgedrückt.

    Inhaltlich bestreite ich allerdings Ihr Argument (na, ein Wunder, werden Sie sich denken 😉 !). Denn Auschwitz ist ein Argument gegen den Nationalsozialismus (der zwar m.E. antichristlich, aber nicht insgesamt atheistisch war!), nicht gegen den Atheismus. Die Verübung von Grausamkeiten ist nicht ein Effekt einer philosophischen Lehrmeinung oder einer praktischen Lebenshaltung (und in diesen beiden Fomen kommt „Atheismus“ im wesentlichen vor), sondern kommt durch eine totalitäre Ideologie zustande. Eine solche kann aber sowohl areligiös als auch religiös sein — die die Geschichte der Religionskriege eindrucksvoll beweist

    Daß der Nationalsozialismus das ganze „industrieller“ anging als frühere Zeiten, liegt einfach im (zweifelhaften) Fortschritt der Menschheit begründet. Massenvergasungen waren im Mittelalter einfach technisch nicht möglich und die Bevölkerungdichte war einfach geringer. Wenn man sich die prozentuellen Opferzahlen im Dreißigjährigen Krieg (der ja wohl unbestritten kein Krieg „gute Religiöse gegen böse Atheisten“ war) allerdings ansieht, findet man schon hier durchaus „industrielles Töten“.

    Bitte daß jetzt nicht misinterpretieren oder etwas hineinlesen, was ich nicht gesagt habe.

    Keine Bange — sowas werden Sie von mir nicht zu hören bekommen. Das ständige Fuchteln mit der Faschismuskeule geht auch mir ziemlich auf die Socken.

  35. „Auch wenn es Ihnen zum Hals raushängt: ich finde die Frage wichtig und berechtigt“

    Und ich verstehe nicht, warum man sich so obsessiv mit einer Frage befassen kann, die keiner beantworten kann außer Gott selbst. Also, bitte die durchaus interessante Frage an der richtigen Adresse vorbringen.

    „Nein, das hätte ich gar nicht gerne! Ich werde ungern gezwungen, und zum Glauben sogar ganz besonders ungern!“

    Das ist das sonderbare am Menschen: er will gezwungen werden und doch sträubt er sich dagegen solange es geht.

    Mit die „Die meisten angeblichen Jungfrauengeburten, die dabei so angeführt werden sind Humbug.“ meinte ich natürlich nicht, ob diese nicht real sind, sondern die Behauptung, von jemand werde berichtet, er sei in einer solchen geboren worden. Diese sind Humbug, wie ich am Beispiel Alexanders demonstriert habe. Entweder handelt es sich nicht um Jungfrauengeburten sondern um Sex mit Göttern oder aber die Verbindung findet völlig im göttlichen Bereich statt, d.h. der so gezeugt ist gar kein Mensch.

    „Nein, umgekehrt: nur wenn ich bewußt die “Brüder Jesu” (weil nicht sein kann, was nicht sein darf) als Stiefbrüder bzw. Cousins umdeute, komme ich in keine Schwierigkeiten.“

    Eben grade nicht: es gibt sehr frühe Zeugnisse für die „Cousinsthese“ (Papias), es gibt Schriftstellen, die darauf hinweisen, daß Maria keine weiteren Kinder hatte. Ihre Paulusstelle hilft hier gar nicht weiter, denn sie sagt nur, daß Jesus dem Fleische nach von David abstammt, was sich einerseits auf die gesetzliche (was nicht Adoption heißt) Vaterschaft Josephs beziehen kann, oder auf Maria. Da die Israeliten normalerweise innerhalb eines Stammes heirateten, wäre Maria auf jeden zumindest vom Stamme Juda, wenn nicht sogar selbst von Hause David.

    Und außerdem kann man die Inspieriertheit Pauli nicht als historisches Argument benutzen. Sowohl die Bücher der Könige wie der Chronik sind inspiririert, aber dennoch widersprechen sie sich in manchem. Und auch die Evangelien, die ja nun mal klar von der Jungfrauengeburt sprechen sind ja inspiriert. Zumindest dieses Argument zieht also nicht.

    „Sorry, das habe ich auch gemeint, aber etwas verkürzt und mißverständlich ausgedrückt. … Inhaltlich bestreite ich allerdings Ihr Argument (na, ein Wunder, werden Sie sich denken !). Denn Auschwitz ist ein Argument gegen den Nationalsozialismus (der zwar m.E. antichristlich, aber nicht insgesamt atheistisch war!), nicht gegen den Atheismus.“

    Es ist nicht mein Argument, sondern Martins. Ich wollte es nur richtigstellen. Der Weg vom Atheismus zum NS ist sicherlich noch ein paar Meter lang. Die Frage ist was hier unter Atheismus zu verstehen ist. Der NS als solcher ist nicht theistisch im Sinne eines eingreifenden Gottes, aber auch nicht atheistisch im Sinne einer völligen Leugnung eines höheren Wesens. Er ist in dieser Beziehung, dem Zeitgeist in dem er entstanden ist, deistisch oder vielmehr pantheistisch, da die angeblichen Gesetze vom Kampf ums Überleben zum Willen Gottes erklärt werden.

    „Die Verübung von Grausamkeiten ist nicht ein Effekt einer philosophischen Lehrmeinung oder einer praktischen Lebenshaltung (und in diesen beiden Fomen kommt “Atheismus” im wesentlichen vor), sondern kommt durch eine totalitäre Ideologie zustande.“

    Das versteh ich jetzt nicht. Eine solche Ideologie ist doch auch eine Lehrmeinung. Nein, die Verübung von Grausamkeiten kommt aus dem inneren des menschlichen Herzen, wobei bei der Ausführung diverse Lehren äußerst bequem sein können. Diese Lehren haben natürlich ein Eigenleben und „vergiften“ das Herz weiter.

    „Eine solche kann aber sowohl areligiös als auch religiös sein“

    stimmt, wobei ich die Unterscheidung zwischen den beiden für fiktiv halte. Selbst der härteste Atheist ist meiner Meinung nach religiös. Wenn er auch nicht Gott anbetet, dann doch irgendetwas anderes.

    „Massenvergasungen waren im Mittelalter einfach technisch nicht möglich“ – das ist wohl wahr, aber falls sie unterstellen wollen, daß dies der einzige Grund war, warum es sowas im Mittelalter nicht gab, muß ich das zurückweisen. Und der Dreißigjährige Krieg stellt wohl kaum „industrielles Töten“ dar. Nichts könnte ferner von der Wahrheit sein. Die katastrophalen Opferzahlen sind vielmehr die Folge eines unkontrolliert sich ausbreitenden und selbst ernährenden Krieges. Niemand im Dreißgigjährigen Krieg hat sich hingesetzt und gesagt: „So wir schlagen jetzt alle Protestanten tot!“ (es war ja noch nicht mal an ihre Zwangsbekehrung gedacht) oder „Jetzt schlagen wir alles Katholiken tot!“

    „Keine Bange — sowas werden Sie von mir nicht zu hören bekommen. Das ständige Fuchteln mit der Faschismuskeule geht auch mir ziemlich auf die Socken.“

    Wenigstens dabei stimmen wir überein.

  36. @str1977:

    Also, bitte die durchaus interessante Frage an der richtigen Adresse vorbringen.

    Hoffentlich deuten Sie hier nicht in aller delicatesse an, ich solle meinem Leben baldigst ein Ende machen … ? 😀

    Niemand im Dreißgigjährigen Krieg hat sich hingesetzt und gesagt: “So wir schlagen jetzt alle Protestanten tot!” (es war ja noch nicht mal an ihre Zwangsbekehrung gedacht) oder “Jetzt schlagen wir alles Katholiken tot!”

    Na, wenn Sie den Ruf der Schweden wenigstens in Österreichs Bevölkerung kennen (und ich meine damit die die Touristen und Fußballfans, obwohl die in die selbe Richtung schlagen), dann wäre die Charakterisierung „Jetzt schlagen wir alle Katholiken tot“ nicht ganz von der Hand zu weisen.

    Wie auch immer — ich denke, wir haben das Problem hinreichend erörtert. Wer immer bis jetzt (außer uns) in diesem Thread ausgeharrt hat, wird sich — hoffentlich — schon seine wohlfundierte Meinung zu bilden im Stande gewesen sein. Jedenfalls hat er sich jetzt eine Erholung verdient, denke ich. Daß unsere Diskussion ohne Übereinstimmung endet, wird Sie wohl ebensowenig überraschen wie mich. Aber so ist das Leben! „Videmus nunc per speculum in enigmate, tunc autem facie ad faciem.“ Ersteres stimmt zweifellos, letzteres wollen wir hoffen. Und, wie der Russe sagt, die Hoffnung stirbt zuletzt …

  37. „Hoffentlich deuten Sie hier nicht in aller delicatesse an, ich solle meinem Leben baldigst ein Ende machen … ?“

    Gott bewahre. Beten reicht.

    „Na, wenn Sie den Ruf der Schweden wenigstens in Österreichs Bevölkerung kennen …“

    Kenne ich nicht, aber ich meinte ja auch die reellen Absichten (nicht Rufe und nicht effektive Taten) damals im Krieg.

    „Jedenfalls hat er sich jetzt eine Erholung verdient, denke ich.“

    Yep, sehe ich auch so.

    “Videmus nunc per speculum in enigmate, tunc autem facie ad faciem.”

    Einer meiner Lieblingsverse.

    „die Hoffnung stirbt zuletzt“

    Weil sie erfüllt wird. Und dann bleibt nur noch die Liebe.