in Catholica

Geld ohne Gott

Gott ohne Geld – der Titel der Reportage, die ich gestern nach Harald Schmidt noch gesehen habe. Tilman Jens führte einen zum Teil bizarren Bilderbogen der Krise vor, von der die evangelischen Kirchen in Deutschland erschüttert werden. Natürlich mit Bildern von der Entwidmung der Hamburger Stephanuskirche und dem unvermeidlichen Kirchenkritiker (diesmal ein mir unbekannter, älterer Herr, nebenbei auch Journalist).

Was mich allerdings wirklich erschüttert hat, war der emeritierte Theologieprofessor Matthias Kroeger, der mehrmals mit reichlich schrägen Thesen auftreten durfte. Sein Plädoyer gipfelte in seinem wohlmeinenden Rat, doch auf Transzendenz und Jenseits zu verzichten und stattdessen das Du Gottes in der gesamten Welt zu suchen, die uns umgibt wie einen Fisch das Meer. Wenn das kein Pantheismus ist, was dann?

Kroeger verkaufte seinen Rat als echte Neuheit, was mich entweder an meinem, an seinem oder dem Verstand des Autors Tilman Jens zweifeln lässt. Ein wirklicher Tiefpunkt zeitgenössischer evangelischer Theologie. Das stützt die These, der Protestantismus sei nach knapp fünfhundert Jahren endgültig erledigt: Seine ursprünglichen Anliegen sind erfüllt, seine intellektuelle Kraft erschöpft. Was bleibt, ist nur noch Häresie. Wäre nicht 2017 ein guter Termin, die Reformation ad acta zu legen?

Von Matthias Kroeger stammen Bücher wie Im religiösen Umbruch der Welt – Der fällige Ruck in den Köpfen der Kirche oder Die Notwendigkeit der unakzeptablen Kirche – Eine Ermutigung zu distanzierter Christlichkeit. Zu letzterem hier eine relativ harsche Rezension. Auszug:

Sein Buch ist einfach in schlechter Verfassung: Professoral geschwätzig und derart undiszipliniert gegliedert, daß man oft vor lauter Ärger die Lust am Weiterlesen verliert. Einfach zwei Reden zusammenzuschustern, ohne sie auf Wiederholungen durchzusehen und in ein Ganzes zu überarbeiten, hat weder das Thema noch der Kunde verdient – egal, ob distanzierter, nicht distanzierter oder gar kein Christ!

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Kommentar

17 Kommentare

  1. Deine Schlussfolgerungen über den Protestantismus klingen dann irgendwie doch sehr böse – das mag vielleicht in Europa der Fall sein, aber in den USA erfreuen sich ja evangelikale Gemeinschaften durchaus regen spirituellen Lebens und viel Zulaufs.

    Und der von Dir zitierte Professor ist in diesen Gefilden auch keine Neuheit: schließlich konnte ja bei den Anglikanern (genauer: Episkopalkirche) ein Deist/Agnostiker sogar Bischof werden…

    Nicht, dass solche Leute bei uns Katholiken nicht vorkämen – nur hier kommt dann irgendwann die große, böse Glaubenskongregation daher und sagt ihnen, dass ihre Ansichten mit Christentum vielleicht doch nicht wirklich was zu tun haben…

  2. Der böse Klang war durchaus intendiert.

    Evangelikale haben, wie ich finde, nur noch ganz am Rande etwas mit Protestantismus zu tun. Mangels einer evangelikalen Theologie lässt sich aber selbst das nicht mit Sicherheit erkennen.

  3. Vielleicht sollte man eher vom Bankrott des evangelischen Landes- und Staatskirchentum sprechen. Übrigens hat auch Joseph Kardinal Ratzinger darüber (über dessen Absterben) gesprochen.

    Vielleicht erfolgt gerade aus diesem Gefühl des drohenden Nichts heraus das hektische Agieren so mancher Vertreter des in mancher Hinsicht fast schon bankrotten Unternehmens EKD in Hinblick auf Papst und katholische Kirche. Das ist wie mit einem Ertrinkenden: der schlägt auch wild um sich und teilt dabei harte Hiebe aus.

  4. Was das Staatskirchentum angeht, da liegt auch ein wunder Punkt des deutschen Katholizismus. Darauf hat jüngst erst Mosebach hingewiesen.

  5. Am besten doch immer schön vor der eigenen Haustüre kehren – Lk 18,14 ist für dieses selbstgefällige Gerede über den Protestantismus auf Ihrer Site vielleicht ein wenig zu viel der Ehre, aber die katholische Selbstgewissheit, die mit ihren seltsamen Pflänzchen wie Opus Dei und den jüngst entlassenen Bischöfen weit mehr mit (verdrängter) Kirchengeschichte als mit substantieller Theologie zu tun hat, führt jedenfalls nicht zu der Ökumene wie sie Jesus in der Pflege seiner Tischgemeinschaft vorgemacht hat.

    Schräge Vögel gibt es in allen Kirchen. Matthias Kroeger wurde in der Rezension jedoch lediglich wegen seiner Form „harsch“ kritisiert, nicht aber wegen seiner Ideen – die wurden hier immerhin noch als bedenkenswerte Impulse für bereits „distanzierte Christen“ anerkannt. Was er im TV zum Jenseits geäußert hat, ist womöglich vor demselben Hintergrund zu bewerten.

    Auch wenn wir Deutschen jetzt alle Papst sein sollen – ich lege keinen Wert darauf. Ich respektiere zwar Ihre Affinität zu dem Amt wie zu dem Amtsträger und erkenne auch an, dass Benedikt XVI. im Medienzeitalter einen werbewirksamen Fokus abgeben kann, aber solange er bei seiner erwiesenen Intellektualität das Diktum des Vorgängers von dem Nicht-Kirchesein der evangelischen Kirche nicht aufhebt, tradiert er ganz offensichtlich – wie alle anderen Päpste zuvor auch -lediglich eine unselige Machtpolitik, die dem, was Jesus wollte, Hohn spricht.
    Weltpolitisch ein bisschen Political Correctness und daneben innerkirchlich und innerchristlich ein bisschen mehr Despotismus vulgo Dogmatismus, reichen jedenfalls nicht aus – für keine der Kirchen! Der Herr sei mit uns allen …
    (Sehr schön, dass es jetzt z.B. in Baden-Württemberg einen Modellversuch eines von evangelischer und katholischer Kirche gemeinsam verantworteten Religionsunterrichtes geben soll.)

  6. Ihr Beitrag, lieber Anonymus, war nun ein ziemlicher Rundumschlag, nach dem Motto: Was ich schon immer mal sagen wollte…

    Lassen Sie uns doch erst einmal über Kroeger sprechen. Gern wüsste ich mehr über den Hintergrund, vor dem seine Äußerungen zu bewerten seien.

    Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Selbstgewissheit (i.e. Gewissheit über das eigene Selbst) auf allen Seiten zu den Grundvoraussetzungen der Ökumene schlechthin gehört.

    Mich irritiert am reflexhaften Geweine über Dominus Iesus vor allem dies: Da lehnen die Protestanten große und wichtige Teile dessen ab, was Kirchlichkeit im römisch-katholischen Verständnis ausmacht – und dann wundern sie sich darüber, dass jemand dies klar benennt? Wer nicht Kirche im vollen Sinne sein will, der kann auch nicht erwarten, so genannt zu werden.

  7. Was Sie mit „Rundumschlag“ abzuwerten versuchen, beantwortet doch Ihre Frage bereits:
    Dass Kroeger sich mit seinen Beiträgen offenbar nicht an ihres Glaubens so (selbst-)gewisse Menschen wie Sie wendet, sondern an jene, die sich aus verschiedenen Gründen von ALLEN christlichen Kirchen innerlich oder auch sichtlich verabschiedet haben. Ob seine Worte dafür die richtigen sind, darüber kann man sicher streiten.

    In das, was Sie meine an Ihnen kritisierte „Selbstgewissheit“ uminterpretieren, nenne ich übrigens „selbstbewußt“ oder eben „Selbstbewußtsein“ – dagegen habe ich natürlich gar nichts und stimme seiner Notwendigkeit auch aus den von Ihnen genannten Gründen zu.

    Die Antwort Ihres letzten Absatzes diskreditiert Sie im Sinne eines „Quod erat demonstrandum“ meiner ersten Ausführungen hinlänglich selbst.
    Dennoch hier ein weiterer Versuch, Ihnen auf die Sprünge zu helfen:
    Auch wenn in der medialen Öffentlichkeit oft genug die kirchengeschichtlichen Missetaten der katholischen Kirche unter „Die Kirche“ subsummiert und damit ungerechterweise meist auch allen anderen angerechnet werden, so ist sie doch nicht nur für mich lediglich eine der christlichen Kirchengemeinschaften. (Das nachgeschobene Verslein zur Legitimation des Papstums ist ja den ernstzunehmenden katholischen Theologen längst selbst verdächtig. Und ja, die protestantische Kirchengeschichte ist auch nicht ohne …)
    Dass wir evangelischen Christen eine Kirche sind, müssen wir von den Katholiken also nicht bestätigt bekommen, das wissen wir ganz „selbstbewußt“ schon selber – für ein partnerschaftliches, ökumenisches Miteinander ist aber die gegenseitige Anerkennung als Kirche nun einmal unabdingbar. Wir Protestanten versuchen das schon seit Jahrzehnten und weisen Katholiken u.a. weder vom Abendmahl noch vom ev. Religionsunterricht ab. Da haben Sie und Ihre Amtskirche noch einen weiten Weg vor sich …

    Aber das Reden über Dominus Iesus – letztlich doch die gemeinsame Essenz unseres Glaubens, oder nicht? – als „reflexhaftes Geweine“ abzutun und dafür an Sitten und Gebräuchen festzuhalten, die mit dem Titel „Dogma“ versehen z.B. Frauen noch immer aus den entscheidenden Kirchenämtern fern- und die an ihrer Überbevölkerung leidenden Kontinente dummhalten zu wollen, beweist lediglich eine Theologie des Machterhalts. Und wenn Sie als Katholik meinen, das Wort und den Inhalt „Kirche“ allein bestimmen, besetzen oder „im vollen Sinne benennen“ zu können, dann resultiert das genau aus dieser „Logik“, die mit dem Prädikat „arrogant“ noch schmeichelhaft erläutert wäre.
    Die Zumutung für mich daran: Jesus hätte selbst Leute mit Ihrer „Glaubensgewissheit“ nicht von der Tischgemeinschaft ausgeschlossen …

  8. Ob Sie es als abwertend empfinden oder nicht: Ich finde es schwierig, gleich ein ganzes Bündel von Themen auf einen Schlag zu diskutieren. Deshalb werde ich mal bei Kroeger bleiben. Ich fühle mich für dumm verkauft, wenn mir wirklich uralte Ideen wie der Pantheismus als Neuigkeiten angeboten werden. Das ist ein Muster, das ich in vielen heutigen Diskussionen finde. Die ältesten Häresien, mit denen sich die Konzilien der ersten Jahrhunderte schon herumplagen mussten, tauchen jetzt als angebliche Neuheiten wieder auf.

    Darf ich aus Ihren Ausführungen folgern, dass es in Ordnung ist, kirchendistanzierten Menschen statt der Botschaft Christi nun Irrlehren nach Gusto anzubieten? Hauptsache, das Deckmäntelchen ist zeitgemäß?

    Was den ekklesiologischen Ast der Debatte angeht, so bin ich doch immer wieder überrascht von der Aufregung, die völlig banale Selbstverständlichkeiten verursachen können. Noch Luther wusste, dass es (schriftgemäß!) nur eine Kirche geben kann. Vgl. das Nicäno-Konstantinopolitanum, das schließlich alle Christen anerkennen: Et unam, sanctam, catholicam et apostolicam Ecclesiam. (Luther verwarf, daran darf ich vielleicht erinnern, die römisch-katholische Kirche als Instrument des Antichrist.) Und spätestens seit dem II. Vaticanum wissen wir Katholiken, dass diese eine Kirche in der katholischen Kirche verwirklicht ist (Ecclesia subsistit in Ecclesia catholica). Mehr zu den Hintergründen in der Tagespost.

    Die evangelischen Landeskirchen hingegen erheben nicht einmal selbst den Anspruch, die (Universal-)Kirche (oder Ortskirche der einen Universalkirche) zu sein. Dem liegt eine völlig andere Ekklesiologie zugrunde. Und das lässt sich nicht durch eine wie auch immer ausgestaltete Mahlgemeinschaft übertünchen. Ich empfinde es eher als Zumutung, wenn Sie der katholischen Kirche ein reduziertes Verständnis von Kirche aufnötigen wollen, nur um der ökumenischen Kompatibilität Genüge zu tun.

    Es gäbe auch zu den übrigen Aspekten Ihrer Philippika noch etwas zu sagen, aber darauf verzichte ich jetzt.

  9. Danke für Ihre Geduld und den von Ihnen wie ein stichhaltiges Argument eingeführten Link-Hinweis auf den Artikel der Tagespost.
    Die darin getroffenen Kernaussagen Die Kirche gründet nicht auf der Heiligen Schrift allein, sondern auf der Schrift und der Tradition. Das „sola scriptura“-Prinzip ist nicht katholisch. und dazu die Aussage: Theologenmeinungen gehen in der Kirchengeschichte nicht selten in die Irre, ein Konzil nicht. – wiewohl in dem Artikel ja gerade ausgeführt wurde, dass es auf dem II. Vatikanischen Konzil angeblich zu gravierenden Übersetzungsfehlern aus dem Lateinischen in der Diskussion gegeben hätte, die nun endlich nach 40 Jahren revidiert würden – sind von der offenherzigen Borniertheit und Widersprüchlichkeit eines – pardon für den nun unvermeidlichen Kalauer – Teufelskreises, dass Ihre darauf begründenden Antworten bzw. Ihre Unfähigkeit zum Eingehen auf meinen eigentlichen Dialogversuch nur allzu verständlich ist. An dem Dialogversuch mit Ihnen festhalten zu wollen, wäre nun aber schlicht absurd.

    Fürs alltägliche Pfingsten kenne ich zum Glück so manch „gute Katholiken“, die Ihr hier eindringlich zum Besten gegebenes beinernes Klischee eines in jeder Hinsicht ungetrübten Katholizismus durchbrechen.
    Bleibt uns beiden immerhin noch das Vertrauen auf Gott, dessen Wege ja sogar „irgendwie“ für die römisch-katholische Kirche noch unerforschlich sein sollen …

  10. Bedauerlich, dass Sie nicht mehr als Rundumschläge zu bieten haben. Das erinnert mich an den „Hau den Lukas“ auf dem Volksfest. (Dort las ich den Hinweis „Rundschlag verboten“.) Insofern weiterhin gute Unterhaltung.

  11. Es ist nie zu spät. 😉

    Ich möchte mit einem Zitat von Walter Kard. Kasper antworten (auf englisch):

    The Council speaks of “elementa ecclesiae” outside the Catholic Church, which, as gifts belonging to the Church of Christ, are forces impelling towards Catholic unity.[7] The concept “elementa” or “vestigia” comes from Calvin.[8] Obviously, the Council – unlike Calvin – understands the elementa not as sad remains but as dynamic reality, and it says expressly that the Spirit of God uses these elementa as means of salvation for non-Catholic Christians.[9] Consequently, there is no idea of an arrogant claim to a monopoly on salvation. On the contrary, both the Council and the ecumenical Encyclical acknowledge explicitly that the Holy Spirit is at work in the other Churches in which they even discover examples of holiness up to martyrdom.[10]

    Similar declarations are made by the non-Catholic Churches. The Orthodox Churches claim even more “harshly” to be the Church of Jesus Christ.[11] The confessional texts of the Reformation also affirm that the true Church is present in them; they deliberately and critically made a point of striking themselves off from the then “Pope’s Church”, and the Reformed Churches continue to do so still today. No Church can speak of several duplicates or branches of the one Church of Jesus Christ all having equal rights, without renouncing the claim of being truthful. Every Church that takes itself seriously, must start from the fact that – for all human weaknesses – the true Church of Jesus Christ is present in it. The Catholic Church takes the other Churches seriously precisely in that she does not even out the differences nor does she consider these differences as being of “equal value”, but she respects the other Churches in the otherness which they claim for themselves. In that sense she speaks with them “par cum pari”, on a parity level, “on an equal footing”.[12]

    (Ich schreibe später noch etwas dazu.)

  12. Als vollständig ebenbürtig können sich unterschiedliche Kirchen (und kirchliche Gemeinschaften), die sich selbst ernst nehmen, niemals ansehen – das lese ich bei Kasper. Die una sancta kann nur eine korrekte Form haben, nicht mehrere zugleich. Das ist einfach nur Logik, nicht mehr.

    Oder anders gesagt: Wenn alle Kirchen vollständig ebenbürtig sind – warum schließen sich diejenigen, die dieser Auffassung sind, nicht Rom an? Sie würden doch nichts an Wahrheit verlieren. Oder doch?

  13. No Church can speak of several duplicates or branches of the one Church of Jesus Christ all having equal rights, without renouncing the claim of being truthful. Every Church that takes itself seriously, must start from the fact that – for all human weaknesses – the true Church of Jesus Christ is present in it.