So manche Lehre der Kirche ruft beim ersten Hören einen gewissen Schrecken hervor. So auch die Sonntagspflicht.
Das Sonntagsgebot
2180 Eines der Kirchengebote bestimmt das Gesetz des Herrn genauer: „Am Sonntag und an den anderen gebotenen Feiertagen sind die Gläubigen zur Teilnahme an der Meßfeier verpflichtet“ (CIC, can. 1247). „Dem Gebot zur Teilnahme an der Meßfeier genügt, wer an einer Messe teilnimmt, wo immer sie in katholischem Ritus am Feiertag selbst oder am Vorabend gefeiert wird“ (CIC, can. 1248, § 1).
2181 Die sonntägliche Eucharistie legt den Grund zum ganzen christlichen Leben und bestätigt es. Deshalb sind die Gläubigen verpflichtet, an den gebotenen Feiertagen an der Eucharistiefeier teilzunehmen, sofern sie nicht durch einen gewichtigen Grund (z. B. wegen Krankheit, Betreuung von Säuglingen) entschuldigt oder durch ihren Pfarrer dispensiert sind [Vgl. CIC, can. 1245]. Wer diese Pflicht absichtlich versäumt, begeht eine schwere Sünde. [KKK]
Eine schwere Sünde? Das riecht doch geradezu nach übertriebener Strenge, wenn nicht nach Arbeitsplatzsicherungsmaßnahme katholischer Kleriker oder noch schlimmeren Dingen. Ich war auch etwas erschrocken, als ich dies vernahm. Es ist noch gar nicht so lange her, dass mir diese altbekannte, aber reichlich in Vergessenheit geratene Regel wieder ins Gedächtnis gerufen wurde. Und meine anfängliche Skepsis, ob sie angesichts der pastoralen Realität noch in die Zeit passt, war groß.
Was der Katechismus in seiner lakonischen Art auf die obige Feststellung folgen lässt, ist auch nicht unbedingt dazu angetan, den Skeptiker zu überzeugen:
2182 Die Teilnahme an der gemeinsamen sonntäglichen Eucharistiefeier bezeugt die Zugehörigkeit und Treue zu Christus und seiner Kirche. Die Gläubigen bestätigen damit ihre Gemeinschaft im Glauben und in der Liebe. Sie bezeugen gemeinsam die Heiligkeit Gottes und ihre Hoffnung auf das Heil. Sie bestärken einander unter der Leitung des Heiligen Geistes.
Letztlich fragt das Sonntagsgebot nach meinen Prioritäten: Was ist so wichtig, dass ich es der Eucharistie vorziehen müsste? Da kann es das eine oder andere geben, aber diese Frage ist in der Tat kritisch.
Heutzutage wird gern gefordert, man möge doch die Regeln ändern, weil sie ohnehin nicht einzuhalten seien. Ich bin da wiederum skeptisch: Fordert nicht das Evangelium dauernd Umkehr von mir? Umkehr setzt den Irrtum voraus, aber auch den richtigen und als richtig erkennbaren Weg. Mit welchem Recht schiebe ich die Forderung nach Umkehr zur Seite und stelle die Gegenforderung, die Abweichung zu legitimieren?
Am Ende des Tages geben auch die Zahlen der Sonntagspflicht Recht. Wenn durchschnittlich 15 Prozent der nominell katholischen Christen jeden Sonntag zur Messe gehen, aber keine 4 Prozent der nominell evangelischen Christen einen Gottesdienst besuchen, dann ist die Tendenz überdeutlich.
Freilich könnte man diese Dinge ja auch nach dem Prinzip der Freiwilligkeit machen. Die Kirche zeigt halt mit ihrer Vorschrift nur die Kenntnis jener tiefen psychologischen Wahrheit, wonach Leute Dinge, die man nicht unbedingt machen muss, bald als verzichtbar ansehen… 🙂 (Zumal hat der Herr bei den Juden selbst nicht viel Federlesens gemacht und gleich die absolute Ruhe am Sabbat eingeführt. ;-)) [Lumen de Lumine]
Am Freitag hörte ich im Radio ein Interview mit einem Rabbiner, der sich gegen Autofahren am Schabbat aussprach – auch nicht, um zur Synagoge zu kommen. Er sagte sinngemäß, dass ein Jude, dem der Schabbat und der Synagogenbesuch wichtig seien, auch in fußläufiger Entfernung zur Synagoge wohnen sollte. Und wem das nicht möglich sei, dem riet er zu einem Schabbat zu Hause. Denn die Ruhe am Schabbat sei heilig und solle nicht durch den Lärm, die Hektik und die Abgase des Autos gestört werden – weil dies dem Menschen schade.
Ich werde daran denken, wenn ich morgen mit dem Auto zur zwölf Kilometer entfernten Kirche fahre…
Ich werde daran denken, wenn ich morgen mit dem Auto zur zwölf Kilometer entfernten Kirche fahre…
Der Unterschied ist: bei den Juden ist das Gebot die Sabbatruhe; bei den Christen die Messpflicht…. (Nimm’s allerdings nicht so schwer: ich habe von einem Missionar, der in Papua-Neuguinea war, gehört, dass dort die Leute zwei Stunden zu Fuß in die Kirche gehen…)
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Schwere Sünde hat eigentlich nichts mit Einschüchterung zu tun, sondern ist ein terminus technicus für eine objektiv falsche (sündhafte) Tat, die – falls mit klarer Erkenntnis und bewusster Zustimmung begangen – die Abwendung des Menschen von Gott bedeutet, ihm also den Stand der Gnade nimmt. Mit anderen Worten: Wer so etwas tut, der hat ein echtes Problem.
Dass davon heute sehr viele Christen, auch bis tief ins katholische Kernmilieu hinein, nicht mehr viel wissen wollen, steht auf einem anderen Blatt. Der flächendeckende Zusammenbruch der Beichtpraxis spricht hier Bände. Ich halte diese Entwicklung für fatal. Aber das hat natürlich mit der Sonntagspflicht nicht viel zu tun, sondern eher mit einer insgesamt verfehlten Haltung zu den Geboten Christi und der Kirche.
Die entscheidende Frage ist: Was ist an der sonntäglichen Eucharistie so wichtig, dass ein Versäumnis ohne wichtigen Grund eine schwere Sünde ist? Nur darin besteht der Sinn des Sonntagsgebots – uns darauf mit der Nase zu stoßen, was Eucharistie und warum sie wichtig ist.
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wenn von Menschen gemachte Gebote der Kirche festlegen, wann jemand im Stand der Gnade ist und wann nicht
„Von Menschen gemachte Gebote“? Schau mal in einen Beichtspiegel: alle Fragen dort sind nach den Zehn Geboten geordnet.
Die Sonntagspflicht etwa bezieht sich auf das Erste Gebot: Du sollst neben mir keine anderen Götter haben. Denn was anderes ist es, wenn alles andere wichtiger ist, als Gott die Ehre zu erweisen?
Und die Kirche verlässt sich – in viel größerem Maße, als Du vielleicht glaubst – auf Gott, um zu beurteilen, ob jemand im Stand der Gnade ist oder nicht.
Mit der Warnung, bei schweren Sünden zuerst einmal zur Beichte zu gehen, bevor wir die Kommunion empfangen, schützt uns die Kirche ja davor, die Kommunion unwürdig zu empfangen, und uns damit erneut an Gott zu versündigen!
Ruft denn nicht der Apostel Paulus dazu auf, uns mit unseren Gegnern zu versöhnen, bevor wir zum Tisch des Herrn treten – weil wir nicht dazu würdig sind, den Leib des Herrn zu empfangen, wenn in uns Hass und Feindschaft herrscht?
Ich habe eine Stelle gefunden (nicht die, aber eine andere):
Denn sooft ihr von diesem Brot esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.
Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn.
Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon isst und trinkt, ohne zu bedenken, dass es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er isst und trinkt.
(1 Kor 11, 26-29)
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Ich habe mal eine Diskussion im Forum Kreuzgang herausgesucht, bei der genau diese Fragen besprochen wurden. (Man wird unschwer mein Stimmchen in jener Debatte heraushören.)
Hier ein paar weise Sätze von Peter aus diesem Kontext: „Reduzierst du die Feier der Eucharistie nicht auf ein merh oder eher weniger verbindliches Sonntagshappening mit Kind und Kegel, ein mehr oder weniger banales Ritual, dessen Nutzen es ist, Oase im Alltag zu sein, den Menschen sicherlich viel Trost und Kraft zu geben?
Wäre nicht das Bild der sonntäglichen Eucharistiefeier als Teilnahme am Ostergeheimnis, als Gegenwärtigsetzung von Tod und Auferstehung des Herrn das Heilszeichen schlechthin – und somit der «Feuerwehreinsatz», den jeder Christ, jede Christin, die durch das Kreuz Jesu erlöst sind, der Welt schuldig sind?
Wir haben uns daran gewöhnt, «Gottesdienst» als «Gott dient uns» zu buchstabieren. Ich meine aber, daß wir darin auch Gefahr laufen, zu einer reinen Konsumentenhaltung zu finden. Unser sonntägliches Zeugnis – vor Gott und der Welt! – ist ein Dienst, den wir Gott zur Rettung der Welt schenken können.
Die Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier ist meiner Ansicht nach keine Banalität, sondern Voraussetzung dafür, daß unsere Kirche und unser Land Segen erfahren können. Du stehst stellvertretend «für unser Land» vor dem Altar.
Indem die Kirche seit den Zeiten des Apostels Paulus so sehr betont, daß es vor Gott wichtig ist, daß du «den Zusammenkünften nicht fernbleibst», betont sie auch die Bedeutung des Herrenmahls. Und das ist in der Tat eine Frage von Leben und Tod. Nicht weniger als die spezielle Aufgebe des Feuerwehrmannes.
(Ich muß ja ehrlkicherweise zugeben, daß es auch in den letzten Jahren Sonntage gab, an denen ich ohne Not die Eucharistiefeier versäumt habe. Aber Sünde ist Sünde – auch wenn ich sie begehe.)“
Wer kann denn danach beurteilen, dass für mich Gott nicht an erster Stelle steht?
Hier geht es wieder um das sakramentale und gemeinschaftliche Verständnis von Kirche. Ich bin eben nicht nur alleine Christ, sondern in Gemeinschaft mit anderen – und wir alle gemeinsam bilden den Leib Christi.
Und zu diesem „Leibsein“ gehört schon seit den Anfängen nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch der Empfang der Eucharistie.
Natürlich, wenn das sakramentale Prinzip in der Kirche nicht (oder nur teilweise) anerkannt (und daher der Empfang der Sakramente nicht als heilsnotwendig angesehen) wird, dann erscheint die Pflicht, jeden Sonntag in Gemeinschaft den Herrn zu feiern und Sein allergrößtes Geschenk (nämlich Ihn selbst in der Eucharistie) zu empfangen, natürlich sinnlos. Wozu brauche ich denn andere Leute (und überhaupt eine Veranstaltung), wenn ich doch eh selbst allein zu Gott beten kann?
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Warum sind aber die Sakramente heilsnotwendig?
Weil sie von Gott eingesetzt sind.
Die große Frage, die den sakramentalen und den nicht-sakramentalen Zugang zum Christentum trennt, ist folgender:
Ist der Gott, der Fleisch geworden ist, bis zum heutigen Tag unter uns materiell präsent (in der Kirche, in den Sakramenten – insb. in der Eucharistie und in den geweihten Priestern)?
Oder ist Gott nur immateriell, als Heiliger Geist unter uns präsent? Wie passt aber das zur Tatsache, dass Gott „Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt“ hat?