Die Bordkapelle auf der Titanic

Erhard Eppler prägte 1975 den Gegensatz zwischen Wertkonservatismus und Strukturkonservatismus. Das war damals strategisch geschickt und mit einem gewissen Maß an Polemik gewürzt. Mir kam dieser Gegensatz wieder in den Sinn, als ich den Pfarreibesuch von Christian Hennecke und Christiane Müßig in Stade Revue passieren ließ. Der Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bischöflichen Generalvikariat Hildesheim und die Referentin für Lokale Kirchenentwicklung besuchen derzeit alle Gemeinden Pfarreien unseres Bistums, um über den Stand der Lokalen Kirchenentwicklung zu sprechen.

Christian Hennecke kann sehr charmant sein. Er formuliert so elegant, dass es den Angesprochenen vermutlich nicht einmal auffiel, was er ihnen sagte. Im Grunde hielt er nämlich den ängstlichen, um die Zukunft ihrer priesterlosen Gemeinde besorgten engagierten Katholiken entgegen, dass er sich um die Zukunft der Kirche keine Sorgen mache. In Zukunft, so Hennecke, werden halt ganz andere Leute Gemeinde sein als die, die er da vor sich hatte.

Das zu prognostizieren ist leicht, denn diese Leute, die er da vor sich hatte, strahlen so wenig Begeisterung aus, dass sie niemanden mehr für ihre Gemeinde gewinnen werden, die etwa 30 Kilometer von Stade entfernt mitten im Elbe-Weser-Dreieck liegt. Sie wenden alle verfügbaren Kräfte dafür auf, den Status quo möglichst lange zu erhalten, wissen aber genau, dass diese Kräfte zu Ende gehen. Die Stimmung ist so ähnlich wie auf der Titanic nach der Kollision mit dem Eisberg. Das Schiff gerät langsam in Schieflage, aber immerhin spielt die Bordkapelle noch. Näher, mein Gott, zu Dir!

Das ist ein gutes Beispiel für Strukturkonservatismus, wie ihn Eppler kritisierte. Dieser Gemeinde fehlt nach dem Selbstverständnis der engagierten Laien im Grunde nichts außer dem „eigenen“ Priester. Ach ja, und die Jugend gibt es auch nicht. Junge Erwachsene und Familien – ebenfalls Fehlanzeige. Ist überhaupt noch jemand unter 40 dabei? Hier wird es langsam knifflig, denn damit fehlen nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch schon deren Eltern.

Es bleibt die Generation der Großeltern, die zum Teil noch mit Druck dafür sorgt, dass ihre Enkel getauft werden, zur Erstkommunion gehen und die Firmung empfangen. Wobei meine eigenen Beobachtungen aus über zehn Jahren Taufkatechese ergeben, dass dieser Fall inzwischen recht selten geworden ist. Die Gründe liegen auf der Hand, denn die heutigen Eltern im Alter von Mitte 20 haben meistens selbst Eltern, die um die 50 sind. Diese Generation junger Großeltern steht selbst schon nicht mehr so eng zur Kirche, dass sie noch Druck ausüben würde. Darum ist es auch nicht schade.

Wie sehen wir eigentlich jene 95 Prozent der auf dem Papier stehenden Gemeindemitglieder, die sonntags nicht zur Messe kommen? Wie können wir ihnen dienen? Zwei Fragen, die Christian Hennecke an diesem Abend stellte. Dabei geht es ihm nicht so sehr um den sakramentalen Service, auf den ein guter Kirchensteuerzahler schließlich Anspruch zu haben meint, also um Taufe, Erstkommunion und Firmung für den Nachwuchs, kirchliche Heirat und schließlich Beerdigung durch einen Priester, festliche Messe zu Weihnachen und vielleicht noch Ostern. Sondern wirklich um die Frage, was wir für diese Menschen tun können, die doch zu uns gehören.

„Es kommt ja keiner“, lautet ein häufig in diesem Kontext geäußerter Satz. Wir sind ja eine offene Gemeinde, die jeden mit offenen Armen aufnehmen würde, aber es kommt ja keiner. Doch warum sollte jemand kommen? Der Auftrag des Herrn an seine Jünger lautet schließlich, zu allen Völkern zu gehen und alle Menschen zu seinen Jüngern zu machen (Mt 28,19). Gehen! Nicht darauf warten, dass jemand kommt. Und übrigens – alle vier Pfarreien im Dekanat Unterelbe wachsen von Jahr zu Jahr. Vermutlich dank Zuzug in den Speckgürtel Hamburgs, der die Verluste durch Tod und Kirchenaustritt überkompensiert.

Es kommt also doch jemand. Der Herr schickt uns Wellen des Wachstums, so ähnlich formuliert es der kalifornische Baptistenpastor Rick Warren. Unsere Aufgabe ist es, diese Wellen zu reiten. Eine gesunde Gemeinde wächst. Unsere Aufgabe ist es, gesund zu bleiben. Dann stellt sich das Wachstum quasi von selbst ein. Uns gelingt es bis jetzt nicht, die Neuankömmlinge zu Gemeindemitgliedern zu konvertieren. Unsere Strukturen stehen dem im Wege. Wie sehen gesunde Strukturen aus? In jedem Fall gehört dazu die sakramentale Struktur der Kirche, die durch den allgemeinen Rückgang zusehends unter Druck gerät.

An dieser Stelle hilft die Unterscheidung zwischen Wertkonservatismus und Strukturkonservatismus nicht weiter. Die soziale Struktur der Kirche kann, muss und wird sich ändern. Die sakramentale Struktur nicht. Sie konstituiert die Kirche. Die Botschaft bleibt stets die gleiche, und der Auftrag des Herrn für seine Kirche ebenfalls. Lokale Kirchenentwicklung läuft Gefahr, den mehr oder weniger zufälligen Ideen mehr oder weniger zufälliger engagierter Katholiken anheim zu fallen. Es sind aber nicht die Ideen, auf die es ankommt, sondern die Umsetzung. Daran mangelt es meistens.

Über Subjekt und Adressat lokaler Kirchenentwicklung

Wenn Subjekt und Adressat lokaler Kirchenentwicklung unklar sind, dann liegt die Frage nach dem Soll nahe. Und die Frage, wer eigentlich diese Vorgabe zu machen hat.

Die Antwort ist in die gesamte Existenz der Kirche eingeschrieben. Sie steht in Mt 28, 19-20: 

„Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“

Es handelt sich um den Auftrag des Auferstandenen, wie die Einheitsübersetzung diesen Abschnitt überschreibt, oder auch, etwas altertümlich formuliert, den Missionsbefehl Jesu. Nun ist diese Antwort offenbar nicht so offensichtlich, wie man sie womöglich gern hätte. Sonst würden sich diese Fragen ja gar nicht erst stellen. Halten wir also zwei Punkte fest:

  1. In den Konzepten lokaler Kirchenentwicklung ist die Frage nach Subjekt und Adressat nicht so klar beantwortet, dass die Antwort offensichtlich wäre.
  2. Der Auftrag, zu allen Völkern zu gehen und alle Menschen zu Jüngern Jesu zu machen, muss konkretisiert werden, um konkret zu werden.

Der erste Punkt liegt jenseits der Sphäre meines persönlichen Einflusses. Ich habe mir die Konzepte lokaler Kirchenentwicklung nicht ausgedacht, aber ich erlebe sie in der Praxis und stelle insbesondere die Defizite fest, die sich dabei zeigen. Was die Ursachen dieser Defizite sind, ist gar nicht so einfach festzustellen.

Der zweite Punkt hingegen hat mich dazu veranlasst, in unserer Gemeinde eine Bibelwerkstatt zu initiieren, um zu einer Verständigung über das Fundament zu kommen. Dies kann nicht einfach vorgegeben, sondern muss (wieder-)entdeckt werden, und zwar von der Gemeinde selbst. Diese Anregung verdanke ich dem amerikanischen Pastor Rick Warren.

Zu diesem Fundament gehört auch noch mehr, insbesondere Mt 22, 37-40:

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten.“

Die Antwort heißt also: Die Kirche kann gar nicht anders, als das Evangelium allen Völkern zu verkünden und alle Menschen zu Jüngern Jesu zu machen. Lokale Kirchenentwicklung kann daher nichts anderes heißen, als diesen Auftrag zu konkretisieren und auf die lokale Situation anzuwenden.

Die Gemeinde muss sich darüber verständigen, wer das Subjekt lokaler Kirchenentwicklung ist – die fünfprozentige Kerngemeinde oder die sehr viel größere Papiergemeinde? Oder gar ein Drittes? Und sie muss entscheiden, an wen konkret sie sich wenden will – an die nominalen Katholiken und Kirchensteuerzahler? Oder an das lokale Umfeld der Gemeinde? Und an wen dort konkret?

Darauf kann es keine pauschalen Antworten geben, sondern dies ist die Aufgabe jeder Gemeinde. Was allerdings nicht geht, ist Selbstgenügsamkeit. Lokale Kirchenentwicklung kann nicht heißen, dass eine fünfprozentige Kerngemeinde sich selbst genügt und keinerlei missionarischen Impuls entwickelt. Dann hätte sie ihren Auftrag verfehlt.

Lokale Kirchenentwicklung und der Spagat zwischen Kern- und Papiergemeinde

Die Kirchensteuer schafft eine heikle Situation, da sie letztlich, ob formal oder nicht, Ansprüche auf kirchliche Dienstleistungen entstehen lässt. Wer zahlt, der hat Anspruch auf die Taufe seiner Kinder, auf eine schöne Erstkommunion, Firmung und Trauung sowie schließlich auch eine kirchliche Beerdigung. Eine regelmäßige Teilnahme am Gemeindeleben ist dafür hingegen keine Voraussetzung.

In der Pfarrei, der ich angehöre, besuchen an einem durchschnittlichen Zählsonntag etwa fünf Prozent der Gemeindemitglieder eine Heilige Messe. 95 Prozent nehmen also dieses seelsorgliche Angebot nicht wahr, obwohl sie – soweit dazu verpflichtet – Kirchensteuer zahlen und damit letztlich den Apparat finanzieren, der diese und andere Angebote erbringt.

Dies zwingt das kirchliche Personal zu einem Spagat zwischen schrumpfender Kerngemeinde und – relativ oder in unserem Fall sogar absolut – wachsender Papiergemeinde. Nur wenige tragen das Gemeindeleben, aber viele erheben Anspruch auf kirchliche Dienstleistungen.

Die schrumpfende Kerngemeinde, tendenziell überaltert, zahlt kaum noch Kirchensteuer, während die kirchensteuerzahlenden Familien nur noch punktuell am Gemeindeleben teilnehmen. Es soll sogar schon Familien geben, deren Steuerzahler aus der Kirche ausgetreten sind, um Steuern zu sparen, während der Rest formal weiterhin zur Gemeinde zählt und kirchliche Dienstleistungen in Anspruch nimmt.

Lokale Kirchenentwicklung steht hier vor der dringenden Frage, wer eigentlich ihr Subjekt ist. Ist es die schrumpfende Kerngemeinde – und damit eine kleine Minderheit innerhalb der Papiergemeinde? Oder ist es die Gesamtheit der Gemeinde, unabhängig von ihrer Präsenz im Gemeindeleben?

Und ist sich, unabhängig von der Antwort auf diese Fragen, dieses Subjekt lokaler Kirchenentwicklung eigentlich selbst genug oder richtet sich ein missionarischer Impuls nach außen, ist Wachstum das Ziel? Je nachdem, wie die Antworten auf diese Fragen ausfallen, entsteht ein völlig anderes Bild.

Eine Fünf-Prozent-Kerngemeinde hätte zunächst einmal die anderen 95 Prozent als mögliche Adressaten. Hier wäre die Frage, was die eigentlich vermissen oder was sie davon abhält, häufiger als nur gelegentlich am Gemeindeleben teilzunehmen. Müsste sich womöglich die Kerngemeinde selbst ändern oder ist sie im Recht, und alle anderen im Unrecht?

In einer Diasporasituation, wie wir sie hier im Norden vorfinden, ist aber auch die Gesamtheit der Gemeinde wiederum eine kleine Minderheit in einer ansonsten protestantisch, muslimisch oder neuheidnisch-atheistisch geprägten Umwelt. Ein missionarischer Impuls, der sich in dieses Umfeld richten würde, träfe noch einmal auf völlig andere Voraussetzungen.

Lokale Kirchenentwicklung steht also auch vor der dringenden Frage, wer eigentlich ihr Adressat ist. Wer seine Zielgruppe nicht beschreiben kann, der spricht letztlich niemanden an. Da sind alle Mühen vergebens.

Gemeindeleitung: Team oder Gremium?

Im allgemeinen Sprachgebrauch gilt ein Team als eine Gruppe von Menschen, die einem gemeinsamen Ziel folgt und sich auf bestimmte Regeln der Zusammenarbeit geeinigt hat. Dabei ist es das gemeinsame Ziel, das ein Team von einem Gremium unterscheidet. Denn auch ein Gremium muss sich auf bestimmte Regeln der Zusammenarbeit einigen. Aber nicht jedes Gremium ist auch ein Team.

Der klassische Pfarrgemeinderat ist in jedem Fall ein Gremium, aber nicht unbedingt ein Team. Als Gremium bündelt er verschiedene, zum Teil auch widerstreitende Interessen und sorgt für deren Ausgleich. Er hat gewisse Entscheidungskompetenzen und ist ansonsten eine beratende Instanz für den Pfarrer und die pastoralen Mitarbeiter.

Wenn das lokale Gemeindeleitungsteam nicht mehr als ein Gremium ist, dann ersetzt es bestenfalls den Pfarrgemeinderat – es hat aber dann kein gemeinsames Ziel. Erst „eine Vision und ein Leitbild für die lokale Gemeinde“ (Martin Wirth) machen aus einem bloßen Gremium ein Gemeindeleitungsteam. Und wo Vision und Leitbild aus dem Fokus geraten, da hört ein Gemeindeleitungsteam auf, Team zu sein.

Die Folgen sind desaströs. Unklare Ziele und Anforderungen gehören zu den häufigsten Ursachen für das Scheitern von Projekten. Dies ist unabhängig davon, um welche Art von Projekten und um welchen Bereich es sich handelt. Ein Team wird dann meistens in Aktionismus verfallen, um wenigstens vorzeigbare Ergebnisse seiner Arbeit zu produzieren und die eigene Existenzberechtigung nachzuweisen.

Ein beliebtes Beispiel aus dem Gemeindeleben ist das Gemeindefest, für das meistens lange im Voraus ein Termin festgelegt und Verantwortlichkeiten definiert sind. Danach passiert häufig lange Zeit nichts, bis der Termin näher heranrückt und damit Dringlichkeit und Zeitdruck entstehen. Zuvor war das Gemeindefest zwar wichtig, aber nicht dringend, weshalb es aus dem Fokus verschwand.

Unter Druck entsteht schließlich ein Ergebnis, das Fest findet statt und kann durchaus als Erfolg betrachtet werden – allerdings ist dann die Frage, was eigentlich die Erfolgskriterien sind. Was waren noch gleich die Ziele und Anforderungen? Die fehlende Verständigung darüber direkt zu Projektbeginn führt dazu, dass Grundsatzfragen immer wieder im Projektverlauf anhand einzelner Details zu diskutieren sind.

Eine dieser Grundsatzfragen ist die Festlegung der Zielgruppe: Wen soll ein Gemeindefest eigentlich ansprechen? Aus dem berechtigten Anliegen heraus, niemanden ausschließen zu wollen, folgt gern ein diffuses „Alle“, das konsequent angewandt eigentlich „Niemand“ bedeuten würde. Da aber ein Fest, das niemanden anspricht, am Ende gar nicht stattfinden würde, werden in aller Regel, ausgesprochen oder nicht, eine mehr oder weniger diffuse Kerngemeinde und einige ihrer Gruppen angesprochen.

Beispiele: Sollen die Bewohner des angrenzenden Altenheims zum Kaffee eingeladen werden? Die Logistik erlaubt das nicht, zudem sind die wenigsten Besucher katholisch oder haben wenigstens Kontakt zur Gemeinde. Die Firmbewerber sind mehr oder weniger zwangsverpflichtet und kümmern sich um die Vorbereitungen sowie den Service. Die polnische Gemeinde wird einen Altar für die kleine Fronleichnamsprozession gestalten und auf diese Weise eingebunden.

Manches war bereits in der Vergangenheit so und wird nach Möglichkeit wiederholt („So wie beim letzten Mal“), anderes ergibt sich mehr oder weniger zufällig. Das Ergebnis gleicht eher einem Patchwork, und das muss gar nicht einmal schlecht sein. Es werden Begegnungen stattfinden, Menschen werden sich kennenlernen, und es wird so etwas wie Feststimmung aufkommen.

Doch wird das Potential hier wirklich genutzt? Wären ein paar mehr Gedanken über die Zielgruppe und – darauf aufbauend – das Konzept nicht von größerem Nutzen gewesen? Wenn das Gemeindefest wirklich so wichtig ist, warum nicht einmal grundsätzlich darüber nachdenken? Ist das Ziel mit dem Wort „Gemeindefest“ allein schon hinreichend beschrieben? Wohl kaum.

Ebenso wenig reichen Begriffe wie „lebendige Gemeinde“ oder gar „offene Gemeinde“ aus, um das Ziel – die Vision und das Leitbild – eines Gemeindeleitungsteams zu beschreiben. Solche Leerformeln geben keine hinreichenden Entscheidungskriterien an die Hand, um daran die eigene Arbeit auszurichten. Darunter lässt sich alles und nichts fassen. Das Resultat ist Beliebigkeit. Ein Profil sieht anders aus.

Das Ehrenamt als Lückenbüßer

„System der Kirche am Ende“. So titelte vor kurzem katholisch.de. Bei den Priesteramtskandidaten sei die katholische Kirche in Deutschland „quasi an der Nulllinie“ angekommen, so Hartmut Niehues, der Vorsitzende der Deutschen Regentenkonferenz, der deshalb für eine stärkere Einbeziehung der Laien in die Seelsorge plädierte.

Als Laie kann ich da mitreden. In den vergangenen zweieinhalb Jahren habe ich mein ehrenamtliches Engagement in der Gemeinde stark ausgeweitet. So bin ich seit knapp eineinhalb Jahren auch Mitglied des lokalen Leitungsteams und deshalb mit jenen Erneuerungs- und Veränderungsprozessen in Berührung gekommen, die im Bistum Hildesheim als Lokale Kirchenentwicklung bezeichnet werden. Mein Zwischenfazit fällt durchaus ernüchternd aus.

Diakon Martin Wirth definiert Lokale Kirchenentwicklung als innerkirchlichen Prozess,

„der der wachsenden Bedeutungslosigkeit der Kirche in der Gesellschaft glaubwürdig und überzeugend entgegentritt. Es ist die Frohe Botschaft Jesu Christi, die alle Glieder der Kirche zum Handeln drängt.“

Diese Definition ist gut und richtig. In der Praxis, wie ich sie derzeit erlebe, sind allerdings erhebliche Schwierigkeiten zu sehen.

So ist das Denken nach wie vor stark von vermeintlichen oder tatsächlichen Aufgaben geprägt, für deren Wahrnehmung nun, da die Zahl der Priester und der hauptamtlichen Mitarbeiter stetig abnimmt, eben die Laien (im doppelten Wortsinne) herangezogen werden. Damit dominieren vermeintliche oder tatsächliche Defizite und Lücken, die irgendwie gestopft werden wollen oder sollen.

Besser wäre ein ressourcenorientiertes Denken, das sich an dem orientiert, was da ist. Doch dieser Perspektivwechsel ist noch nicht vollzogen. So werden bestehende, ausgedünnte Strukturen und ehrenamtliches Engagement nach wie vor auf Verschleiß gefahren und Kräfte dafür gebunden, etwas aufrecht zu erhalten, was nicht mehr aufrecht zu erhalten ist.

Das Konzept der Lokalen Kirchenentwicklung scheint mir zudem nicht ganz zu Ende gedacht. Denn ohne Priester, und darauf läuft es – siehe oben – mittel- und langfristig wohl hinaus, gibt es keine Sakramente, außer vielleicht die Taufe. Eine partizipative Kirche der Laien kann sich nicht am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen. Ihre sakramentale Struktur kann nur so lange verdünnt werden, bis das letzte Atom verschwunden ist, um einen Vergleich mit der Homöopathie zu bemühen.

Was bei Fortsetzung des gegenwärtigen Kurses früher oder später geschehen wird, ist klar: Bistümer werden zusammengelegt wie jetzt schon Gemeinden, Pfarreien und Dekanate. Es werden Missionspriester aus anderen Erdteilen kommen und dieses Land von Neuem evangelisieren. Dies wird zum Teil erbitterten Widerstand der Alteingesessenen hervorrufen, die keinen Anlass sehen, irgendetwas zu verändern. Aber das dürfte keine Überraschung sein.