Zweiter Teil einer Reihe zur Schöpfungstheologie. Teil 1: Evolution vs. Schöpfung?
Der biblische Schöpfungsglaube gründet in einer Abwendung vom Mythos. Zwar sind in den biblischen Schöpfungstexten mythische Elemente nachzuweisen, doch der Schöpfungsglaube lehnt die mythische Deutung ab und fasst die Schöpfung als geschichtliches Geschehen auf. Damit ist eine „Beziehung zum Naturwissen“ (Scheffczyk) und damit zur Naturwissenschaft gegeben, die prinzipiell zu Konflikten führen kann.
Die moderne Naturwissenschaft lässt an keiner Stelle ihrer Theorien Gott oder göttliches Handeln als Erklärung zu. Dieser methodische Ausschluss hat vom Konflikt entlastet, die Gottesfrage entscheiden zu müssen, und damit die Möglichkeit eröffnet, jede naturwissenschaftliche Erklärung selbst wieder nach Ursache und Wirkung zu befragen. Das Schöpfungsgeschehen ist deshalb aus dem Gegenstandsbereich der Naturwissenschaft entlassen.
Diese Einschränkung hat zur Folge, dass der Schöpfungsglaube naturwissenschaftlich neutral wird. Die Naturwissenschaft muss weder annehmen, dass Gott Schöpfer der Welt ist noch dass er überhaupt existiert. Dass diese Enthaltung als „methodischer Atheismus“ beschrieben werden kann, sollte indes nicht zur Annahme verleiten, die Naturwissenschaft setze die Nichtexistenz Gottes voraus, sei also im Kern atheistisch. Sie schließt vielmehr einige Fragen methodisch und a priori als nicht naturwissenschaftlich aus. Allein das „Wie“ der Schöpfung (der Welt, der Natur) bleibt ihr Gegenstand, während die Fragen nach dem „Dass“ und dem „Warum“ aus dem empirischen Feld der Naturwissenschaften verschwinden.
Diese Fragen sind weltanschauliche Fragen, die nun nicht mehr naturwissenschaftlich beantwortet werden können, sondern im Grunde individuell, von jedem einzelnen Menschen beantwortet werden müssen. Wie diese Antwort ausfällt, sollte keinen Einfluss auf naturwissenschaftliche Arbeit haben. Zwischen Naturwissenschaft und Religion wird eine Grenze gezogen.
Insofern dürfte es nicht verwundern, dass mit den Mitteln der Naturwissenschaft kein Schöpfer und keine Schöpfung bewiesen (oder widerlegt) werden kann. Denn die „Gotteshypothese“ (Laplace) ist ja a priori ausgeschlossen. Phänomene, für die sich mit empirischen Mitteln keine „natürliche“ Erklärung finden lässt, müssen solange ungeklärt bleiben, bis eine solche gefunden wird.
Aber ist die naturwissenschaftliche Methode der einzige Zugang zur Wirklichkeit? Dies zu bejahen, hieße, allen anderen Wissenschaften, aber auch der Kunst oder der Religion ihre Berechtigung zu bestreiten. Im Kern ist das die Position eines weltanschaulichen Neodarwinismus, der mit der Evolutionstheorie die gesamte (beobachtbare) Wirklichkeit zu erklären beansprucht und gegen den sich Schönborn wendet.
Sein logisches Gegenstück ist die ID-Theorie. Würde Intelligent Design als naturwissenschaftliche Theorie anerkannt, käme dies einem Bruch mit der modernen Naturwissenschaft gleich: Der Schöpfer als Hypothese wäre wieder zugelassen. Daher lässt sich die Vehemenz erklären, mit der Teile der öffentlichen Debatte geführt werden. Solche epistemischen Brüche sind in der Wissenschaftsgeschichte relativ selten.
Als Gegenbewegung zu einem weltanschaulichen Neodarwinismus hingegen lässt sich das Aufkommen der ID-Theorie gut erklären. Wenn die naturwissenschaftliche Methode der einzige Zugang zur Wirklichkeit ist, dann muss der Schöpfer einen Platz innerhalb des naturwissenschaftlichen Theoriegebäudes bekommen, wenn er existiert. Vertreter der ID-Theorie und weltanschauliche Neodarwinisten teilen also die gleiche, einseitige Grundannahme.