Des öfteren war dieser Tage ein gewisses Erstaunen darüber zu vernehmen, dass „die Jugend“ den Papst trotz seiner etwas seltsamen Ansichten geliebt habe. Das Rätsel lässt sich lösen: Nicht trotz – wegen. Er hat niemanden nach dem Munde geredet. Der Kommentator der Wiener Zeitung Die Presse hat den Grund dafür erkannt:
„Die ‚Zweiteilung‘ in der Einschätzung der Regierungszeit Johannes Pauls, die sich jetzt abzeichnet, ist eine grobe Verkürzung: Man wird diesem Papst nicht gerecht, wenn man sagt, er sei zwar eine große, über die Grenzen der eigenen Kirche hinaus wirksame spirituelle Erscheinung gewesen, habe aber innerkirchlich durch seinen konservativen Kurs mehr Probleme geschaffen als gelöst. Der rigorose Kurs in Fragen der Glaubens- und Sittenlehre war nicht die andere, ‚dunkle‘ Seite Johannes Pauls, sondern die Grundlage auch für seine spirituelle Kraft. Und was für die Person des Papstes galt, gilt auch für die Zukunft seiner Kirche: Es wäre ein folgenschwerer Irrtum zu glauben, dass die Versöhnung mit dem herrschenden Zeitgeist das Akzeptanzproblem der Kirche in der heutigen Gesellschaft von selbst lösen würde.“
Schließlich hat sich Johannes Paul II. gerade als Kritiker des Zeitgeistes der Spätmoderne und der kultischen Verehrung von Konsum und Hedonismus profiliert. Daran sollte sein Nachfolger festhalten, meint die tschechische Zeitung Lidove Noviny:
„Dem Vatikan droht jetzt die Gefahr, dass er sich auf den Weg einer ‚Modernisierung‘ begibt, die die von Johannes Paul II. gesetzten Ansprüche aufweicht. Ein noch größeres Risiko besteht aber darin, dass die intellektuellen und politischen Eliten der so genannten entwickelten Welt den letzten Rest an Demut und Wachsamkeit verlieren, wenn sie nicht mehr mit der Kritik des Papstes am Konsumkult konfrontiert werden. Und auch nicht mit seiner Kampfansage an den modernen Hedonismus.“
[via Deutschlandfunk/Presseschau]