Notizen aus dem Ekklesiolab
In den letzten Monaten habe ich meinem Chef geholfen, ein Buch über Transformationale Produkte zu publizieren. Einer der Kernthesen darin: Wer die Digitale Transformation beim Unternehmen beginnt, hat schon verloren. Erfolgreiche Transformation muss beim Produkt beginnen. Produktentwicklung wiederum beginnt beim Nutzer, bei seinen Erwartungen und seinem Verhalten, die durch erfolgreiche Produkte verändert werden und schließlich auch die Wertschöpfung verändern.
Meine These ist, dass sich das von Matthias Schrader entwickelte Modell zum einen aus dem digitalen Kontext lösen und somit verallgemeinern lässt. Zum anderen kann man es auch auf den kirchlichen Kontext anwenden. An dieser Stelle verzichte ich zunächst auf eine ausführliche Darstellung des Modells. Auf der #wewonder-Konferenz im Februar in Hannover sprach ich in einer Seilschaft mit Jonny Baker u.a. auch über Design Thinking, Service Design und Produktentwicklung im kirchlichen Kontext.
Mein Fazit: In aller Regel denkt im engeren kirchlichen Kontext niemand in Produktkategorien. Warum das so ist, ist eine interessante Frage, die zu untersuchen sich lohnen dürfte. Auch darauf verzichte ich an dieser Stelle. Hier will ich nur versuchen, in aller Kürze zu skizzieren, was kirchliche Produktentwicklung bedeuten würde.
1. Was sind kirchliche Produkte?
Die Liste ist lang und keineswegs vollständig: Gottesdienste, Predigten, Kirchenmusik, Sakramente, Seniorenkreise, Publikationen, Kirchenräume, Kindergärten, Altenheime, Seminare, Tagungen, Gemeindefeste, Krankenhäuser, Schulen, Klöster, Jugendgruppen etc. pp. Die Kirche bringt eine Vielzahl von Produkten auf ganz unterschiedliche Märkte, auf denen sie zum Großteil immer stärkerer Konkurrenz ausgesetzt ist. Alle diese Produkte kosten Geld, bringen aber auch welches ein, sodass sich der gesamte Apparat am Ende auf verschiedenen Wegen selbst finanziert.
2. Wie funktioniert kirchliche Produktentwicklung heute?
Je stärker die Konkurrenz und je weiter vom kirchlichen Kerngeschäft entfernt, desto professioneller das Produkt und die Produktentwicklung. Kirchliche Krankenhäuser, Schulen und Altenheime sind häufig besser als deren profane Konkurrenz. Hier liegt zweifelsohne ein gewaltiges Asset. Die Umkehrung gilt auch: Je geringer die Konkurrenz und je näher am kirchlichen Kerngeschäft, desto unprofessioneller das Produkt und die Produktentwicklung. Eine harte Aussage? Klar.
Aber bitte – wenn der sonntägliche Gottesdienst als eines der kirchlichen Kernprodukte nur noch von einer verschwindenden Minderheit der eigenen zahlenden Kundschaft wahrgenommen wird, dann ist das zuallererst eine gewaltige Ohrfeige für das Produkt. Irgendetwas läuft hier falsch. Vielleicht ist es gar kein Kernprodukt? Dann stellt sich die Frage nach dem angemessenen Ressourceneinsatz. Oder ist es doch ein Kernprodukt? Dann ist die Frage, warum es so wenig frequentiert wird.
Ein Wirtschaftsunternehmen jedenfalls würde ein Produkt mit solchen Kennzahlen normalerweise vom Markt nehmen. Und sich mindestens wünschen, bereits neue, attraktive Produkte entwickelt zu haben, bevor das Kernprodukt das Ende seiner Lebensdauer erreicht hat. Sicher kann man es noch für eine Weile subventionieren, sei es aus sentimentalen Gründen, sei es aus Gründen der Markenbildung. Aber auf Dauer stellt sich die Frage nach der Zukunft.
3. Wie würde kirchliche Produktentwicklung besser funktionieren?
Sie beginnt zunächst mit der Frage der Nutzererwartungen. Was erwarten die Nutzer heutiger kirchlicher Produkte, und wie kann man das Nutzererlebnis zehnmal besser machen als heute? Also nicht einfach nur etwas besser, sondern wie kann man es auf eine neue Ebene heben? Wie sieht die Nutzerschnittstelle aus, das User Interface? Welchen Nutzwert hat es? Gibt es funktionale und mentale Lock-ins? Wie ändern sich Nutzungsgewohnheiten? Wie sieht die Vermarktung aus?
Das sind Fragen, auf die Produktentwicklung in iterativen Prozessen nach Antworten sucht, angefangen von kleinsten Prototypen und Minimalprodukten (Minimum Viable Products) bis hin zum erfolgreich getesteten Produkt, das dann weltweit ausgerollt werden kann. Ein wichtiger Punkt noch zum Schluss: Das Scheitern ist Programm. Es geht darum, frühzeitig zu scheitern, Irrwege rechtzeitig zu erkennen und möglichst schnell zu korrigieren. Es geht nicht um die eine geniale Produktidee am Anfang, sondern um einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess.
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