Ein Glockenbauverein bemüht sich seit knapp einem Jahr darum, das Geläut der Kirche meiner Heimatgemeinde wieder zu vervollständigen. Im zweiten Weltkrieg waren die sechs Glocken der St.-Cyriakus-Propsteikirche enteignet und eingeschmolzen worden. Schon 1950/51 konnten die vier kleinsten Glocken ersetzt werden, die beiden größten jedoch fehlen bis heute. Für das kommende Jahr ist nun die Vervollständigung geplant.
Mein Vater, Jg. 32, hat uns schon als Kindern von den fehlenden Glocken berichtet und sich und uns gefragt, ob das Geläut wohl jemals wieder komplettiert würde. Nun scheint es bald soweit zu sein. Ich hoffe, dass ich bei der Einweihung der neuen Glocken dabei sein kann. In meiner heutigen Gemeinde hat nur eine der beiden Kirchen überhaupt Glocken, die Hauptkirche wurde seinerzeit ohne Glocken errichtet und hat seit kurzem ein winziges Glöcklein, das an einer Holzkonstruktion neben dem Haupteingang aufgehängt ist.
Auf der vor kurzem restaurierten Creutzburg-Orgel von St. Cyriakus hat nun Hans-Joachim Trappe, Direktor der Kardiologie im Marienhospital Herne, eine Benefiz-CD eingespielt, auf der auch das vollständige Geläut in einer Aufnahme von 1940 zu hören ist. Die CD kostet 15 Euro, online konnte ich sie allerdings nicht finden.
Die Enteignung und Zerstörung unzähliger Kirchenglocken in den beiden Weltkriegen ist eine Geschichte für sich. Die tatsächliche kriegswirtschaftliche Bedeutung des Glockenmetalls halte ich für ziemlich gering, die ideologische Bedeutung jedoch war hoch. Die Kirchen ihres Geläutes zu berauben war ein nicht zu überhörendes Warnsignal. So beseitigten oder schwächten die damaligen Herrscher vernehmbar die akustische Präsenz der Kirche und des Glaubens in den Städten und auf den Dörfern.
Heute braucht es nur misslaunige Nachbarn und willfährige Richter, um das Geläut in der Öffentlichkeit zurückzudrängen.
Ach, bist Du auch aus Duderstadt? Ja, die Türme der dortigen Propsteikirche sind in der Tat völlig unterbesetzt.