in Catholica

Keine Theorie

„Wie ein gewisser Karl Popper sehr richtig festgestellt hat, ist die Psychoanalyse keine Theorie, die man widerlegen könnte. Sie ist eine Praxis – eine Praxis, die so lange dauert, wie sie eben dauert.“ Jaques Lacan [Die Welt via Perlentaucher]

Könnte man solches nicht auch über das Christentum sagen? Keine Theorie, die man widerlegen könnte, sondern eine Praxis, die so lange dauert, wie sie eben dauert.

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Kommentar

  1. Nur weil Popper etwas gesagt hat, muß es noch nicht zwangsläufig stimmen. Ich hoffe daß „Schwarzbuch“ kommt auch bei uns auf den Markt, denn ich bin sehr gespannt darauf. Seitdem ich durch meine Arbeit zwangsläufig ständig mit Therapeuten zu tun habe, sehe ich meine Vorurteile gegen diese Zunft immer mehr bestätigt. Die allermeisten sind meiner Meinung nach tatsächlich Schwätzer und Quacksalber.

    Das Christentum kann man im Gegensatz zur Psychoanalyse aber nicht widerlegen. Das scheitert schon daran, daß man nicht beweisen kann, das es Gott nicht gibt. Allerdings kann man auch genausowenig beweisen das es ihn gibt.

  2. Das Christentum kann man im Gegensatz zur Psychoanalyse aber nicht widerlegen.

    Doch, schon (wenn auch nur sehr theoretisch). Man müsste nur beweisen, dass Jesus nicht auferstanden ist. (So gesehen ist das Christentum die einzige falsifizierbare Religion…)

    Es gibt mehrere Roman über diesen hypothetischen Fall – ich kann On the Third Day (1990) von Piers Paul Read empfehlen, einem katholischen englischen Schriftsteller, der in seinem Buch genau aufzeigt, dass es eben für das Christentum nicht egal ist, ob Christus auferstanden ist oder nicht.

    Wie willst Du eigentlich die Psychoanalyse widerlegen? „Schwätzer und Quacksalber“ ist ja doch eine sehr subjektive Einschätzung… 🙂

  3. Vielleicht verstehe ich euch falsch, aber ich denke, Eure Freude daran, daß man Psychoanalytiker widerlegen kann, geht an dem vorbei, was Popper sagen wollte: Die Theorie des Falsifikationismus, dessen wichtigster Vertreter (ihr Begründer, soweit ich weiß) Popper ist (und dessen imho beste Ausführung von Lakatos kommt), sagt, daß eine Theorie keinerlei wissenschaftlichen Gehalt hat, wenn sie nicht falsifizierbar ist, d.h. wenn es nicht mal die Möglichkeit einer Widerlegung gibt. Dann ist sie nämlich nicht streitbar. Nicht falsifizierbare Theorien sind entweder so schwammig formuliert, daß man sie immer so drehen und wenden kann, wie man will (wie ich es teilweise beim Kommunismus und eben bei der Psychoanalyse sehe, aber das ist meine Meinung), oder in sich Tautologien („Jeder Punkt von einem Euklidischen Kreis ist gleich weit vom Mittelpunkt entfernt“ oder das „berühmte Kräht der Hahn auf dem Mist ändert sich das Wetter oder es bleibt wie es ist“).

    Der Glaube an Gott ist nicht falsifizierbar. Es bräuchte eine höhere Macht als Gott, um ihn zu falsifizieren. Jedoch ist auch Gott nicht in dem Sinne eine wissenschaftliche Theorie wie, sagen wir mal das Bohrsche Atommodell, sondern ein Axiom, auf dem eine Wissenschaft aufbaut. Die Axiome ,die den Körper der reellen Zahlen bilden, sind auch nicht falsifizierbar, haben aber auch nicht den Anspruch. Hier kommen wir zu Lakatos‘ Forschungsprogrammen: Laut Lakatos besteht jedes Forschungsprogramm aus einem nicht falsifizierbaren Kern und einen „Ring“ von falsifizierbaren Hilfshypothesen, die den Kern umgeben. Im Christentum wären das bspw. Dinge wie die Lehre der zwei Naturen in Christus, die Dreifaltigkeitslehre, das Selbstverständnis Jesu oder der Sinn der Kirche. Das alles kann man anhand der heiligen Schrift und mithilfe der Kirchenlehrer durchaus untersuchen.

  4. Der Unterschied zwischen Christentum und Psychoanalyse ist, dass letztere sich für eine (Natur-)Wissenschaft hält und sich damit auch den Vorwurf gefallen lassen muss, nicht falsifizierbar und damit keine Wissenschaft zu sein.

    Geisteswissenschaften wie die Theologie sind was grundsätzlich anderes – wie willst Du denn das Gottmenschentum Christi falsifizieren? Deshalb habe ich auch gesagt, dass die Auferstehung (als Angelpunkt des christlichen Glauben) der einzige falsifizierbare Punkt bleibt. Hätte damals irgendwer die Leiche Jesu hergekarrt und sie öffentlich hergezeigt, gäb’s kein Christentum, weil damit die Apostel und ihre Behauptung der Auferstehung falsifiziert worden wäre. Ähnliches gälte für einen archäologischen Fund, der eine Leiche eindeutig als Jesus identifiziert (eine Hypothese, die Read in seinem oben erwähnten Roman aufstellt).

    Aber Gottmenschentum oder Dreifaltigkeit? Das kann man genausowenig verifizieren oder falsifizieren wie Gott.

  5. Falsch! Wenn man sich mit der Patristik auseinandersetzt, merkt man, wie stark man das falsifizieren kann. Der Dialog mit den messianischen Juden bspw. zeigt sehr wohl, daß da viel zu falsifizieren ist, genauso der Dialog mit den frühen Abspaltungen der Kirche. Wäre das nicht falsifizierbar, wäre das alles Ansichtssache, man könnte es halten wie ein Dachdecker und wir sollten uns fragen, wieso der Streit um die Natur Jesu (um ein Beispiel zu nennen) darart leidenschaftlich war.

    Du fügst selbr einen Punkt an, an dem das Christentum falsifizierbar ist. Ein anderer ist natürlich der Wert der Evangelien oder das frühe Christusbild (Können wir bei Paulus schon erkennen, daß das Christusbild dasselbe wie heute ist? Wenn es das nicht ist, wieso ist es das nicht?).

    Du hast jedoch recht, daß das Christentum eine der einzigen falsifizierbaren Religionen ist. Wenn man einer buddhistischen Gruppierung was sagen will, daß sie nicht Buddha entsprechend leben, antworten sie „Triffst Du den Buddha, so töte den Buddha“, oder versuch den Koran zu falsifizieren…