in Catholica

Atheismus

Für mich der zentrale Schwachpunkt des Atheismus: Er hat keine plausible Erklärung, warum es Religion gibt. Die Erwartungen der „Aufhebung“ (Feuerbach), des „Absterbens“ (Marx) oder der „Ablösung“ (Freud) sind allesamt nicht eingetroffen. Arne Trautmann, selbst Atheist, formuliert sein Erkenntnisproblem so:

Ist es – wie viele ja vermuten – „fest verdrahtet“ im menschlichen Hirn? Eine archaische Überlebensstrategie, ein Vorteil in den hunderttausenden Jahren von Jagen und Sammeln lang vergangener Zeiten? Eine Form von Sedativum, ein Rauschmittel, welches das Leben erträglicher macht und für das wir (wem?) dankbar sein sollten? Eine Agens zur Sicherung sozialer Strukturen der Herrschaft, Erhaltung der gesellschaftlichen Ordnung, also ein wirksames (und damit notwendiges) Mittel zur Strukturerhaltung? Und wenn es so „angelegt“, oder „vorgezeichnet“ ist, ein archaischen Programm, ein Instinkt, kann Glaube dann „richtig“ oder „wahr“ (in welchem Sinn auch immer eine Überzeugung oder Glaube „wahr“ sein soll)? Oder findet sich im Glauben doch eine Einsicht in eine tiefere „Wahrheit“ (was immer nun schon wieder Wahrheit sein soll), ist er „gegeben“?

Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es etwas ganz anderes. Etwas, das ich schlicht nicht verstehen kann. Aber dann frage ich mich, warum mir das Rätsel des Glaubens verborgen bleibt, wo es sich doch offenbar für so viele Menschen, heute lebende und aus vergangenen Generationen, so ohne weiteres enthüllt.

Das also ist die Faszination. Zu verstehen, warum Andere glauben und ich das nicht tue. Herauszufinden, ob ein großer Teil aller Menschen an einer art seltsamen „Disposition“ leidet oder ob das eher auf die Ungläubigen zutrifft. Und zu sehen, ob ohne Glauben etwas fehlt.

Als ich mich vor einigen Jahren gefragt habe, ob ich nicht konsequenterweise Atheist (oder wenigstens Agnostiker) werden müsste, da bin ich an einem Punkt gescheitert: Ich müsste ja dann, so dachte ich, 2.000 Jahre abendländischer Tradition als einen großen Irrtum betrachten, die Rede vom Christentum als etwas Erfundenes, zum Zwecke der Täuschung Ausgedachtes oder wenigstens auf Selbsttäuschung Beruhendes.

Das allerdings erschien (und erscheint) mir völlig unplausibel. Wie sollte diese Erfindung, Täuschung oder Selbsttäuschung denn vor sich gegangen sein, ohne Spuren zu hinterlassen? Warum sollten die frühen Martyrer ihr Leben lassen, für nichts und wieder nichts? Mir fehlte sozusagen der Hebel, mit dem ich das große Ganze aus den Angeln hätte heben können. Ich hielt es für völlig unglaubwürdig (sic!), dass Bachs Weihnachtsoratorium oder Mozarts Requiem Resultat eines gewaltigen Fehlers sein könnten.

Und ich habe bis heute keine plausible atheistische Theorie gehört, die schlüssig erklären könnte, warum es Religion gibt – wenn sie nicht wahr wäre.

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Kommentar

  1. …Etwas, das ich schlicht nicht verstehen kann. Aber dann frage ich mich, warum mir das Rätsel des Glaubens verborgen bleibt, wo es sich doch offenbar für so viele Menschen, heute lebende und aus vergangenen Generationen, so ohne weiteres enthüllt.

    Und auch bei ihm ist Sehnsucht zu spüren…

  2. Ich selbst habe – in meiner Zeit als Agnostikerin – mir über Dinge wie die Wahrheit des Christentums oder der Religion keine Gedanken gemacht.

    Wenn man damit aufgewachsen bzw. darin hineingewachsen ist, denkt man natürlich, dass Religion etwas ist, was die Menschen halt „brauchen“, um ihre eigenen Probleme zu überspielen, bzw. in das sie hineingeboren wurden, sodass sie gar nichts anderes kennen. (Deshalb auch hat mich das Zeugnis meines früheren Freundes so beeindruckt – da hat sich doch einer tatsächlich sehenden Auges dazu entschieden, katholisch zu werden…)

    Heute allerdings ist für mich das Zeugnis der Apostel (ihr gemeinsames Bekenntnis und ihr Martyrium) wohl der Eckpunkt meines Glaubens: wenn das, was die Apostel sagten, wahr ist – dass nämlich Christus von den Toten auferstanden ist -, ist alles andere auch wahr…