„Die Phrase vom ‚Markt der Werte‘ ist nicht ganz neu, aber nun ist die Gelegenheit günstig, sie sich einmal gewissermaßen auf der Zunge zergehen zu lassen. Bleibt die Ankündigung der Ministerin von der Leyen in puncto Erziehungsbündnis reichlich nebulös – ‚Bausteine aus der Praxis für die Praxis‘ -, so wird Bischöfin Käßmann hinsichtlich der für die christliche Bildungsinitiative zu wählenden Methode konkret: Nach marktwirtschaftlichen Strategien also ist die Wertevermittlung der beiden christlichen Kirchen zu organisieren. Man könnte sich die Folgen eines solchen Ansatzes detailliert ausmalen. Aber man muß es gar nicht, denn die Ergebnisse des scheinbar zukunftsträchtigen Konzepts sind bereits zu besichtigen. Denken wir einige Jahre zurück. Die Kirchen verloren dramatisch Marktanteile. Der Islam, verschiedene christliche Sekten und esoterische Bewegungen warben mit Erfolg (potentielle) Kunden ab. Es war also an der Zeit, die Geschäftsstrategie zu überdenken. Man holte sich Unternehmensberater ins Haus. Vielleicht, fragte man sich, liegt es ja an der Werbung in eigener Sache? Man plakatierte großflächig, schaffte sich verschiedene Internetpräsenzen, tauchte in Talkshows auf, legte sich ein ‚unverkrampftes‘ Image zu – erst kürzlich verteilte Käßmann in der Fußgängerzone Hannovers lustigsaure ‚Lutherbonbons‘ – und ging auch sonst mit der Zeit: Die ‚Bild‘-Zeitungs-Kolumne der Bischöfin etwa kann man sich via Internet auf den iPod laden. Die Kampagne zeitigte indes kaum Erfolge. Was also tun? Ist das kirchliche Angebot zu anspruchsvoll? Man bot es deshalb günstiger feil: ‚Niederschwellige Angebote‘ zum Wiedereintritt in die Kirche wurden entwickelt. Keiner sollte das Gefühl haben, das Bekenntnis zum Christentum sei mit Aufwand verbunden. All das hat kaum geholfen. Das marktwirtschaftliche Konzept der Bischöfin Käßmann, formuliert in modischem ‚Managersprech‘, ist in Wahrheit ein alter Hut.“ [Aus einer Glosse der FAZ]