Erste Schritte mit dem Breviarium Romanum

Bekanntlich trage ich mich schon länger mit dem Gedanken, von der Liturgia Horarum auf das Breviarium Romanum umzusteigen. Sozusagen probeweise habe ich sehr günstig drei ziemlich abgegriffene Bände aus den 20er Jahren erworben, es fehlt also ein Band. Macht aber nichts, für das eine oder andere Completorium hat es schon gereicht.

breviarium_romanum

Heute abend nun habe ich zum ersten Mal eine Vesper daraus gebetet. Fünf Psalmen, Capitulum, Hymnus, Versum, Magnificat, Oratio, Conclusio und fertig ist die Hore. Das dauert auch nicht länger als die Vesper der Liturgia Horarum, die zwar nur zwei Psalmen und ein neutestamentlichtes Canticum enthält, dafür aber ein Responsorium und die Preces – die mit den Rubriken von 1960 abgeschafft wurden im Brevier nicht an allen Tagen vorgesehen sind. Weshalb ich sie in meiner Ausgabe überblättern muss. Bei dieser Anpassung hilft divinumofficium.com.

Die drei Bände sind auch im heruntergekommenen Zustand mit ziemlich zerfledderten Lesebändchen und abgewetztem Ledereinband noch ganz ansehnlich. Das Satzbild ist sehr viel schöner als das der Liturgia Horarum, der Goldschnitt ist noch ziemlich gut erhalten und die abgerundeten Ecken haben das dünne und dennoch stabile Papier weitgehend knitterfrei erhalten.

Außerordentlicher Podcast

Seit Juli, so meldet Exsultet, feiern die Benediktiner von Norcia ihre Konventsmesse in der außerordentlichen Form des römischen Ritus. Passend zu diesem weg- und zukunftsweisenden Schritt haben die Mönche außerdem die passende Technik installiert, um diese Messe täglich aufzuzeichnen und im Web zu veröffentlichen. Nach kleineren Startschwierigkeiten scheint dies nun recht rund zu laufen.

Wie es sich für eine Benediktinerabtei gehört, singen die Mönche Proprium und Ordinarium. Der Zelebrant intoniert die übrigen Teile, soweit nicht kanonisches Schweigen herrscht. Überhaupt strahlt der Podcast – und als solcher lässt er sich sehr einfach abonnieren, zum Beispiel mit iTunes – jede Menge Ruhe aus. Diese Messe ist vom sonst gewohnten liturgischen the-show-must-go-on, wo jede noch so kurze Pause von Orgelspiel übertönt werden muss, so weit entfernt wie Las Vegas von Rom.

Ich habe jetzt zwei Messen gehört und möchte diesen himmlischen Podcast schon nicht mehr missen. Das Evangelium der gestrigen Sonntagsmesse wurde übrigens zunächst auf Latein vorgetragen und anschließend auf Italienisch wiederholt, gefolgt von einer italienischen Predigt. Schön auch die offenbar große kleinkindliche Begeisterung, die nicht zu überhören war.

Die Liturgie in Königsmünster

Das Stundengebet in der Abtei Königsmünster wird auf Deutsch nach dem Benediktinischen Antiphonale von 1996 gehalten. Nach meinem Eindruck aus knapp vier Tagen hält sich der Konvent relativ eng an die Bücher. Insbesondere feiern die Mönche jene fünf Horen, die das Antiphonale vorgibt: Vigil, Laudes, Mittagshore, Vesper und Komplet. Und zwar jeweils als eigenständige Feiern. Nur sonntags finden Vigil und Laudes direkt hintereinander statt. Die Vigil hat dann, anders als werktags, nur eine Nokturn, heute wurde die zweite genommen. Laudes, Mittagshore und Vesper begleitet die Orgel, die Vigil wird größtenteils rezitiert und die Komplet ohne Orgel gesungen.

Der Tag beginnt mit der Vigil um 5.30 Uhr. Nach dem dreifachen Herr, öffne meine Lippen folgt ein täglich wechselnder Psalm zum Invitatorium, der gesungen wird. Danach wird die Tür zur Klausur geschlossen, die Mönche im Chor rücken zur Mitte hin auf, sodass zwischen ihnen keine freien Plätze bleiben. Genauso verfahren sie zur Mittagshore. Die übrigen Horen beginnen mit einem Einzug.

In der Vigil werden dann die Psalmen der beiden Nokturnen rezitiert, den jeweils längeren mittleren Psalm liest der Tischleser vor. Der Versikel entfällt, auf den Segensspruch folgt eine Lesung. In diesen Tagen wurden Dietrich Bonhoeffer und Karl Rahner gelesen. Als Responsorium sieht das Antiphonale jeweils einen Abschnitt aus Psalm 119 vor, responsorial vorgetragen. Danach folgt die zweite Nokturn. Ohne Lesung und Responsorium. Den Abschluss der Vigil, wie ihn die Mescheder Mönche singen, konnte ich im Buch bis jetzt nicht finden: Hymnus, Te Decet Laus oder noch etwas anderes? Die Vigil endet mit der Oration, ohne Segensspruch.

Interessanterweise hält das Antiphonale sonntags im Gegensatz zu den übrigen Tagen einen Hymnus gleich nach dem Invitatorium bereit. Die dritte Nokturn am Sonntag besteht aus einem Canticum. Weder Hymnus noch Canticum wurden jedoch gesungen. Sonntags beginnt die Vigil in Königsmünster erst um 6.15 Uhr, die Laudes schließen sich direkt an. An den übrigen Tagen ist zwischen Vigil und Laudes, die um 6.45 Uhr beginnen, eine stille Zeit. Zu den Laudes werden vier Psalmen gesungen. Auf die Kurzlesung folgt eine lange Pause, bevor die Mönche das Responsorium und den Hymnus singen.

Übrigens lassen sie einige, in eckigen Klammern angegebene Psalmverse weg. Das Vorwort zum Antiphonale schreibt dazu:

Auch sogenannte „schwer vollziehbare“ Stellen sind nicht eliminiert (wie in der Liturgia Horarum), sondern lediglich durch eckige Klammern gekennzeichnet, für jene, die den „Mut zur ganzen Schrift“ nicht aufbringen können und sie übergehen wollen.

Als Cantica in den Laudes wie auch in der Vesper sieht das Antiphonale nicht etwa täglich Benedictus und Magnificat (und Nunc Dimittis in der Komplet) vor. Das Benedictus wird am Sonnabend gesungen, das Magnificat in der Ersten Vesper vom Sonntag. Das schon erwähnte, wortreiche und streckenweise leicht apologetisch gehaltene Vorwort merkt dazu an:

Obwohl die „klassischen“ Cantica de Evangelio durch ihren bevorzugten Einsatz an Festtagen auch im vorliegenden Antiphonale ihren traditionellen Rang erkennen lassen, sind sie hier nicht täglich vorgesehen. Dieser gewiß hohe Preis ist unseres Erachtens zu zahlen, wenn die anderen Cantica aus dem Neuen Testament – deren Aufnahme ins Stundengebet vielen als die bedeutendste Frucht seiner Reform gilt! – an einem ihrer Herkunft und ihrer Aussage angemessenen Platz innerhalb der Hore gesungen werden sollen. Sie werden hier also nicht der Psalmodie angehängt (oder gar ganz eliminiert), sondern es ist ihnen der prominente Platz eingeräumt, den vor der Reform einzig Magnificat und Benedictus innehatten. (Bei einer Umfrage in sechs Klöstern votierten für diese Praxis – nach mehreren Jahren der lebendigen Erfahrung mit ihr – von 307 Konventualen nicht weniger als 253!)

Wer wie ich die Liturgia Horarum betet, für den ist das zuerst verblüffend und dann ungewohnt, aber auch nicht ohne Reiz. So wird in den Laudes am Sonntag der Johannesprolog gesungen, einer der faszinierendsten Texte der Bibel. Das Nunc Dimittis, nach römischen Brauch das Canticum der Komplet, beschließt die Vesper am Mittwoch.

Die Mittagshore um 12.45 Uhr (sonntags schon um 11.45 Uhr) ist mit einem längeren Psalm, Kurzlesung und Responsorien sowie einem oder mehreren weiteren Psalmen versehen. In Königsmünster wurde während meiner Anwesenheit nur der erste Psalm gesungen. Daher nehme ich an, dass die übrigen Psalmen in der zweiten Woche genommen werden. Das Antiphonale sieht zudem die Möglichkeit vor, statt einer Mittagshore bei Terz, Sext und Non zu bleiben, mit der zweiten Psalmenreihe sowie dem sonst als Responsorium der Vigil verwendeten Psalm 119.

Im Konventamt um 17.45 Uhr finden sich die (außer dem Salve Regina am Schluss der Komplet) einzigen lateinischen Gesänge. Proprium und Ordinarium werden aus dem Graduale Triplex gesungen, allerdings während meiner Anwesenheit ohne Graduale (nur Alleluia vor dem Evangelium) und ohne Offertorium. Die Vesper schließt sich in Königsmünster direkt an das Konventamt an, nur sonntags findet das Konventamt um 9.30 Uhr statt und die Vesper um 17.45 Uhr. Die Komplet wird um 20.15 Uhr gesungen, freitags schon um 19.40 Uhr.

Das nüchterne, relativ schlichte Stundengebet nach dem Benediktinischen Antiphonale passt gut zur Architektur der Abteikirche wie der gesamten Abtei. Die gesamte Anlage und auch das Leben in ihr, soweit ich das einschätzen kann, sind geradezu ein Musterbeispiel nachkonziliarer Reform.

Mir persönlich erscheint das alles sehr nüchtern. Auch melodisch erinnert vieles im Antiphonale an die eher drögen Gottesloblieder aus den 50er bis 70er Jahren. Das fällt hier besonders im Vergleich mit dem Graduale Triplex auf.

Der Münsterschwarzacher Psalter ist schön, aber nach gut zwei Jahren mit der lateinischen Liturgia Horarum ist mir ein deutscher Psalter zu transparent und zu anstrengend. Ich kann der Textflut kaum folgen. Das Latein bietet da mehr Freiräume. Und die nahezu vollständige Eliminierung des Latein aus der Liturgie hinterlässt einen faden Beigeschmack.

Mir erschließt sich immer weniger, worin der Gewinn einer rein muttersprachlichen Liturgie besteht. Nach vierzig Jahren ist diese zum Normalfall geworden, die früheren Verhältnisse haben sich praktisch umgekehrt – und damit auch die liturgischen Probleme und Schwierigkeiten. Jetzt ist das Alte das Neue. Und das Neue sieht schon ganz schön alt aus.

Meine erste Messe im usus antiquior

Vor zwei Jahren hat Papst Benedikt XVI. das Missale und die übrigen liturgischen Bücher von 1962 wieder zugelassen. Ihre Feier bildet nun die außerordentliche Form des römischen Ritus.

Verschiedene Umstände haben dazu geführt, dass ich erst vor kurzem zum ersten Mal eine Messe im usus antiquor besuchen konnte. So gibt es im ganzen Bistum Hildesheim nach meiner Kenntnis überhaupt nur zwei Orte, an denen regelmäßig die alte Messe gefeiert wird. Einer davon ist Hannover, wo dies ein Priester der Petrusbruderschaft tut. Den zweiten habe ich besucht.

Der dortige Pfarrer, zuvor Kaplan in S., hat nach dem Motu Proprio vom 7. Juli 2007 begonnen, sich mit der alten Messe vertraut zu machen. In seiner neuen Gemeinde fand er nicht nur einen prächtigen barocken Hochaltar vor, sondern auch eine Vielzahl liturgischer Gewänder mit allem, was das Herz begehrt (Manipeln!), und die entsprechenden Messbücher.

Im vergangenen Jahr begann er, zunächst für sich allein die alte Messe zu zelebrieren. Nach einiger Zeit baten einzelne Gläubige, daran teilnehmen zu dürfen. Bis zum Herbst war daraus eine gewisse Regelmäßigkeit gewachsen. Seit dem 1. Advent steht der regelmäßige Messtermin nun auch im Pfarrblatt.

Für eine Werktagsmesse am Sonnabend um 8 Uhr ist sie sehr gut besucht. Messdiener fehlten, da Ferienzeit, als ich dort war. Ebenso Gesang, es war eine stille Messe, mit Ausnahme des Salve Regina am Schluss. Ein Teil der Gemeinde saß im Chorgestühl, der Rest in den Bänken. Als Kommunionbank war eine Kniebank im Mittelgang vor dem Volksaltar aufgestellt.

Die Gemeinde sprach sämtliche Antworten, die sonst von den Ministranten übernommen werden. Aus der Anfangszeit, als die alte Messe noch ohne Ministranten auskommen musste, ist sie bestens geübt. Epistel und Evangelium trägt der Pfarrer auf Deutsch vor, versus Dominum die eine, gen Norden das andere. Auch das dreifache Domine, non sum dignus vor der Kommunion betet die Gemeinde auf Deutsch.

Sonst alles Latein oder Schweigen. Es ist wirklich außerordentlich. Nach vierzig Jahren Messe in der ordentlichen Form und ganz überwiegend auf Deutsch ist das Latein an sich schon wieder das Neue. Das Alte ist das Neue. Et renovabis faciem terræ.

Etwas überrascht hat mich die Selbstverständlichkeit, mit der die Gemeinde tätig an der alten Messe teilnahm. Es schien so gar keine Irritationen zu geben, die Messe fügte sich organisch ins liturgische Leben ein. Sie hatte auch nichts Verbotenes, Subversives oder gar Reaktionäres. Sie war schlicht und einfach eine Messe. Deo gratias.

Der wahre Grund für die Aufregung um die Piusbrüder

Lange Zeit habe ich nicht verstanden, woher die innerkirchliche Aufregung um die Aufhebung der Exkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius X. rührte. Insbesondere die deutschen Bischöfe haben sich ja in dieser Sache mehrheitlich nicht besonders klug verhalten, als sie unrealistische Forderungen stellten, für die zudem jegliche Rückendeckung aus Rom fehlte.

Aber auch ihre Verteidigungslinie gegen Angriffe aus kirchenfeindlichen Kreisen und von innerkirchlichen Opponenten hatte die Mehrheit der Bischöfe wenig vorausschauend gewählt. So ist die ständige Betonung, die Priester und Bischöfe der Bruderschaft seien weiterhin suspendiert und übten ihr Amt nicht rechtmäßig aus, nicht mehr als eine vorübergehende Beschwichtigung. Denn schließlich ist es das erklärte Ziel auf beiden Seiten, in Rom wie in Econe, im Vatikan wie am Sitz der Priesterbruderschaft, diesen Zustand zu beenden und die volle Einheit mit dem Papst und der ganzen Kirche wiederherzustellen. Wenn das erreicht ist, was wollen die deutschen Bischöfe dann sagen?

Nein, der wahre Grund für die ganze Aufregung sind nicht die skurrilen Ansichten eines extravaganten und suspendierten Bischofs. Die Wortführer auf Bischofssitzen, in allerlei Ämtern, Einflusspositionen und Redaktionsstuben beschleicht vielmehr die dumpfe Ahnung, dass sie ihre Mehrheit im Kirchenvolk längst verloren haben könnten. Sofern sie diese jemals besaßen und es ihnen nicht nur gelungen war, die mit ihrem vermeintlich durch das jüngste Konzil gedeckten Reformkurs nicht einverstandene, aber unter den Vorzeichen der Schweigespirale (Noelle-Neumann) schweigende Mehrheit zu marginalisieren.

Ich habe in meiner Gemeinde noch niemanden getroffen, der die liturgischen Eskapaden des nicht so wichtigen Pfarrers billigen oder gar gutheißen würde. Den Messdienern ist das alles peinlich, auch die Kommunionhelfer machen keinen glücklichen Eindruck, die Jugendlichen finden es blöd und zogen dem Pfarrer stets die beiden letzten Kapläne vor, der eine katholischer als der andere. Und auch im übrigen Kirchenvolk konnte ich bis jetzt niemanden finden, der den liturgischen Stil des Pfarrers goutiert, aber viele, die darüber verzweifeln oder den Messbesuch vernachlässigen, weil sie das Kaspertheater nicht mehr ertragen.

Die Gründe, warum diese Missstände trotzdem fortbestehen, sind vielfältig. Zu ihnen gehört, dass dieser Pfarrer sich immer noch im Einklang mit der vorherrschenden Interpretation des Zweiten Vaticanums und dessen Reformwillens wähnen kann. So absurd das schon bei nur oberflächlicher Kenntnis der einschlägigen Konzilstexte auch erscheinen mag. Und dies gilt nicht nur für die Liturgie, sondern – lex orandi, lex credendi – für die gesamte Lehre der Kirche.

Der eigentliche Kern der Sache ist ein Streit um Deutungshoheit. Die deutsche Konzilsmafia, um den oben angedeuteten Zirkel aus Bischöfen, Kirchenverwaltungsbeamten, Gremien, Meinungsführern und Redakteuren einmal despektierlich zusammenzufassen, beginnt zu ahnen, dass sie ihre Deutungshoheit verlieren wird und zum Teil bereits verloren hat.

Das Kirchenvolk lässt sich heute, ausgestattet mit Katechismus und direktem Zugang zu allen römischen Dokumenten, nicht mehr so leicht für dumm verkaufen wie noch vor zwanzig Jahren, als es gerade einmal den Deutschen Erwachsenenkatechismus gab und an den digitalen Direktbezug aller möglichen vatikanischen Verlautbarungen noch nicht zu denken war.

Der mehr oder weniger starke Druck aus Rom ließ sich stets als Ausdruck dumpfer Reaktion und als Versuch diffamieren, das Rad hinter das Konzil zurückzudrehen. Dieses Spiel wird bis heute gespielt, nicht ohne Erfolg. Doch an der Basis wächst der Druck dagegen. Die schweigende Mehrheit bricht ihr jahrzehntelanges Schweigen. Und sie hat mittlerweile die besseren Karten.

Vermutlich steht die schweigende Mehrheit dem katholischen Kern der Lehre und Liturgie, wie ihn die Piusbruderschaft vertritt, näher als dem Reformquark der vergangenen 50 Jahre. Für die Meinungsführer wird es allmählich eng. Und das erklärt die verzweifelte Inbrunst der Attacken.

Eine ganze Generation der meinungsführenden Minderheit merkt, dass ihre Zeit abläuft und ihr Spiel verloren ist. In den Lehrgesprächen zwischen Glaubenskongregation und Piusbruderschaft wird der ganze heiße Stoff verhandelt. Auf der Tagesordnung steht nicht mehr und nicht weniger als die Frage, was es heißt, das Zweite Vaticanum anzuerkennen – und was nicht.

Seine Programmatik in dieser Sache hat Papst Benedikt schon in seiner Weihnachtsansprache 2005 an die römische Kurie formuliert, als er die Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruches einer Hermeneutik der Kontinuität Reform gegenüberstellte. In den anstehenden Lehrgesprächen wird sich nun zeigen, wie weit dieser Ansatz trägt.

Die Bedeutung dieser Gespräche reicht also weit über die Integration der Piusbruderschaft in die Kirche hinaus. Die Gespräche werden eine Zäsur für die Rezeption des Zweiten Vaticanums markieren, so oder so.

Geyer vs. Mosebach

Der Spiegel hat in dieser Woche noch einmal nachgelegt und neben einer spiegeltypisch wirren Nacherzählung der stürmischen Ereignisse der letzten Woche, einem schriftlich geführten Interview mit Bischof Richard Williamson und einem unfreundlichen Portrait des künftigen Linzer Weihbischofs Gerhard Maria Wagner auch einen Essay von Martin Mosebach gedruckt. Diesen Essay wiederum demontiert kommentiert Christian Geyer in der heutigen FAZ:

Ganz am Ende seiner lesenswerten Einlassung im „Spiegel“ („Warum der Papst tun musste, was er tat“) kommt der Schriftsteller Martin Mosebach zu einer Definition dessen, was er „katholische Mentalität“ nennt. Katholische Mentalität heiße, im Blick aufs Ultramontane „mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein“. Haben wir so gewettet, als wir die Wette auf Gott abschlossen? Dass sich die Tatsache der christlichen Taufe in einer „katholischen Mentalität“ niederzuschlagen habe, lässt aufhorchen.

Scheint doch erst als Mentalität, als eine alles Säkulare überspringende Denkweise, das Katholische in Gefahr, den Bogen Gottes zu überspannen. Leszek Kolakowski sprach in diesem Zusammenhang vom Wuchern des Mythos. Auch das Bewusstsein, der Zeitgenossenschaft zu entkommen, kann doch nie anders denn als Zeitgenosse gewonnen werden. Wie sollte das möglich sein, sich aus höherer metaphysischer Einsicht aus seiner Zeitgenossenschaft zu stehlen, aus den Bezügen von Recht und Kultur und Politik – und sei es mit einem klitzekleinen Bewusstseinszipfel nur? An solche Zipfel hängen sich Esoteriker aller Couleur, politische Romantiker und hohnlachende Dezisionisten.

Bemerkt Mosebach nicht, dass es genau diese als Generalklausel gehandhabte vermeintliche „katholische Mentalität“ ist, jenes Dummstellen im Namen Gottes, welche das feist-dreiste Denken hervorgebracht hat, das auch er an den Piusbrüdern kritisieren möchte: „Weltfremdheit und Eiferertum, eine krankhafte Verengung der Geister“?

Da lohnt es sich vielleicht, Mosebach im Kontext zu zitieren:

Natürlich könnte es durchaus so weit kommen, dass Staat und Gesellschaft die Lust verlieren, in ihren Grenzen eine Korporation zu dulden, die ersichtlich unter einem anderen Gesetz steht und andere Werte verteidigt als die säkulare Mehrheit. Die Grobheit einer wahlkämpfenden Kanzlerin gibt dafür einen Vorgeschmack. Es könnte den Katholiken wieder wie unter Bismarck zum Vorwurf gemacht werden, sie seien schlechte Staatsbürger, denn ihr Herz hänge „jenseits der Berge“, ultramontan, am Papst und seiner Autorität.

Ultramontan – dies Wort beschreibt vorzüglich die katholische Mentalität: mit einem kleinen Teil des Bewusstseins nicht Deutscher, nicht Zeitgenosse, nicht Erdenbürger zu sein. Bei allem Misstrauen muss das Gemeinwesen mit solchen Mitgliedern nicht schlecht fahren – Ergebnis der Dauerspannung zwischen Papst und Kaiser im Mittelalter war nichts Geringeres als die europäische Vorstellung von der Freiheit.

Eine schöne und optimistische Wende, aber ich verspüre nicht ohne Sorge den Vorgeschmack künftiger Christenverfolgung.

Doch zum Thema. Mosebach schreibt:

Strenggenommen exkommuniziert sich derjenige selbst, der gegen die Einheit der Kirche verstößt – die Aufhebung dieser Exkommunikation kann ihm nicht verwehrt werden, wenn er aufrichtig begehrt, zu dieser Einheit zurückzukehren.

Und Geyer weiß:

Hier klärt der Autor selbst über das entscheidende Kriterium auf, an dem sich die Rücknahme einer Exkommunikation zu messen hat: die Aufrichtigkeit des Begehrens, der Kirche rechtsgültig wieder eingegliedert zu werden. Es ist doch nun aber gerade die mangelnde Aufrichtigkeit, die im vorliegenden Fall ins Auge sticht und das eigentliche Thema darstellt. Ein Thema, das Mosebach in seiner Einlassung zum Verschwinden bringen möchte. Nur im schriftstellerischen Konstrukt einer „katholischen Mentalität“ geht solches vorsätzliche Verfehlen des Themas durch.

Mangelnde Aufrichtigkeit? Soll heißen: Williamson begehrt gar nicht die Wiederaufnahme in den Schoß der Kirche? Schon möglich, aber woher will Geyer das wissen?

Mosebachs blinder Fleck hat damit zu tun, dass er die Piusbruderschaft im Grunde nur aus liturgischer Perspektive beobachtet: Sie hat den tridentinischen Ritus gerettet; das war ihre historische Aufgabe; alles andere ist zweitrangig: „Ob es der Piusbruderschaft gelingt, in der Vielfalt der kirchlichen Gegenwart ihren Platz zu finden, kann nun in Ruhe abgewartet werden; ihre historische Aufgabe jedenfalls ist abgeschlossen.“

Auch dieses Zitat ließt sich im Kontext anders:

Mit diesem Nein zu einem für die Kirche hochgefährlichen Zerfallsprozess ist Lefebvre in die Kirchengeschichte eingegangen. Kraft gab ihm ein nur in Frankreich zu findendes Milieu katholischer Laien, die ihre Weltsicht im Kampf gegen den aggressiven republikanischen Laizismus erworben hatten. Das war die Tragik Lefebvres und seiner Bewegung: Sie retteten die alte Liturgie, aber sie verknüpften sie mit allem Parteienstreit der neueren französischen Geschichte. Die einzige Zuflucht, die die überlieferte Liturgie gefunden hatte, drohte ihr Gefängnis zu werden. Aus diesem Gefängnis hat Papst Benedikt sie schon mit seinem Motu proprio befreit und sie mit ihrem universellen Anspruch der ganzen Kirche zurückgegeben.

Aber musste er nicht auch gegenüber der Piusbruderschaft ein Gefühl der Verpflichtung empfinden, ein Gefühl, dass sie mit all ihren Makeln zu einem Instrument geworden war, um das Sanctissimum der Kirche über eine Krisenzeit zu bewahren? Ob es der Piusbruderschaft gelingt, in der Vielfalt der kirchlichen Gegenwart ihren Platz zu finden, kann nun in Ruhe abgewartet werden; ihre historische Aufgabe jedenfalls ist abgeschlossen.

Interessant übrigens auch die Lesermeinungen zu Geyers Kommentar.

Immer wieder

Schon lange wollte ich über eine der vermutlich am häufigsten gebrauchten pseudoliturgischen Floskeln schreiben: das „immer wieder“. Ich weiß gar nicht mehr, wie oft ich schon gehört habe, dass der Herr uns immer wieder einlädt oder vergibt oder was auch immer (wieder).

Sind das Füllworte ohne weitere Bedeutung? Oder was hat es damit auf sich? Suggeriert das immer wieder nicht eher Stillstand oder gar die ewige Wiederkehr des immer Gleichen? Etwas mehr Fortschritt, wenn auch nicht im weltlichen, aber doch im geistlichen Sinne, wünsche ich mir schon. Immer wieder.

Trappistenabtei kehrt zum Alten Usus des Ordens zurück

Die Mönche von Mariawald betreiben ökologische Landwirtschaft und wissen die modernen Kommunikationsmittel sachgerecht einzusetzen. Nun setzen sie sich auch liturgisch an die Spitze der Bewegung:

Aufgrund seiner Bitte hat der Heilige Vater, Papst Benedikt XVI., dem Abt der Trappistenabtei Mariawald (Diözese Aachen), Dom Josef Vollberg O.C.S.O., das Privileg erteilt, mit seiner Abtei zur Liturgie und zur Observanz im Alten Usus des Ordens zurückzukehren, der bis zu den Reformen im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils galt. Dieser sogenannte „Usus von Monte Cistello“ wurde während der Konzilszeit in den Jahren 1963/1964 als vorläufige Reformstufe approbiert.

Diese Entscheidung des jungen Abtes ist nicht weniger als eine echte Sensation – wenn auch eine, die nach Summorum Pontificum früher oder später zu erwarten war. Dom Josef ist in seiner Argumentation bestechend klar:

Nachdem die verschiedenen nachkonziliaren Reformen für das Kloster nicht die erhoffte Blüte in Liturgie und im Leben des Konvents erbracht haben, knüpft nun die Rückkehr zur Tradition an die jahrhundertealte Überlieferung des Ordens an. Dom Josef verspricht sich durch die Rückkehr zur alten Gregorianischen Liturgie und zum strengeren Usus der monastischen Lebensgewohnheiten neue geistliche Impulse auch für den Nachwuchs der Abtei.

Weltweit ist spürbar, daß Klostergemeinschaften, die die vorkonziliare lateinische Liturgie pflegen, beachtliche Nachwuchszahlen aufweisen können. Besonders in Frankreich gibt es auf dem Hintergrund einer traditionellen Auslegung der Benediktuskregel und der Gregorianischen Liturgie in Messe und Stundengebet blühende Abteien. In Deutschland war es bisher für Berufungen zum monastischen Leben in traditioneller Ausprägung nicht möglich, sich einer entsprechenden Kommunität anzuschließen. Mit dem päpstlichen Privileg ist nun erstmalig auch in Deutschland die Möglichkeit für junge Menschen eröffnet, die alte Tradition des kontemplativen Lebens in den erhabenen Formen der klassischen Liturgie und in der strengen Observanz der Regel des Hl. Benedikt zu leben.

Dom Josef sieht sich in seiner Entscheidung vom Heiligen Vater bestätigt, der in seinem großzügig formulierten Privileg allen gewünschten Formen der Rückkehr zur Tradition auch seinen persönlichen Wunsch erkennen lässt, daß in der Wiederentdeckung der alten Liturgie und des Lebensusus eine Erneuerung des monastischen Lebens insgesamt gefördert werde. So entspricht nach der Überzeugung des Abtes das persönliche und direkte Handeln des Papstes für die Abtei Mariawald dem „Projekt der Tradition“, das der Heilige Vater im Jahre 2007 durch sein Motu proprio „Summorum Pontificum“ für die Liturgie angestoßen hat.

Dom Josef sieht sich und seine Abtei durch den Heiligen Vater und dessen unmittelbaren und direkten päpstlichen Rechtsakt nachhaltig motiviert, die traditionsbezogene Reform des Klosters um seiner Zukunftsfähigkeit willen mit neuem geistlichen Elan umzusetzen. Der Abtei kommt darin weltweit eine Vorreiterrolle zu, das monastische Leben aus dem Geist der Tradition zu erneuern und dem Niedergang des Klosterlebens, den besonders manche Trappistenabteien in den letzten Jahren erleben mussten, entgegenzuwirken.

Bereits auf dem Gebiet der Ökonomie hat das Kloster in den letzten Jahren durch seine Orientierung an ökologischer Landwirtschaft Akzente gesetzt. Nun ist es der geistliche Gehalt des kontemplativen Lebens, der neue Impulse aus der großen Tradition des Ordens und seiner klassischen lateinischen Liturgie empfangen soll.

Zur Zeit leben in Mariawald zehn Mönche, ein Novize und ein Oblate. Die Geschichte der Abtei begann mit der Gründung eines Zisterzienserpriorats im 15. Jahrhundert. Nach einer mehr als sechzigjährigen Unterbrechung des monastischen Lebens durch die Wirren der Französischen Revolution wurde das im 19. Jahrhundert von Trappisten aus dem Elsass neubesiedelte Kloster am Michaelsfest im Jahre 1909, zur Abtei erhoben.

Auf dem Hintergrund dieses historischen Datums soll nun zur Einhundertjahrfeier am 29. September 2009 die Umsetzung der vollständigen Rückkehr der Abtei zur alten Tradition des kontemplativen Lebens und zur klassischen Gregorianischen Liturgie abgeschlossen sein.

Mariawald steht nun ganz oben auf meiner Liste zu besuchender Orte.

Liturgisches Rätsel

In diesem Jahr fällt der 9. November, an dem die Kirche die Weihe der Lateranbasilika feiert, auf einen Sonntag. Und erstaunlicherweise geht dieses Fest liturgisch dem Sonntag vor. Seltsam, denn schließlich handelt es sich doch wohl nicht um ein Herrenfest.

Höher als Herrenfeste stehen in der Rangfolge liturgischer Tage nur noch vier Kategorien von Hochfesten. Die Preisfrage lautet also: Warum steht dieser Weihetag höher als ein Sonntag im Jahreskreis? Oder anders gefragt: Warum nimmt ein Fest den Rang eines Hoch- oder Herrenfestes ein?