in Catholica

ratio studiorum

Einmal im Jahr muss ich Umberto Eco zitieren:

»Tatsache ist, daß die Welt aufgeteilt ist zwischen Benutzern des Macintosh-Computers und Benutzern von MS-DOS-kompatiblen Computern.

Ich bin fest davon überzeugt, daß der Macintosh katholisch und DOS protestantisch ist. Genau genommen ist der Macintosh sogar gegenreformatorisch und von der „ratio studiorum“ der Jesuiten beeinflußt. Er ist heiter, freundlich, konziliant, er sagt den Gläubigen, wie sie Schritt für Schritt vorgehen müssen, um – wenn schon nicht das Himmelreich – den Moment zu erreichen, in dem ihr Dokument ausgedruckt wird. Er ist katechetisch: Das Wesen der Offenbarung wird mit einfachen Formeln und prächtigen Symbolen abgehandelt. Jeder hat ein Recht auf Erlösung.

DOS ist protestantisch oder sogar calvinistisch. Es erlaubt eine freie Interpretation der Heiligen Schrift, verlangt eine schwierigen persönlichen Entscheidungen, erlegt dem Benutzer eine subtile Hermeneutik auf und sieht es als gegeben an, daß nicht alle erlöst werden können. Damit das System funktioniert, muß man das Programm selbst interpretieren: Weit von der barocken Gemeinschaft der Feiernden entfernt, ist der Benutzer gefangen in der Einsamkeit seiner inneren Qual.

Sie mögen einwenden, daß das DOS-Universum mit dem Übergang zu Windows stärker der gegenreformatorischen Toleranz des Macintosh ähnelt. Das ist richtig: Windows stellt ein Schisma anglikanischer Art dar, große Zeremonien in der Kathedrale, doch da ist immer die Möglichkeit, zu DOS zurückzukehren, um die Dinge in Übereinstimmung mit bizarren Entscheidungen zu verändern . . .

Und der Maschinencode, der beiden Systemen (oder Welten, wenn Sie es vorziehen) zugrunde liegt ? Ah, das hat mit dem Alten Testament, mit Talmut und Kabala zu tun.«

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Kommentar

17 Kommentare

  1. Linux ist der illegitime Nachfolger des Calvinismus – also freikirchlich. Dazu passt auch, dass es von Linux unzählige Distributionen gibt.

  2. @Martin:
    Ts, ts… Du erschütterst mein Weltbild… Muss ich jetzt von der Linux-Verwendung abkehren und Bill Gates die Füße küssen? (Kann man es denn nicht so interpretieren, dass B. G. der Software-Antichrist ist??? Oder bin ich hier auch wieder zu sehr auf dem protestantischen Dampfer – „Hure Babylon“ und so? ;-))

  3. @Petra
    Von ihrem Wesen her sind OS X und Linux verwandt. Mit Windows hingegen haben beide nur insofern etwas zu tun, als das sie in der Lage sind damit Kontakt aufzunehmen.

  4. Petra, wieso? Ich nutze Windows und Linux, aber keinen Mac. (Obwohl – vielleicht sollte ich das mal mit meinem Beichtvater besprechen…)

  5. Ich frag meine Frau!

    Mal davon ab: Euer Computerchinesisch versteh ich nicht, aber ich versteh Bücher (gelegentlich) und sogar die von Eco (zumindest die volkstümlichen!)
    und der schreibt 1999:

    Dies..wurde vor sechs Jahren geschrieben. Inzwischen haben sich die Dinge geändert. Die diversen releases haben Windows…… dazu geführt, zusammen mit mac entschieden tridentinisch-katholisch zu werden. Die Fackel des Protestantismus ist in die Hände von Linux übergegangen.

  6. Im Falle von Linux ist doch die protestantische Vielfalt ein eindeutiger Vorteil gegenüber anderen Systemen. Und was die Sicherheit angeht wird Unix auch vom Vatikan geschätzt.

    Eher zweifelhaft finde ich daß Eco das OS des Bösen und Mac OS auf eine Stufe stellt…

  7. Um die Dinge richtig einschätzen zu können, muss man vielleicht wissen, dass Eco Atheist ist. Wenn auch einer mit profunden Kenntnissen in Theologie und Kirchengeschichte.

  8. Linux ist jüdisch. Es ist abstrakt. Ein System, unzugänglich, formelbehaftet, hyperrational, welches ständig diskutiert werden muss, von Experten. Man kann es nicht einfach „nutzen“, wenn überhaupt. Linux ist nicht „nützlich“. Es ist transzendent. Es möchte das ALL durchdringen mit dem Geist der Sprache. Es ist das All. Materie und Geist sind Eins in ihm. Dem ewigen und unendlichen Linux. OK, Installation und Nutzen im Alltag sind eingeschränkt – aber es gibt seiner Gemeinde die nötige Identität. Nicht jeder versteht es oder will es verstehen. Viele hassen Linux. Doch keiner braucht es. Wie auch Juden ohne Judentum ganz gut leben können, so kann man auch ohne Linux (Gott) ganz gut leben.

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  • fonolog.com » Blog Archive » Göttlicher Cyberspace 12. Dezember 2006

    […] Ein Theologe schreibt in der WELT über die religiöse Verehrung des Internet und die daran geknüpften Heilserwartungen. Auch bei den verschiedenen Computer-Benutzern kann er Religiöses erkennen, womit er wahrscheinlich nicht ganz Unrecht hat. Wo bleibt aber Linux zwischen den Fronten und welcher Denomination gehört es an? Diese Frage konnte schon bei Martin nicht endgültig geklärt werden. [via ME] […]