Irshad Manji, Kolumnistin der New York Times, in der Welt: „Für viele Europäer, die noch immer lebendige Erinnerungen an die intellektuelle Unterdrückung durch die katholische Kirche haben, ist Religion eine irrationale Macht. […] Anders in Amerika. Weil es eine Gesellschaft von Einwanderern ist, die religiöse Toleranz suchten, sieht dort niemand Religion als irrational – auch wenn das, was manche Leute damit anfangen, irrational ist, zum Beispiel Terror. […] Die massenhafte Einwanderung von Muslimen bringt den Glauben zurück in die Öffentlichkeit und schafft so eine post-aufklärerische Modernität in Westeuropa. Diese Wiederkehr der Religion bedroht den säkularen Humanismus, die Orthodoxie, die seit der Französischen Revolution alles dominiert hat. […] Ihr Säkularismus nimmt manchmal eifernde, missionarische – und darf ich es sagen – religiöse Züge an. Womit wir wieder bei der Frage wären, warum ich, eine unabhängige Frau, mich mit dem Islam abgebe. Die Religion verschafft einem eine Reihe von Werten, darunter auch der Disziplin, die ein Gegengewicht zum Materialismus des Westens darstellen. Ich hätte auch ein Renegat werden und durch die Einkaufszentren rennen können, um nach Erfüllung zu suchen. Ich habe es nicht getan. Die Religion setzt etwas dagegen. Sie erzeugt eine Spannung, die das Denken herausfordert und einen dagegen imprägniert, selbst zum Fundamentalisten zu werden. Der heutige Islam hat schwere Defizite, und das zu sagen macht mich in den Augen zahlloser Muslime zur Gotteslästerin. C’est la vie. Wenn sie sich von ihren Gefühlen nicht überwältigen lassen, werden sie die Tatsache würdigen, daß die Religion – gerade für die Rationalisten unter uns – ein Segen ist.“ [via credo ut intelligam]