Regelmäßige Leser dieses Notizbuches wissen, dass ich diese Frage umstandslos bejahe – zum einen aus empirischen Gründen, zum anderen aus theoretisch-theologischen Überlegungen heraus. Da kommt mir eine Rezension in der SZ mit der nämlichen Überschrift gerade recht. Die Frage geht, so lerne ich, zurück auf den Religionssoziologen Jean Baubérot: „Muss der Protestantismus sterben?“
Walter Sparn schließt seine Besprechung eines Buches von Martin Greschat mit diesen Sätzen:
Mit der „Leuenberger Konkordie“ von 1973 hätten die „Laien“ bislang nichts im Sinn, so Greschat, und die mit den Katholiken 1999 formulierte „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ bedrohe die Identität des numerisch ohnedies minoritären europäischen Protestantismus.
Statt fragwürdiger Bündnisse, so die Botschaft, ist die theologische Konfrontation mit der Moderne nötig, wenn der Protestantismus nicht sterben soll. Im nachchristlichen Europa, geprägt durch die Abkehr von Ideologien, durch Selbstbestimmung des Einzelnen und Diesseitigkeit, muss der Protestantismus sein Profil schärfen: So wird er wird sich im Wettbewerb mit anderen Sinnangeboten und Weltanschauungen behaupten. Denn sein Profil besteht genau in dem zu kritisch-aktiver Freiheit befähigenden Rechtfertigungsglauben des Einzelnen und in seiner „tiefen Diesseitigkeit“ in einer säkularen Welt, wie Greschat mit Dietrich Bonhoeffer pointiert. Und was wäre die Alternative zu Kirchenleitungskonferenzen? Ein europäisches Netz von „Partnerschaften von Ortsgemeinden, . . . unabhängig von ihrer Leitung“. Nun, das klingt schön, lässt uns aber fragen: Ob ein solches Netz die Strukturschwäche des Protestantismus, die Gestaltung der Institution Kirche, wirklich beseitigt?
Letztlich sind hier die beiden zentralen Schwachpunkte genannt, an denen der Protestantismus krankt – sein Identitätsproblem und seine Strukturschwäche. Überspitzt formuliert: Zu viele Protestanten bis hinauf zum Rang von Bischöfen wissen nicht mehr, was im Kern ihre konfessionelle Identität ausmacht. Der anti-institutionelle und zugleich anti-kirchliche Reflex verhindert bis heute die Entstehung einer langfristig stabilen Gestalt von Kirchekirchlicher Gemeinschaft. Ohne Kirchensteuer bleibt vom deutschen Protestantismus nicht mehr als eine lockere Vereinigung von quasi-freikirchlichen Gemeinden, die sich selbst genug sind.
Martin Greschat: Protestantismus in Europa. Geschichte, Gegenwart, Zukunft. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005. 175 Seiten, 29,90 Euro.
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Aber sie wird auch nicht dadurch falsch, dass sie Dir nicht in den Kram passt.
Welcher Protestantismus stirbt? Der, den Jean Baubérot und Martin Greschat meinen.
Ich für meinen Teil sehe zum einen den konfessionell begründeten (also an die klassischen Bekenntnisse gebundenen) Protestantismus auf dem absteigenden Ast. Bis auf protestantische Theologen kennt kaum jemand noch diese Bekenntnisse, geschweige denn, dass sie irgendwer für verbindlich halten würde. Konfessionen ohne Bekenntnis sind aber eine contradictio in adjecto und insofern langfristig instabil.
Selbst Protestanten vom Range eines Bischofs predigen solche Unverbindlichkeit, und das führt mich zum zweiten Punkt: Der landeskirchliche, durch Staatsverträge abgesicherte und durch Kirchensteuer finanzierte Protestantismus ist ein Auslaufmodell. Ihm ist es nicht gelungen, Strukturen zu entwickeln, die auch ohne Verträge und Steuern lebensfähig wären.
Das unterscheidet kirchliche Gemeinschaften protestantischer Prägung von der Kirche. Was würde nach dem Zusammenbruch des gegenwärtigen Systems der Verträge und der Kirchensteuer bleiben? Zwar träfe er die katholischen Apparate ebenso hart, aber dort blieben die Grundstrukturen der Ortskirchen mit ihren Gläubigen, Bischöfen, Priestern und Diakonen erhalten. Ein Blick in die Weltkirche zeigt ja, dass diese Ortskirchen unter extrem unterschiedlichen Bedingungen existieren können und nicht auf staatskirchenrechtliche Absicherung angewiesen sind.
Auf der anderen Seite bliebe nicht viel. Ohne Landeskirchen und ohne Bekenntnisse bleiben Gemeinden zurück, die nach freikirchlichen Vorbild auf sich selbst verwiesen sind. Darunter wird es sicher Gemeinden geben, die explizit konfessionelle Traditionen fortführen. Aber ihre Lebensfähigkeit entscheidet sich dann letztlich an der Frage, ob sie die zum Fortbestand nötigen Mittel selbst aufbringen können. Und das führt zwangsläufig zu freikirchlichen Strukturen.
Die Alternative dazu ist die Rückkehr nach Rom.
„ad nauseam“
Ich wäre Dir übrigens zu erheblichem Dank verpflichtet, wenn Du im Notfall anderswo kotzen könntest.
Da freue ich mich doch, dass Martin nicht das Oberhaupt der katholischen Kirche ist. Es hätte sonst im Jahr 2000 nicht das große Schuldbekenntnis, sondern das große „Wir sind besser!“-Bekenntnis der Kirche gegeben 😉
(Bitte nicht allzu erst nehmen, bestenfalls ein wenig)
Ich habe jetzt verschiedene Grade der Ernsthaftigkeit bei der Interpretation Deines Kommentars durchprobiert, aber bei keinem erschließt sich mir der Zusammenhang. Wie ziehst Du diesen Schluss? Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Natürlich würde sich kein Papst zur Zukunft des Protestantismus äußern. Das ist kein päpstliches Geschäft (und letztlich ja auch Sache der Protestanten). Mich hingegen geht das Thema schon deshalb an, weil meine Familie mit sechs von acht Beinen mehr oder weniger fest im Protestantismus steht.
Mit den beiden Bekenntnissen stelle ich zwei Haltungen gegenüber. Die eine davon scheint sich mir durch 90% Deiner Protestantismus-Postings zu ziehen. Das wird dann für protestantische Leser irgendwann mal ärgerlich.
Wo Du Deine Frau erwähnst: Was meint sie eigentlich zu Deinen Thesen, wenn ich fragen darf?
Sorry, aber dieser Haltungsquatsch geht mir furchtbar auf die Nerven. Ist das ein Surrogat für fehlende Argumente?
Ärgerlich für protestantische Leser darf das, was ich schreibe, gerne sein. Kann ich nicht ändern, wenn das, was ich für die Wahrheit halte, den einen oder anderen verärgert.
Da müsste man mich schon vom Gegenteil überzeugen – aber dazu braucht es mehr als windelweiche Benotungen irgendwelcher Haltungen. Nämlich Argumente, Fakten und dergleichen.
Meine Frau interessiert sich zum Glück nicht für den ganzen Kram. 🙂
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Auf Euer schwaches Nervenkostüm kann ich hier keine Rücksicht nehmen. 🙂
Aber ich nehme amüsiert zur Kenntnis, dass Argumente offensichtlich nicht mehr zu erwarten sind, sondern nur noch Mitteilungen über Befindlichkeiten. Und damit Ende der Debatte.