Seltsam. Da warnt der Augsburger Bischof Walter Mixa vor einem aggressiven Atheismus, und die organisierten Atheisten haben nichts Besseres zu tun, als ihre Aggressionen gegen Mixa zu richten?
Seltsam. Da warnt der Augsburger Bischof Walter Mixa vor einem aggressiven Atheismus, und die organisierten Atheisten haben nichts Besseres zu tun, als ihre Aggressionen gegen Mixa zu richten?
Wie so oft im Leben haben beide Seiten — und näherhin in unterschiedliche Leute beider Seiten in unterschiedlichem Maße — recht und auch wieder nicht. Das wird in diesem Forum natürlich (fast) niemanden so recht freuen — ist aber eben so …
Zunächst hat Bischof Mixa unrecht, wenn er das NS-Regime als „atheistisch“ bezeichnet — denn das war es einfach nicht (Schmidt-Salamon ist darin durchaus rechtzugeben). Es war in vielem antikatholisch, antichristlich — aber zwischen „antichristlich“ und „atheistisch“ liegen Welten! Schmidt-Salomon hat auch wohlbekannte historische Tatsachen auf seiner Seite, wenn er anführt, daß die Nazis die Freidenkerverbände auflösten und unterdrückten. Und wohlgemerkt: es gab vor 1933 keineswegs bloß Freidenkerverbände auf der Linken, sondern eine durchaus vielfältige bürgerlich-liberale Tradition dieser Richtung (Monisten etc.). Bei linken Verbänden könnte man die Unterdrückung noch als Kollateralschaden des Verbots linker Parteien interpretieren, aber bei bürgerlichen Freidenkern ist das unmöglich. Das einfach auszublenden ist entweder Unwissenheit oder sorglose (ich will nicht unterstellen: bewußte!) Geschichtsklitterung.
Bischof Mixa ist juxta modo hingegen durchaus zuzustimmen, wenn er sagt:
Schon etwas undifferenziert fällt folgendes Zitat aus:
Dazu ist zu sagen:
1.) nicht nur „Atheisten“ können der „Realität der Auferstehung von den Toten und der Erlösung vom Bösen“ bloß schaumgebremst begeistert zustimmen — auch alles, was als „liberale“ und „rationalistische“ Theologie bezeichnet wird, kann da auch nicht (oder doch nur sehr ansatzweise) mit.
2.) Eine Bestreitung der „Realität der Auferstehung von den Toten und der Erlösung vom Bösen“ nimmt deshalb den Menschen noch lange nicht den „Glauben an Gott“ — und worin darin eine Wendung „gegen das Heil des Menschen“ zu sehen ist, erschließt sich mir auch nicht ganz. Sonst wäre von jeder nichtchristlichen Religion ebenso die Aussage zu treffen, sie wende sich gegen das Heil des Menschen — was in einem traditionell angehauchten Katholizismus natürlich so gesehen, wohl aber von den allermeisten Katholiken mittlerweile längst nicht mehr so aufgefaßt wird.
Auf der Gegenseite: die Entgleisung einer Claudia Roth (Mixa sei ein „durchgeknaller Oberfundi“) charakterisiert diese Person hinreichend als fanatische Dreckschleuder — aber das sind wir von diesem Trampel (pardon l’expression) ja bereits gewohnt.
Schmidt-Salomon ist hingegen zu widersprechen, wenn er schreibt:
Das ist eine recht kühne Behauptung angesichts der bewußten Pflege eines „völkischen Christentums“ und eines Neuheidentums à la SS-„Ordensburgen“ etc. — der Verweis auf den Antijudaismus blendet aus, daß der Rassen-Antisemitismus eben genau nicht der Argumentation des christlichen Antijudaismus folgte!
Mein Fazit: eine — in einer Predigt durchaus verständliche — verkürzte und grob vereinfachende Darstellung durch Bischof Mixa wird von der linken Berufs-Antifa (und Konsorten) mit viel Gegacker kritisiert — wobei das Gegacker als „Agression der Atheistne“ zu bezeichnen, wohl auch überzogen ist. „Tant de bruit pour une omelette …“
Nein, es haben NICHT „beide Seiten recht“. Recht hat Bischof Mixa, wie meistens.
Liberale und rationalistische Theologie ist ein Oxymoron – verkappter Atheismus, der sich nicht als solcher zu bekennen wagt.
@diotima64:
Darf ich, verehrte Kollegin „diotima64“, daraus im Umkehrschluß folgern, daß jeder, der kein Atheist sein will, damit notwendigerweise eine illiberale und irrationale Theologie zu treiben hätte?
😉
Nein,weil nur selbst-definierte „Liberale“ jeden, der die Welt anders sieht als „illiberal“ bezeichnen und gleiches gilt für sogenannte „Rationale“. Alles bloß eine Frage der Begriffshoheit.
So wie „liberale“ und „rationalistiche“ Theologie sich selbst verstehen, ist es übrigens in meinen Augen durchaus ehrenvoll und erstrebenswert, für illiberal und irrational gehalten zu werden.
@diotia64:
Nun, das sehe ich etwas differenziert. Natürlich gibt es jene schwer erträgliche Sorte einer liberalen Theologie, die sich als Zuträgerin und spirituelle Hinterfütterung einer zeitgeistigen political correctness versteht. Dann gibt es aber auch eine Theologie der wissenschaftlichen Quellenkritik, des kantianischen Ethos etc. — m.a.W. das, was im Englischen als „rational minded“ bezeichnet wird.
Und vor dem Hintergrund dieser Theologie erscheint mir Ihre Ansage es sei „ehrenvoll und erstrebenswert, für illiberal und irrational gehalten zu werden“, dann doch etwas problematisch.
Warum sollte man diotima64 nicht zugestehen, es für ehrenvoll und erstrebenswert zu erachten, für illiberal und irrational gehalten zu werden? Pauschalurteile über andere zu fällen (in welcher Richtung auch immer) ist ja so einfach, dann muss man sich nicht wirklich mit den Inhalten auseinandersetzen. Mir persönlich ist das aber zu einfach, ich bevorzuge eine differenziertere Betrachtungsweise. Insofern finde ich die Ausführungen von LePenseur durchaus hilfreich, auch wenn nicht jeder seinen Schlussfolgerungen zustimmen muss. Auch die Warnung vor einem aggressiven Atheismus könnte übrigens schon als Aggression gesehen werden.
mf, ich halte es für ehrenwert, VON BESTIMMTEN KREISEN für „illiberal“ oder „irrational“ gehalten zu werden. Ich denke, wir wissen alle, welche Kreise gemeint sind… eben jene, die sich selbst als ach-so-liberal und alleinig-rational betrachten (meist, ohne es zu sein). Meine Äußerung war nicht undifferenzierter, als die von LePenseur, auf die sie antwortete.
LP,
es freut mich ganz besonders Ihnen was Ihr Eingangsposting angeht, zu 90% recht geben zu können.
Zwar haben nicht beide seiten gleichermaßen recht – das meiste was Mixa etwas unbeholfen stimmt, doch bleibt ein gewisser Rest, wo er zumindest sehr pauschaulisiert und Nichtchristentum mit Atheismus gleichsetzt. Die „atheistische“ Seite mag mit dem Nichtatheistmus des NS-Staats und den Frei“denker“verbänden rechthaben – das ist es aber auch schon. (Auch) Schmidt-Salamon scheint nur noble Atheisten und üble Christen zu kennen.
Allerdings machen Mixas Worte in einer bestimmten Weise Sinn: nein, nicht jeder der die Auferstehung leugnet ist ein verkappter Atheist. Kein Jude, kein Buddhist, kein Moslem, kein Hindu, der das tut ist ein verkappter Atheist. Aber jemand, der vermeintlich „christliche“ Theologie betreibt und dann die Auferstehung wegzuerklären sucht, der eben schon, denn er tut dergleichen ja eben auch dem Motiv des Unglaubens … nicht gegenüber Christus wie genannte Gruppen – das wäre zu verschmerzen und sei diesen Andersgläubigen geschenkt – sondern aus Unglauben gegenüber Gott selbst. (Ein gläubiger Jude oder Moslem und wohl auch Hindu würde ja niemals die Möglichkeit leugnen sondern nur die Tatsache im Fall Jesus.) Angehörige anderer Religionen kämpfen ja auch gewöhnlich aktiv nicht gegen Christus an, zumindest nicht in diesem Land (gewisse Abstriche natürlich bei Moslems in anderen Ländern und bei einem gewissen sich religiös gebenden Gremium in unserem), „rationalistische Theologen“ dagegen schon.
Zwei Einwände noch:
1. das Hinterfüttern der Political Correctness ist nicht das Problem. Diese ist ein Problem an sich, vom Inhalt ganz abgesehen. Genannte „Theologie“ ist aber ein Problem wegen ihres Inhalts.
2. Was denn nun? Rationalistisch oder Rational? Rational ist eine Theologie immer, denn sonst wäre sie nicht -logie. Vernünftig nicht immer. Rationalistisch ist aber etwas völlig anderes, nämlich die Ration als höchste und einzige (!!!) Erkenntnisquelle zu betrachten. Auch diese Haltung ist rational – aber vernünftig ist sie nicht.
Noch nie habe ich verstanden, wo der Unterschied zwischen rational und vernünftig liegen soll. Die ratio ist doch die Vernunft.
@str1977:
Es wird Sie nicht verwundern, daß ich einige Dinge in diesem Zusammenhang doch etwas anders sehe (na, wer hätte sich das gedacht 😉 …)
1.) ad „Auferstehung“:
Auch die Bestreitung der Auferstehung — genauergesagt: der Historizität, also der zeitlich und räumlich festlegbaren, theoretisch „photographierbaren“ Faktizität eines solchen Ereignisses, denn Auferstehung als Symbol, als mythische Metapher etc. wäre ja ganz was anderes! — macht einen noch nicht zum Atheisten. Sie wird einen in Ihren (und vieler anderer) Augen zum Nicht-Christen machen, obwohl ich diese Konsequenz auch eher für eine Definitionsfrage halte. Wer sich Jesus Christus und seine Lehren als Vorbild nimmt, ist wenigstens nicht weniger ein „Christianus“ als einer, der sich Plato (oder Konfuzius oder Buddha) und seine Lehren als Vorbild nimmt, eben üblicherweise als Platoniker bzw. Konfuzianer oder Buddhist bezeichnet wird.
Ich weiß natürlich, daß von Seiten vieler Christen nicht nur das „Vorbildnehmen-an“, sondern das „Glauben-an“ als Essentiale gesehen wird, aber ich teile diese Meinung eben nicht. Aber wie dem auch sei: auch als „Nicht-Christ“ ist man deshalb nicht notwendig Atheist, denn auch ein Theismus setzt nicht notwendig die historische Auferstehung Christi voraus (ein Deismus wird sie aus prinzipiellen Gründen wohl eher verneinen).
2.) „Rationalistisch oder rational“:
Diese Gegenüberstellung ist natürlich immer irgendwie polemisch! Was ich „rational“ nenne, werden Sie als „rationalistisch“, im Sinne von „übersteigert-nur-rational“, brandmarken, wogegen ich (ich geb’s ja zu!) bei Ihrer Charakterisierung der Theologie als notwenig „rational, da -logie“ etwas zu schmunzeln beginne und mir nur mit Mühe einige spitze Bemerkungen verkneife — aber das macht nichts! Wir werden einander auf diesem Terrain nicht überzeugen können, denke ich …
Was Ihre (negativ konnotierte) Charakterisierung des Rationalismus betrifft („die Ratio als höchste und einzige (!!!) Erkenntnisquelle zu betrachten“), so sehe ich das differenziert: als „höchste“ zweifellos, als „einzige“ wohl nicht! Denn es ist für mich ohne Zweifel so, daß die Prüfung und der Beweis eines Satzes durch die Ratio den höchsten intersubjektiv vermittelbaren Sicherheitsgrad dieses Satzes darstellt. alle „intuitive“, „mystische“ etc. „Sicherheit“ ist notwendig nur subjektives Erleben. Wenn Sie mir z.B. erklären, gestern Abend hätten Sie in einer meditativen Betrachtung die Herrlichkeit Gottes ein Stück weit erfahren können, dann kann ich Ihnen das glauben oder auch nicht — Sie können es mir nicht bloß nicht beweisen, Sie können es im wesentlichen Erleben wohl nicht einmal beschreiben oder sonstwie vermitteln, sondern mich nur einladen, ein ähnliches Erlebnis zu suchen (in der ungewissen Hoffnung, daß ich es dann auch finde).
Daß aber solche nicht-rationale Erkenntnisquellen existieren, das kann nur ein empiristischer Betonkopf bezweifeln — viel zu oft geschieht derlei im täglichen Leben, als daß die Standard-Ausrede materialistischer Empiristen „Das war eben Zufall“ besonders glaubwürdig klänge!
LP,
1.) Wo habe ich denn gesagt, die Bestreitung der Auferstehung – sei es im sinnvollen, bedeutsamen, christlichen geschichtlich-reellen Sinne, sei es im sinnlosen, unbedeutenden, nichtchristlich „symbolischen“ Sinne – mache einem zum Atheisten. Ich hatte eher den Eindruck, diese Schlampigkeit Bischof Mixas kritisiert zu haben. Die Trennung zwischen Christi Lehre und Person/Auferstehung ist auch hinfällig, da Christus erstens auch im Hinblick auf seine Person und seine Auferstehung lehrt, andererseits vieles seiner Lehre ohne dergleichen Torheit sein wird. Das unterscheidet Christus kolossal von Plato, Buddha oder Konfuzius, deren Personen innerhalb ihrer Lehren nichts zur Sache tun. Sie mögen diese Meinung nicht teilen, aber es ändert nunmal nichts an den Tatsachen.
2.) Die Gegenüberstellung „Rationalistisch oder rational“ ist nicht polemisch. Eher ist der Rationalismus an sich polemisch, wenn er beansprucht, er allein habe Vernunft. Die Begriffe zu verwischen hieße, nur Sozalisten seien sozial, nur Kommunisten hätten Gemeinschaft, nur Liberale kennten Freiheit etc. Natürlich ist eine Theologie (im engeren Sinne) notwendigerweise rational, denn sie ist eine Wissenschaft und operiert mit logisch-philosophischen Methoden. Auch Vernunftbelege bedürfen dessen, der sie Ihnen abnimmt, mithin glaubt. Und da sie immer auf Vorannahmen beruhen (schon allein die Vernünftigkeit und Verstehbarkeit der Welt wäre eine), können Sie niemals irgendjemand vernunftmäßig zwingen. Also lassen wir mal die subjektive Behauptung der Objektivität weg. Letztlich halte ich das Schauen immer noch für das unmittelbarere und sichere Erkenntnismittel als Glauben oder Wissen – bis hin zur Schau Gottes.
„Daß aber solche nicht-rationale Erkenntnisquellen existieren, das kann nur ein empiristischer Betonkopf bezweifeln — viel zu oft geschieht derlei im täglichen Leben, als daß die Standard-Ausrede materialistischer Empiristen “Das war eben Zufall” besonders glaubwürdig klänge!“
Solche Betonköpfe gibt es leider. Und ich meine ohnehin, daß Zufall bzw. die Zufallsbehauptung der Feind und das Ende jeder Wissenschaft ist.
@str1977:
Gute Replik, doch „schummeln“ Sie damit wieder Ihre vorausgesetzte Annahme in das Argument. Semantisch korrekt müßte es nämlich heißen:
Sie mögen diese Meinung nicht teilen, aber es ändert nunmal nichts an dem, was ich für die Tatsachen halte.
Aber ich gebe zu, daß das jetzt schon ein bisserl überkandidelt klingt …
Anyway: wir werden einander hier nicht überzreugen können, fürchte ich — oder: hoffe ich, denn sonst wäre ja nicht mehr viel für unsere Diskussionen übrig … 😀