Kai Bremer in der Frankfurter Rundschau über den Augsburger Religionsfrieden:
„Leopold von Ranke zufolge endet mit dem 1555 in Augsburg verabschiedeten Religionsfrieden das Zeitalter der Reformation. Die hatte in Deutschland nicht nur zu gewaltigen Umwälzungen des religiösen Lebens geführt. Auch das politische Leben wurde in seinen Grundfesten erschüttert, was 1546/47 im Schmalkaldischen Krieg und im so genannten ‚Fürstenkrieg‘ zwischen dem Kaiser und den protestantischen Fürsten gipfelte. Das Reich bedurfte also des Friedens in religiöser wie in politischer Hinsicht.
Ob heute unter den Bedingungen der Massenmedien diesem Ereignis viel Aufmerksamkeit zuteil geworden wäre, muss fraglich bleiben: Kaum ein Prominenter war zugegen – kein einziger Kurfürst und nur wenige wichtige Reichsfürsten hielten sich damals in der Reichsstadt Augsburg auf. Statt dessen prägten Juristen und Diplomaten das geschäftige Treiben. Dessen Ergebnis, der Augsburger Religionsfrieden, der vor 450 Jahren am 25. September 1555 verabschiedet wurde, stieß bei den politischen und intellektuellen Eliten des Reiches nicht auf ungeteilte Zustimmung. Der reformierte Flügel der Protestanten musste ihn kategorisch ablehnen, weil neben der katholischen lediglich die lutherische Religionspartei‘, wie man zu dieser Zeit zu sagen pflegte, anerkannt wurde.
Das Ergebnis war also zwiespältig: Zum Einen wurde der Großteil der deutschen Protestanten durch die juristische Anerkennung im Religionsfrieden legitimiert – sie büßten damit immerhin ihren bis dahin offiziell gültigen Status als ‚Ketzer‘ ein. Damit verrechtlichte der Religionsfrieden gleichzeitig den tiefen Riss, der zwischen Lutherischen und Reformierten sich bereits aufgetan hatte. Wollten sie dem Reichsrecht entsprechen, waren von 1555 an lutherische Landesfürsten aufgefordert, calvinistische und zwinglianische Protestanten als Ketzer zu verfolgen, wobei die härteste Strafe in aller Regel die Verweisung außer Landes blieb.
Zum Anderen akzeptierten auch einflussreiche Katholiken den Religionsfrieden nicht. Denn er erkannte faktisch die Trennung zwischen Staat und Kirche in der Weise an, dass im Reich von nun an zwei Konfessionen offiziell neben einander bestanden, was dem kaiserlichen Prinzip, weltliches Oberhaupt der einen unteilbaren Christenheit zu sein, diametral entgegengesetzt war. Es verwundert deswegen nicht, dass insbesondere die intellektuelle Speerspitze der katholischen Kirche, der eben erst gegründete Jesuitenorden, aber auch prominente katholische Juristen im Umkreis des kaiserlichen Hofs massiv gegen den Religionsfrieden polemisierten.“
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