in Catholica

Laizismus

Die Süddeutsche Zeitung zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die Klage einer türkischen Studentin gegen das Kopftuchverbot an der Istanbuler Hochschule zurückzuweisen:

„Die Richter haben grundsätzlich die Trennung von Staat und Religion als Fundament einer demokratischen Staatsordnung betont. Religion wird nicht nur von Islamisten immer wieder für politische Zwecke missbraucht. Auch in Amerika wird eine aggressive Religiösität verstärkt als Politikersatz benutzt. Da kann es nicht schaden, in Europa daran zu erinnern, was der Laizismus wert ist, gerade für ein Land wie die Türkei, das erst noch Mitglied der EU werden will.“ [Deutschlandfunk/Presseschau]

Bleibt nur die klitzekleine Kleinigkeit festzuhalten, dass Deutschland jedenfalls kein laizistischer Staat ist.

Schreibe einen Kommentar

Kommentar

  1. Dafür hat ein Grüner Bezirksrat in Wien vor kurzem das Konkordat gleich „Staatskirche“ gesetzt. Zwei Seiten derselben Medaille…

    Mit ein bisschen Bauchweh kann ich Geronimo übrigens zustimmen: in Frankreich ist die katholische Kirche zwar arm und ausgeschlossen, dafür aber stolz und sehr lebendig. Die Kehrseite natürlich: es gehen viel weniger Leute in die Kirche als hierzulande. Allerdings kann auch niemand der Kirche vorwerfen, sie habe sich mit dem Staat arrangiert.

    Der Laizismus als Ideologie hat in Frankreich übrigens mehr mit einer Staatsreligion zu tun als mit einer authentischen Trennung von Kirche und Staat. Der Glaubenseifer, mit dem die chattering class über den Laizismus redet und schreibt, weist wenigstens darauf hin. (In welchem anderen Land gäbe es sonst Bücher mit Titeln wie „Wir müssen den Atheismus verteidigen!“?)

    Aber es war ja schließlich Robespierre, der den Kult der „Göttin der Vernunft“ eingeführt hat, nicht wahr? 🙂

  2. Lieber Hieronymus, ich bin ganz froh drüber das wir hier in Deutschland keineen Säkularfaschismus haben wie in der Türkei. Dort übrigens ehrlich gesagt Laizismus nichts mit Trennung von Kirche und Staat zu tun. Es geht um die absolute Suprematie des Staates und seiner nationalistischen Ideologie über alles was sich im Land befindet. Deshalb werden auch die Kirchen in der Türkei diskriminiert und der Islam von der Regierung kujoniert.

    Die französische Situation ist natürlich anders, zumindest inzwischen. Auch in Frankreich hat der Laizismus (bzw. die Gesetze von 1905) angefangen als anti-katholische Aktion mit dem Ziel die Kirche zu vernichten. Hatte auch nichts mit Trennung zu tun. Auch Kathedralen verstaatlichen kommt mir nicht wie „Trennung“ vor. Aber nach dem 2. Weltkrieg hat sich das aber wesentlich abgeschwächt, was einerseits an einem geringerem Glaubenseifer der Laizisten, andererseits auch an einer gewissen Wegduck-Mentalität der Katholiken liegt.

    Im ürbigen stimme ich Petra vollkommen zu (mal wieder).

    Noch besser als die französische ist natürlich die klassische amerikanische Regelung, die wirklich Kirche und Staat trennte. Leider ist man in den letzten Jahrzehnten dazu übergegangen, Religion und Gesellschaft trennen zu wollen, auch gegen deren Willen. Womit wir wieder beim Koptuchverbot der Türkei wären.

  3. Peter führt uns allerdings auch die Vorteile des Laizismus à la francaise vor Augen: Verstaatlichung von Kathedralen – als staatliche Museen, in denen es den armen Zurückgebliebenen erlaubt ist, ihre seltsamen Riten zu feiern – hin oder her: in Frankreich werden alle vor 1905 gebauten Kirchen vom Staat erhalten. Daher auch weniger Kirchenabrisse/-umwidmungen als in Deutschland (aber natürlich auch weniger Kirchen-Neubauten – ob das gut oder schlecht ist, bleibe dahingestellt).

  4. Aber nur, Petra, weil das ursprüngliche Vorhaben „Kathedralenverstaatlichung“ am Widerstand der Gläubigen gescheitert ist. Man wollte nämlich die Kathedralen verstaatlichen und sie dann genehmen Gruppierungen zur Verfügung stellen. Die sollten natürlich demokratisch organisiert sein und statt dem Bischof sollten dei Laien das Sagen haben. Daher auch der Name Laizismus. Aber die Laien wollten das gar nicht, haben sich teilweise heftig dagegen gewehrt und erreicht, daß die Verstaatlichung nicht durchgesetzt werden konnte. Der Staat erhebt natürlich bis heute seinen angemaßten Rechtsanspruch (und daher auch die Finanzierung der Erhaltung), aber die Kathedralen sthen trotzdem den „armen Zurückgebliebenen“ und ihren „rückwärtsgewandten Bischöfen“ offen.

  5. @fra- du brauchst dich nicht zu sorgen. In der BRD wird es keinen Laizismus geben – die Mentalität dazu fehlt hier. Hier wird sich die in den Staat integrierte Kirche einfach mangels Profil von selbst verabschieden und kampflos das Feld räumen. Dies nicht deshalb, weil sie an sich unfähig ist, sich neu zu orientieren, sondern weil sie nicht imstande ist, Nägel mit Köpfen zu machen und den Ernst der Lage nicht begreift. Es wird weiter eine Kirche geben, doch wird diese anders sein. Und diejenigen, die sich heute verbarrikadieren und am Symptom kurieren und anstatt die vom Konzil geforderte und angestrebte Öffnung der Kirche mitzutragen, diese Forderung untergraben und rückgängi machen wollen, werden dann halt das Nachsehen haben.

    Amerikanische Verhältnisse kann man nicht auf hier übertragen. In den USA war der Verzicht auf den Gottesbezug in der Verfasssung begründet durch die Erfahrungen der Einwanderer. Der Diskussion über den Gottesbezug in der EU-Verfassung stehen wir drüben etwas ratlos gegenüber – aber Europa ist nun mal kulturell anders aufgebaut. Da fällt es schwer, auf solche liebgewordenen gesetzlichen Stützen zu verzichten.

    Ich darf z.B. gar nicht über das groteske Verfahren der Kirchensteuer nachdenken …. Da fehlt mir das Verständnis dafür.

    Geronimo

  6. Mun, die Art wie in der BRD die Kirchensteuer eingezogen wird, ist doch eher die Ausnahme – wenn man sich mal so in anderen Ländern umschaut?

    Oder ist das auch etwa auch eine Heilige Kuh in der BRD, an der man nicht rühren darf?

    Geronimo *hoffntlichweiträumigdenFettnapfumsegelnd*

  7. Es kommt darauf an, wer rüttelt, und warum gerüttelt wird, und woran sonst noch gerüttelt wird.

    Ich bin sicherlich nicht der Lordsiegelbewahrer der Kirchensteuer (finde sie aber auch nicht so schlecht), aber wenn das im Namen des Laizismus oder einer angeblich angebrachten „strikten Trennung von Kirche und Staat“ geschieht, dann muß ich natürlich widersprechen.

  8. Geronimo, das „wer“ und „warum“ war nicht gegen Dich persönlich gerichtet, sondern allgemein gesprochen.

    Allerdings ist mangelndes Verständnis keine Grundlage für eine Diskussion.