Ein Nachtrag zum Nachtrag.
Wer jahrzehntelang das Einende betont und das Trennende marginalisiert und verdrängt hat, steht früher oder später vor der Frage, was eigentlich noch die Trennung von Rom rechtfertigt. Denn vom Trennenden darf ja nicht gesprochen werden.
Dieses Legitimationsproblem trifft, obwohl es jahrzehntelang anders aussah, den Protestantismus schärfer als die katholische Kirche. Denn die kann theologisch lupenrein erläutern, warum oberflächliche Konzepte von ökumenischer Einigung nicht ausreichen. Der protestantische Versuch, das Problem der Trennung durch Umdefinition des Begriffs Kirche zu lösen, war zwar in der öffentlichen Wahrnehmung erfolgreich, aber nicht in der Praxis.
Denn am Ende führt er in die Sackgasse. Auch wenn sich über längere Zeit der schwarze Peter nach Rom schieben lässt, weil dort das Trennende beim Namen genannt wird – irgendwann muss der Protestantismus die Frage beantworten, warum er von Rom getrennt ist. Dieser Frage lässt sich durch noch so brilliante Rhetorik nicht ausweichen.
Der protestantische Theologe Eberhard Jüngel, emeritierter Ordinarius für systematische Theologie und Religionsphilosophie in Tübingen, hat sie übrigens so beantwortet:
Man könnte zwar daran erinnern, dass nach evangelischer Lehre die römisch-katholische Kirche sich von der Kirche Jesu Christi weniger durch einen Mangel als vielmehr durch ein bedrohliches Zuviel unterscheidet und dass das Alte Testament und das Neue Testament bezeugen, wie wenig es dem lebendigen Gott gefällt, «wenn jemand etwas hinzufügt». Und man könnte aufzählen, was die Kirche alles zur Wahrheit des Evangeliums hinzugefügt hat. Schon der Apostel Paulus hat dem Apostel Petrus aus eben diesem Grund «ins Angesicht widerstanden».
Da haben wir ihn doch, den casus secessionis aus protestantischer Sicht. Wie soll, die Frage müsste Jüngel als nächste beantworten, dann die Einheit erreicht werden? Durch eine Reformation der katholischen Kirche? Die ist nicht zu erwarten.
Da der Protestantismus gar keine sichtbare Einheit in Einer sichtbaren Kirche will, stellt sich für ihn auch die Frage nicht.