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Kirchengeschichte

Philipp liefert in den Kommentaren eine evangelische Version der Kirchengeschichte:

„Die vom Heiligen Geist gestiftete Kirche entwickelte sich an unterschiedlichen Orten unterschiedlich, versuchte aber in den entscheidenden Glaubensfragen durch gemeinsame Beschlüsse verbunden zu bleiben.

Das Wachstum der Kirche schuf auch Machtstrukturen, die leider im Laufe der Jahrhunderte an Bedeutung gewannen. Bei manchen Konzilsbeschlüssen dient die theologische Frage mehr als Arena für Machtkämpfe; bedeutende Kirchenführer wurden mit ihrer unterlegenen Meinung plötzlich zu machtlosen ‚Ketzern‘.

Die Gemeinde in Rom hatte durch ihre Verbindung mit der weltlichen Macht in Rom eine herausragende Position erlangt, die es (wenn ich mich recht entsinne) 451 erstmalig mit einer ‚theologischen‘ Begründung unterfütterte, um seinen Anspruch durchzusetzen. Erfolglos, aber von diesem Zeitpunkt an existiert die Römische Gemeinde als abgespaltene Institution, die zwar noch an Konzilien teilnimmt, aber daneben ihr nicht allgemein anerkanntes Selbstverständnis pflegt.

Da die Römische Gmeinde ihre Auffassungen im Kielwasser der weltlichen Macht des Römischen Reiches verbreitet, wird sie in weiten Teilen der damaligen Welt zur maßgeblichen christlichen Institution und setzt schließlich die eigene Institution mit der vom Heiligen Geist gestifteten Kirche gleich.

Mit der Zeit flossen immer mehr vom jeweiligen Zeitgeist inspirierte Interpretationen, Volksfrömmigkeiten und als Theologie getarnte Maßnahmen zum Machtausbau in die römische Lehre ein, die mehrmals Versuche einer Kurskorrektur provozierten. In der Reformation entzündete sich an diesen Streitpunkten schließlich die Frage, ob diese Kirche überhaupt die Kirche sei. Wieder waren es Machtinteressen (auf beiden Seiten), die zu einer Spaltung führten. Auf Seiten der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen wurde in der Folgezeit ein Großteil der damaligen Lehre hinterfragt und in unterschiedlichem Maße verworfen. Dieser Prozeß dauert bis heute an und wird bis zum Jüngsten Tag andauern.

Als Folgeinstitution der Konzilien erscheint der Ökumenische Rat der Kirchen, in dem es den verschiedenen Orthodoxen Kirchen, „Lutheranern“, Reformierten, Baptisten, Charismatikern, Altkatholiken, einigen Anglikanischen Kirchen usw. gelingt, gemeinsame Positionen zu finden. Es fällt auf, daß unter den wenigen Nichtmitgliedern gerade jene Kirchen sind, die in gewaltsame Glaubensauseinandersetzungen verwickelt sind, etwa die die nordirischen Protestanten mit der Römischen Kirche.“

Cool. Sounds strange to me. Gibt es dazu Quellen?

Was mir auf Anhieb auffällt: Es ist im Grunde eine politikwissenschaftliche Betrachtungsweise. Die hat als solche sicher ihre Berechtigung. Aber es kann doch nicht sein, dass die evangelische Kirchengeschichte völlig von theologischen Fragen abstrahiert oder sie nur als Vorwand für weltliche Machtinteressen gelten lässt.

Außerdem vermisse ich den Bezug zum Schisma von 1054 (Rom/Byzanz). Hier ist eine machtpolitische Analyse sehr am Platz, denn in theologischen Fragen sind die Differenzen zwischen orientalischen Kirchen und Rom eher überschaubar. Ganz anders hingegen im Falle der Reformation.

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Kommentar

62 Kommentare

  1. Ich habe die Debatte mit Interesse gefolgt… mir kommt es vor, das weder Protestanten noch Katholiken sich die Zentrale Frage stellt:

    „Was ist Christsein?“

    Pax und Frieden,

    k

  2. @keir:
    Das Bekenntnis zum Apostolischen Glaubensbekenntnis. Das Christsein streitet hier ja niemand irgendjemandem ab…

    Die Frage hier ist, ob das ausreicht, um eine Einheit der Christen zu erreichen. Und ob eine Einheit möglich ist, wenn in grundlegenden Fragen – vom Kirchenverständnis über die Heilslehre bis zu den Sakramenten – keine Einigkeit da ist.

  3. Ja, sag doch mal, was Deiner Meinung nach grundlegend ist – oder anders, in welchen grundlegenden Fragen Einigkeit herrschen müsste, um Einheit möglich zu machen.

  4. wer legt fest, was grundlegend ist und was nicht?

    Offenbar sind es weder die Apostel, noch 2000 (1000,1500) Jahre Kirchengeschichte. Es sind nicht die Kirchenväter und schon gar nicht die kirchliche Tradition.

    Sondern jeder kann für sich selbst definieren, was Kirche ist, was Sakramente sind, wo Jesus sie wirklich eingesetzt hat und wo nicht, und was Jesus wirklich meinte, als er sagte, man solle das Fleisch des Menschensohns essen. Was Bischöfe und Ämter sind, ob man eine Apostolische Sukzession braucht oder nicht. Wie wir zum Heil kommen und wie nicht, und wie es im Jenseits ausschaut. Do it yourself-Christentum, sozusagen…

  5. Gibt es dazu Quellen?

    Bergeweise Kirchengeschichte. Oder was meinst Du?

    Was mir auf Anhieb auffällt: Es ist im Grunde eine politikwissenschaftliche Betrachtungsweise.

    Das ist eben der evangelische Vorwurf: daß zu sehr Politik statt Theologie den Lauf der Kirchengeschichte bestimmt hat. Und man muß Luther und co. lassen, daß ihre Kritik theologischer Natur war. Man muß ihnen vorwerfen, daß sie sich später auch wieder von Machtinteressen einspannen ließen.

    dass die evangelische Kirchengeschichte […] theologischen Fragen […] nur als Vorwand für weltliche Machtinteressen gelten lässt.

    Nicht nur! Das erscheint jetzt wohl so, weil ich auf genau diese Punkte hinauswollte.

    Außerdem vermisse ich den Bezug zum Schisma von 1054 (Rom/Byzanz).

    Ich hatte zwischendurch überlegt, ob und wie ich das erwähnen sollte. Es wird aus meiner Sicht aber überbewertet. Deshalb habe ich mich auf 451 konzentriert.

    denn in theologischen Fragen sind die Differenzen zwischen orientalischen Kirchen und Rom eher überschaubar.

    Jein. Da muß man zwei verschiedene Arten von theologischen Fragen unterscheiden. In vielen Punkten wie dem Sakramentsverständnis sind Ostkirchen und Rom näher beieinander, in Fragen des kirchlichen Verständnisses aber Ostkirchen und Reformationskirchen (siehe ÖRK: „The Orthodox affirm that unity is not uniformity. Unity entails diversity.“).

    Interessant vor diesem Hintergrund der Besuch von Kobia in Finnland dieses Wochenende, einem Herzland evangelisch-orthodoxer Ökumene.

    @Petra: Bist ja wieder schwer in Fahrt! (-; Es legt aber nach evangelischem Verständnis nicht jeder selbst fest, sondern Gott hat es festgelegt. Aber umgekehrt ist es so: für unser Seelenheil ist entscheidend, was jeder einzelne glaubt, nicht was gemeinsame theologische Erklärungen besagen. „Schau nicht auf unsere Sünden, sondern auf den Glauben deiner Kirche“ ist beinahe die einzige Stelle, die ich im Hochgebet nicht mitbeten kann. Mein persönlicher Glaube ist es, der entscheidet (Und wer nun kommt, der müsse ja ohnehin derselbe sein, soll mir bitte erklären, warum man das dann trotzdem so umständlich formuliert).

    Mal salopp gesprochen: ja, es ist beliebig, was du glaubst. Aber es ist nicht beliebig, mit welchem Glauben du im Ernstfall „durchkommst“. Und da scheiden sich die Geister, wie man die Kriterien für diesen Glauben festlegen kann.

  6. > Gibt es dazu Quellen?

    Bergeweise Kirchengeschichte. Oder was meinst Du?

    Irgendeine relativ kompakte Darstellung halt, die auf der Linie Deiner Interpretation liegt.

    Oder anders gefragt: Wer sind denn so die nennenswerten evangelischen Kirchengeschichtler, die diese Thesen vertreten und mit entsprechendem Apparat darstellen können?

    Wenn ich es richtig sehe, ist der Kern Deiner Ausführungen: Theologie ist kirchengeschichtlich Nebensache, weil letztlich immer politischen Interessen untergeordnet.

    Wie gesagt: Sounds strange to me. Trotz oder gerade wegen einschlägiger Vorbildung (in politischer Wissenschaft).

  7. für unser Seelenheil ist entscheidend, was jeder einzelne glaubt, nicht was gemeinsame theologische Erklärungen besagen

    Ich plädiere dafür, dass wir Arius rehabilitieren! Der hat doch auch an Gott und an Christus geglaubt – irgendwie halt…

    Übrigens ist der Arianismus eines der Gegenbeispiele für Deine These, dass in der Kirche theologisch immer der gewann, der mehr politische Unterstützung hatte. Zur Hoch-Zeit des Arianismus fand die halbe Kirche (einschließlich vieler Bischöfe!) den Arianismus ganz toll, und auch der römische Kaiser Julianus war Arianer – bevor er sich ganz vom christlichen Glauben abwandte und die Christen zu verfolgen begann…

    „The Orthodox affirm that unity is not uniformity. Unity entails diversity.“

    Ja. Aber das bedeutet nicht, dass alles und auch das Gegenteil davon wahr ist. Die Orthodoxen würden den evangelischen Kirchen genauso zeigen, wo der Hammer hängt, wenn man von ihnen verlangen würde, die evangelischen Landesbischöfe als gleichberechtigte Bischöfe anzuerkennen – obwohl diese gar nicht in Apostolischer Sukzession stehen….

    Ich plane übrigens schon eine ausführliche Widerlegung Deiner Geschichtsdarstellung, aber komme derzeit nicht dazu…

    Aber es ist nicht beliebig, mit welchem Glauben du im Ernstfall „durchkommst“. Und da scheiden sich die Geister, wie man die Kriterien für diesen Glauben festlegen kann.

    Ach so, das ist das einzige Kriterium für die Wahrheit? Trost in schweren Zeiten? Warum dann nicht gleich an das Kastensystem des Hinduismus glauben? Da kann man sich wenigstens beruhigen, dass es einem im nächsten Leben besser gehen wird…
    Ich bin übrigens davon überzeugt, dass ein Glaube, der auch verstandesmäßig fundiert ist, in solchen Zeiten festeren Grund bietet, als wenn man es im Grunde für beliebig hält, was man glaubt.

  8. Ich plädiere dafür, dass wir Arius rehabilitieren!

    Immer noch nicht kapiert? Es ist nicht unser Job, jemanden zu verdammen oder zu rehabilitieren. Er hatte seinen Glauben und hat ihn verkündet und ob das seinem Seelenheil im Wege stand, werden wir dereinst wissen.

    Der hat doch auch an Gott und an Christus geglaubt – irgendwie halt…

    Über dieses wie herrscht nach meinem Eindruck übrigens erhebliche Verwirrung, aber das ist hier nicht Thema.

    Übrigens ist der Arianismus eines der Gegenbeispiele für Deine These, dass in der Kirche theologisch immer der gewann, der mehr politische Unterstützung hatte.

    Das ist sogar das Beispiel, das ich im Hinterkopf hatte! Denn es war Machtkalkül, den Streit nach der gefundenen Einigungsformel wieder aufleben zu lassen mit theologischen Spitzfindigkeiten, die zum Gottesverständnis wenig beitragen. Und es war letztlich das kaiserliche Urteil, das die Sache „endgültig“ entschied, zugunsten der Position Roms in der Kirche …

    „The Orthodox affirm that unity is not uniformity. Unity entails diversity.“

    Ja. Aber das bedeutet nicht, dass alles und auch das Gegenteil davon wahr ist.

    Nein. Nenne mir jemanden, der das auch nur ansatzweise vertritt!

    Die Orthodoxen würden den evangelischen Kirchen genauso zeigen, wo der Hammer hängt, wenn man von ihnen verlangen würde, die evangelischen Landesbischöfe als gleichberechtigte Bischöfe anzuerkennen

    Du wirst staunen: das tun sie! Natürlich behaupten sie nicht, daß sie nach ihrem Verständnis Sakramente spenden könnten, aber sie erkennen sie als gleichberechtigt an, eben als Amtsträger einer Schwesterkirche. Das funktioniert mit Orthodoxen, aber nicht mit Rom.

    Ich plane übrigens schon eine ausführliche Widerlegung Deiner Geschichtsdarstellung, aber komme derzeit nicht dazu…

    Schreib Dir wie gesagt nicht die Finger wund. Ich denke nicht, daß da viel neues zu tage treten wird. Die Unkenntnis ist nicht so gewaltig wie andersherum! (-:

    Ach so, das ist das einzige Kriterium für die Wahrheit? Trost in schweren Zeiten?

    Falsch geraten. Der zitierte „Ernstfall“ findet vor Gottes Thron statt. Da findet die (römischerseits theoretisch anerkannte) Rechtfertigungslehre ihre Auflösung, ob ich von Gott trotz meiner Sündhaftigkeit angenommen bin.

    Ob ein paar aufgestellte Kerzen hier und etwas Fürsprache von Toten dort dann „etwas gebracht haben“, wird sich dann eben offenbaren. Dann. Nicht vorher. Auch nicht durch Mehrheitsbeschluß. Gott hält die absolute Mehrheit (*). (-;

    (Daß Glaube sich auch im Leben bewährt, ist davon unbenommen. Aber da ließe sich auch nachweisen, daß sich hier und da offenkundiger Irrglaube bewährt.)

    (*) Mir fällt dabei eine Zeichnung ein, wo Gott ganz interessiert eine Erklärung zum Schicksal ungetauft verstorbener Säuglinge liest und erleichtert seufzt „Endlich weiß ich, wie ich damit umgehen muß …“

  9. Das Problem scheint mir zu sein, daß meine kath. Glaubensgeschwister – ebensowie ich, der ich zu wenig Zeit habe, um ständig mitzumischen – nicht verstehen, wo denn der Protestantische Gemeinsame (!) Christliche Glaube anfängt und wo die individuelle Auslegung ihre Ansprüche stellen darf.

    Ich darf daran erinnern, daß ein Prof. Lüdemann die Lehrerlaubis (bzw. die Prüfungserlaubnis) von der EKD entzogen bekam.
    Anscheinend gehört also dazu, daß man glauben muß, daß Christus Gott war und ist. War es das? Kommt noch mehr?

    Bisher erfahren wir hier nur eine Ablehnung der anderen (uns), aber keine Identifikation des Eigenen.

    Kurz: mit welchem Glauben reden wir?

    (Dem des Evangelischen Katechismus oder dem der Confessio Augustana oder gibt es nur Gemeinsamkeiten, die auf einen Bierdeckel passen oder wie oder was – ohne Witz, das ist ein riesen Dilemma für uns)

  10. Och, über den denkenden Theologen Küng habe ich eine recht differenzierte Meinung und auch schon öfter was notiert, das muss ich nicht dauernd wiederholen.

    (Spiel doch nicht dauernd die beleidigte Leberwurst, das ist echt anstrengend.)

  11. Aber immer schön die Deutungshoheit behalten, nicht wahr, Matthias? 🙂 Solange Du selbst festlegen kannst, was der Wahrheitsfindung dient, ist alles in Butter…

    Ihr Evangelischen seid schon schwierig mit Eurer Mischung aus Pietismus und political correctness. (Bevor ich wieder Schläge bekomme: Ich darf das sagen, habe einschlägige familiäre Erfahrungen damit.)

  12. Im Katechismus steht „Wir glauben zwar nicht an Formeln, sondern daran, was die Formeln repraesentieren“.

    Denn entweder **gibt’s was** (oder Jemandem) oder nicht… das Wort ist nicht Glaubensbekenntnis sondern Mann geworden.

    k

  13. @Philipp:

    Meinst Du denn wirklich ernst, dass sämtliche Christen der ersten 1500 Jahre vom Herrgott einen draufbekommen werden – weil sie daran geglaubt haben, was die Apostel verkündeten?! (Dass einige Päpste, Bischöfe und sonstwelche Leute daran werden glauben müssen, stelle ich ja gar nicht in Frage… *g*)

    aber sie erkennen sie als gleichberechtigt an, eben als Amtsträger einer Schwesterkirche. Das funktioniert mit Orthodoxen, aber nicht mit Rom.

    Ähm… Meines Wissens tragen alle katholischen Bischöfe (inkl. des Bischofs von Rom) auch ostkirchliche Amtstitel (so heißt Erzbischof Schönborn auch „Metropolit von Wien“), damit man in den Beziehungen mit den Ostkirchen weiß, wer wem gleichberechtigt ist – Du wirst Dich wundern, die Ostkirchen legen Wert auf sowas!

    Und ich glaube, die gleiche Verwirrung herrscht auch mit dem Begriff „Amtsträger“ und „Schwesternkirche“. Hat die katholische Kirche jemals behauptet, sie erkenne die evangelischen Bischöfe nicht als Amtsträger an? Haben aber die Orthodoxen jemals behauptet, sie erkennen die evangelischen Bischöfe als ihren Bischöfen gleichberechtigte Nachfolger der Apostel – und damit die evangelische Kirchen als Kirchen im Vollsinn – an? (Falls ja, bitte einen Beweis dafür!)

    Und noch ein Detail: die katholische Kirche lässt orthodoxe Christen – da das Sakramentenverständnis das Gleiche ist – prinzipiell zu den Sakramenten zu (wie ja auch evangelische Christen wie Dich, die bezeugen, dass sie bei der Eucharistie an das Gleiche glauben wie die Katholiken). Die Orthodoxen wollen aber nicht, dass Katholiken bei ihnen die Kommunion empfangen – deswegen, weil keine sichtbare kirchliche Einheit besteht, und sie die volle Einheit der Kirche als Voraussetzung für den gemeinsamen Kommunionempfang ansehen! Hm, doch nicht so pflegeleicht, die Orthodoxen…

    alles und das Gegenteil davon wahr: Einige Beispiele, nur im Kontext des Weltkirchenrates:

    Orthodoxe: Brot und Wein sind Leib und Blut Christi; zur Konsekrierung braucht man einen geweihten Priester.
    Protestanten: Brot und Wein sind schon Leib und Blut Christi, aber geweihten Priester braucht man dazu keinen, das kann jeder machen; Brot und Wein symbolisieren Leib und Blut Christi, das Abendmahl ist nur eine Gedenkveranstaltung; Wozu brauchen wir denn Brot und Wein? Wir haben doch die Bibel!

    Orthodoxe: die Kirche erhält durch die Bischöfe, die in Apostolischer Sukzession stehen und das Weihesakrament erhalten haben, Struktur und geistliche Führung.
    Protestanten (außer Anglikaner – z. T.): jeder kann Bischof werden, es gibt kein Weihesakrament und keine Apostolische Sukzession, die Kirche ist die unsichtbare Gemeinschaft aller Christgläubigen; oder: wir brauchen doch bitte keine Bischöfe!

    Orthodoxe: Es gibt sieben von Christus eingesetzte Sakramente.
    Protestanten: Es gibt zwei (oder ein) von Christus eingesetzte(s) Sakrament(e). (Oder eigentlich gar keins…)

    Soll ich fortsetzen?!

  14. @mr94:

    Also Dein (für mich schwer zu deutendes) „cool“ meint weniger die Einzelaspekte, sondern das kompakte Gesamtbild? Möglicherweise der erste Versuch eines Evangelischen, Dir klarmachen zu wollen, daß sein Glaube und Kirchenverständnis ein schlüssiges Ganzes ergibt?

    Aber ich kann Dir leider keine kompakte Referenz nennen. Das setzt sich alles zusammen aus so vielen Teilen, die vom Kindergottesdienst über Schule, Konfirmandenunterricht und Studium bis zu vielen Bücher und Gesprächen gewachsen sind.

    Vieles davon steht natürlich schon in den Schmalkaldischen Artikeln, anderes in Kirchengeschichtsbüchern (von Autoren unterschiedlicher Konfessionen), in Erklärungen von EKD oder auch ÖRK.

    Vielleicht gehört es so selbstverständlich zum geistlichen Handgepäck evangelischer Christen, daß niemand sich die Mühe gemacht hat, das in dieser Form zusammenzufassen? Sie kümmern sich halt immer mehr um ihre Gottesbeziehung und weniger um ihr Kirchenverständnis, schon gar nicht in der Abgenzung zum römischen? Vielleicht ein Manko, wenn man über Ökumene sinnvoll reden will.

    @Petra:

    Meinst Du denn wirklich ernst, dass sämtliche Christen der ersten 1500 Jahre vom Herrgott einen draufbekommen werden – weil sie daran geglaubt haben, was die Apostel verkündeten?!

    Nein, habe ich an keiner Stelle behauptet. Abgesehen davon ignorierst Du immer noch, daß nach evangelischer Auffassung unser Glaube wesentlich näher an dem ist, was die Aposteln verkündeten. Tut mir leid, wenn Evangelische nicht so sind und glauben, wie Du es gerne hättest. Aber hör auf, es immer zu unterstellen.

    Hat die katholische Kirche jemals behauptet, sie erkenne die evangelischen Bischöfe nicht als Amtsträger an? Haben aber die Orthodoxen jemals behauptet, sie erkennen die evangelischen Bischöfe als ihren Bischöfen gleichberechtigte Nachfolger der Apostel – und damit die evangelische Kirchen als Kirchen im Vollsinn – an? (Falls ja, bitte einen Beweis dafür!)

    Nochmal den Satz: „The Orthodox affirm that unity is not uniformity. Unity entails diversity.“ Den können die Orthodoxen unterschreiben, Rom aber natürlich nicht. Denn darin kommt ja zum Ausdruck, daß die Kirche eine Vielfalt von Bekenntnissen umfassen darf, ja muß. Deswegen können sich die Orthodoxen auch im ÖRK engagieren (als sehr sperriger Partner zweifellos), was Rom nicht kann.

    Die Orthodoxen wollen aber nicht, dass Katholiken bei ihnen die Kommunion empfangen – deswegen, weil keine sichtbare kirchliche Einheit besteht, und sie die volle Einheit der Kirche als Voraussetzung für den gemeinsamen Kommunionempfang ansehen!

    Das ist interessant, das wußte ich noch nicht.

    Hm, doch nicht so pflegeleicht, die Orthodoxen…

    Na, das auf keinen Fall. (-: „Pflegeleichte“ Konfessionen halte ich sowieso für überflüssig … (-;

    alles und das Gegenteil davon wahr: Einige Beispiele, nur im Kontext des Weltkirchenrates:
    [Beispiele …]
    Soll ich fortsetzen?!

    Nein, reicht, danke. Jetzt verstehe ich, was Du meinst. Niemand verkündet, daß sowohl das eine als auch das andere wahr sei. Niemand soll zwei Dinge glauben, die einander ausschließen; der Glaube muß in sich schlüssig und widerspruchsfrei bleiben, anders kann ein vernunftbegabter Mensch nicht glauben.

    Es wird aber halt akzeptiert, daß unsere Kenntnis der Wahrheit — selbst in sehr wichtigen Bereichen — unvollständig ist. Geschlossen werden können diese Lücken (zumindest nach meiner Auffassung, ich bin mir nicht sicher, wer da zustimmen kann) nur durch den Heiligen Geist.

    Und an der Stelle kommen dann die Differenzen: wie gewichtet mein Glaube die verschiedenen Offenbarungsquellen. Wieviel gebe ich auf die eigenen Geisterfahrungen in meinem Leben, wieviel auf die der „Masse des Christenvolkes“, wieviel auf die besonderer Amtsträger, die der Kirchenväter; und wie zuverlässig ist die Überlieferung?

    Zum Schluß muß eine Wahrheit stehen, die widerspruchsfrei ist und mit Leib und Seele geglaubt werden kann. Wenn dieser Glaube mit dem anderer übereinstimmt, ist das eine beruhigende Bestätigung, sollte aber nach meinem Empfinden nicht zu sehr beruhigen, denn es gibt auf der Welt auch allzuviel Irrtümer (da meine ich jetzt nicht unbedingt religiöse), die nur deshalb für wahr gehalten werden, weil das so viele tun. Also prüfe ich meinen Glauben trotz aller Bestätigung immer wieder neu. Unter anderem hier.

    @Ralf:

    Du hast schon recht mit Deiner Beobachtung: würde man den rk Glauben malen, käme wohl ein recht scharf umrissener Kreis dabei heraus. Man muß schon genauer hinsehen, um am Rand eine gewisse Unschärfe zu sehen.

    Beim evangelischen Bild dagegen wird eher eine Wolke herauskommen, die in der Mitte dicht ist, nach außen aber immer mehr ausfranst.

    Obwohl diese Wolke dasselbe Zentrum hat wie der Kreis (Christus!), ist das natürlich ein Problem bei dem Versuch, eine möglichst breite gemeinsame Basis zu finden.

    Die eine Konfession definiert ihren Glauben von den Grenzen her („wer das nicht glaubt, ist draußen“), die andere vom Zentrum her. Eine gemeinsame Definition wird also immer für beide Seiten ein Verlust sein: den einen wird die Basis zu klein, den anderen wird es zu eng.

    Noch ein Versuch eines Bildes (aufbauend auf einem sehr bewährten Bild): da sollen mehrere Schafherden zusammengelegt werden und nun streiten die Hirten, wie sie beisammengehalten werden sollen. Und sie können sich nicht einigen, weil die einen einen Zaun gewohnt sind, die anderen aber gewohnt sind, sich auch ohne Zaun in der Regel nicht von ihrer Herde zu entfernen.

    Weide meine Schafe. Nicht einfach.

  15. Ich kann im Augenblick nur ganz kurz dies notieren:

    „Die eine Konfession definiert ihren Glauben von den Grenzen her (‚wer das nicht glaubt, ist draußen‘), die andere vom Zentrum her.“

    Im Grundsatz richtig, aber die Grenzen werden genau andersherum gezogen: „Wer dies und jenes glaubt (also präzise bezeichneten Irrtümern anhängt), ist draußen (anathema sit).“

    Diese Definitionslogik haben schon die ersten Konzilien verwendet. Das 2. Vaticanum war nach meiner Kenntnis das erste, das keine Aussagen nach diesem Schema getroffen, also keine bestimmten Irrtümer seiner Zeit verworfen hat.

    Es gibt also in vielen Fragen des Glaubens eine legitime Bandbreite von Aussagen, aber eine scharf gezogene Grenze zum Irrtum.

    Trient hat dem urreformatorischen Gedankengut solche scharfen Grenzen gezogen – dahinter wird die katholische Kirche sinnvollerweise nicht zurückgehen können und wollen.

    Heute funktionieren gemeinsame Erklärungen wie jene zur Rechtfertigungslehre (1999) deshalb nach dem Muster, dass ein neues (gemeinsames) Verständnis der reformatorischen Ansätze gesucht wird – eines, für das die definitiven Lehrverurteilungen von Trient nicht zutreffen.

    Es kann jedoch nicht darum gehen, ganze Konzilien rückgängig machen zu wollen. (Wobei es durchaus in der orthodoxen Tradition liegt, Konzilien am Grad ihrer Akzeptanz im Gottesvolk zu messen.)

    Ups, länger geworden als geplant…

  16. @Philipp:

    Habe noch was zu den Orthodoxen gepostet

    „The Orthodox affirm that unity is not uniformity. Unity entails diversity.“

    Ja, das stimmt. Nur die Orthodoxen meinen damit etwas ganz Bestimmtes: und das ist eben nicht, dass man das Verständnis von Kirche, Sakramenten, Heilslehre oder sonstwas beliebig verändern kann. Das von mir in meinem Blog erwähnte Kirchenlexikon schreibt dazu:

    Die orthodoxen Kirchen des Ostens verstehen sich in der Gemeinschaft des Glaubens, der gottesdienstlichen Praxis, in Sakraments- und Amtsverständnis als die eine, in der ungebrochenen apostolischen und altkirchlichen Tradition stehende Kirche. (…) In der Einheit wissen sie sich zugleich als Vielfalt. Denn infolge der unterschiedlichen historischen Gegebenheiten haben sich die einzelnen Kirchen weithin gesondert entwickelt. Manche Besonderheiten ergeben sich durch die jeweilige Gottesdienstsprache (…). Es finden sich abweichende Bezeichnungen der Ämterhierarchie, kirchenrechtliche und kirchenmusikalische Lokaltraditionen, Formen der Volksfrömmigkeit, unterschiedliche Stellung in Staat und Gesellschaft. Die Einheit im Grundsätzlichen bei lokalen Unterschieden zeigt sich heute besonders in der Kalenderproblematik.

    Übrigens: die katholische Kirche streitet den Orthodoxen auch nicht ab, in der Apostolischen Tradition zu stehen.

    Niemand verkündet, daß sowohl das eine als auch das andere wahr sei. Niemand soll zwei Dinge glauben, die einander ausschließen; der Glaube muß in sich schlüssig und widerspruchsfrei bleiben, anders kann ein vernunftbegabter Mensch nicht glauben.

    Ja, da bin ich einverstanden.

    Es wird aber halt akzeptiert, daß unsere Kenntnis der Wahrheit — selbst in sehr wichtigen Bereichen — unvollständig ist. Geschlossen werden können diese Lücken (zumindest nach meiner Auffassung, ich bin mir nicht sicher, wer da zustimmen kann) nur durch den Heiligen Geist.

    Es geht auch nicht um die Kenntnis der vollen Wahrheit Gottes, die wir eh nie erkennen können. Es geht um die für das Heil relevante Wahrheit der Offenbarung. Wenn das, was die Apostel uns überliefert haben, nicht wahr ist, steht der gesamte christliche Glaube zur Disposition. Die Bibel dann übrigens auch, denn mindestens zwei Evangelisten haben ja Jesus nicht gekannt, sondern Überlieferungen verarbeitet.

    Die Apostel haben in ihren Briefen immer und immer wieder vor Irrlehrern gewarnt. Wie heißt es im 1. Johannesbrief? „Wer ist der Lügner – wenn nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist: wer den Vater und den Sohn leugnet. Wer leugnet, dass Jesus der Sohn ist, hat auch den Vater nicht; wer bekennt, dass er der Sohn ist, hat auch den Vater.“ (1 Joh 2,22-23)
    Die von Johannes erwähnten Irrlehrer haben sich womöglich auch für gute Christen gehalten, und hätten dagegen protestiert, wenn man ihnen gesagt hätte, dass man nicht Christ sein kann, wenn man nicht daran glaubt, dass Er der Messias und Sohn Gottes war. (Das ist nicht aus der Luft gegriffen – es gibt zeitgenössische Beispiele dafür.) Hatten sich hier die Apostel etwa verstiegen, als sie annahmen, sie könnten die Wahrheit über Christus verkünden?!

    Und noch was: „Jesus sagte zu ihnen: Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.“ (Joh, 6,53) Und weiter: „Viele seiner Jünger, die ihm nicht zuhörten, sagten: Was er sagt, ist unerträglich. Wer kann das anhören? Jesus erkannte, dass seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: Daran nehmt ihr Anstoß? (…) Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben. Aber es gibt unter euch einige, die nicht glauben. (…) Daraufhin zogen sich viele Jünger zurück und wanderten nicht mehr mit ihm umher.“ (Joh 6,60-61.63.66)

    Wie erklären eigentlich reformierte und evangelikale Christen, dass sie – trotz der Praxis und dem Verständnis in allen Zeiten der Kirche – dieser Aufforderung nicht Folge leisten? Ist es denn legitim, sich dieser Aufforderung Christi zu entziehen – nur weil man es so will?

  17. @matthias:

    Ich wollte mit meiner Darstellung nur die gesamte Vielfalt der protestantischen Lehre darstellen… 🙂 Natürlich gehört die lutherische Kirche in den Bereich: „sind der Leib und das Blut Christi, aber man braucht keinen geweihten Priester dazu“. Natürlich sind diese Darstellungen recht kurz und oberflächlich, aber ich wollte nur die prinzipiellen – und einander widersprechenden – Unterschiede herausstreichen. Calvinisten glauben z. B. – im Gegensatz zu Euch – nicht, dass Christus in Brot und Wein real präsent ist.

  18. Da hätte ich ja so meine Probleme, wäre ich Lutheraner, zum calvinistischen Abendmahl zu gehen. Scheint aber seit der Leuenburger Konkordie kein Thema mehr zu sein. Ich gebe zu, dass ich das nicht verstehe.

  19. Also, mal etwas ausführlicher: Glaube ich als Lutheraner (angenommen, ich wäre einer), dass Christus im calvinistischen Abendmahl – an dem ich in Folge der Leuenburger Konkordie teilzunehmen gedenke – real präsent ist, wenn der calvinistische Pastor und die übrige Gemeinde nicht daran glaubt? Oder nehme ich dann nur an einem Gedächtnismahl teil? (Was ja wohl Rückwirkungen auf mein eigenes Abendmahlsverständnis haben müsste.)

  20. Just for the record: Die Eucharistie mitfeiern kann auch, wer nicht zur Kommunion geht (und nur letzteres ist im Zweifel unerlaubt, wenn die rechte Disposition fehlt – was übrigens für Katholiken genauso gilt).

  21. Aha: da der Heilige Geist dort weht, wo er will, und es ja zur Gültigkeit des Abendmahls keine objektiven Kriterien (geweihter Priester, vorgeschriebene Formel) gibt, ist es für die Einheit der Christen nebensächlich, ob man der Aufforderung Christi, Seinen Leib zu essen und Sein Blut zu trinken (Joh 6), nachkommt oder nicht. Es geht nur darum, wie jeder es subjektiv versteht. Interessant….

    Übrigens – mal ganz prinzipiell: ich hätte von der evangelischen Seite gern einmal zu irgendwas eine biblische Begründung, warum man etwas so versteht und nicht anders. Vor allem angesichts dessen, dass ich immer und immer wieder Bibelstellen bringe (und dazu noch immer die gleichen: Mt 16,18-19, Joh 6, Joh 20,21-23, 1 Tim, 2 Tim, Jak 5,14…), aber dazu nichts zurückkommt – nicht einmal, dass die katholische Kirche dies oder jenes falsch interpretiert.

    Diese Bitte ist übrigens nicht sola scriptura, sondern einfach der Versuch, die Diskussionen hier von Behauptungen wegzubringen und auf eine greifbarere Basis zu stellen…

  22. Im Grundsatz richtig, aber die Grenzen werden genau andersherum gezogen: „Wer dies und jenes glaubt (also präzise bezeichneten Irrtümern anhängt), ist draußen (anathema sit).“

    Was bei „binären Wahrheiten“ (entweder A oder nichtA ist wahr) exakt auf das identische hinausläuft. (Deshalb antworte ich auch nicht auf den Exkurs in die Grundsätze der Logik.)

    Und: ich wäre der Allerletzte, der von Rom verlangt, konziliare Beschlüsse als Irrtümer zu widerrufen. Das sind meistens Theologen und Laienorganisationen, die „rk“ auf ihrer Lohnsteuerkarte stehen haben.

    @Petra:

    Habe noch was zu den Orthodoxen gepostet…

    Was ich dann auch dort beantworte; hier franst es ohnehin zu sehr aus.

    Es geht auch nicht um die Kenntnis der vollen Wahrheit Gottes, die wir eh nie erkennen können. Es geht um die für das Heil relevante Wahrheit der Offenbarung.

    Das ändert nichts am Problem, da die Grenzen der relevanten Wahrheit wieder umstritten sind. Also halte ich mich an Paulus: wenn der Details einer Institution als relevante Wahrheit betrachtet hätte, hätte er sie wohl weiter ausgeführt. Das hat aber erst die spätere Christenheit.

    Wenn das, was die Apostel uns überliefert haben, nicht wahr ist, steht der gesamte christliche Glaube zur Disposition.

    Sag ich ja immer.

    Hatten sich hier die Apostel etwa verstiegen, als sie annahmen, sie könnten die Wahrheit über Christus verkünden?!

    Nein, wie kommst Du wieder darauf?

    Es gibt einen Unterschied zwischen „unvollständiger Erkenntnis“ und „gar keiner Erkenntnis“.

    Wie erklären eigentlich reformierte und evangelikale Christen, dass sie – trotz der Praxis und dem Verständnis in allen Zeiten der Kirche – dieser Aufforderung nicht Folge leisten?

    Sie leisten ihr Folge. Denn „Dieses Brot ist mein Leib“ und dieses Brot teilen sie. Und Jesus hat nicht gesagt „wer nicht meinen von Priestern im Sinne […] gewandelten Leib ißt“. Und er hat nicht gesagt „Wenn ihr mit diesem Brot in ein chemisches Labor geht, wird man feststellen, daß es Fleisch ist“. Was er gesagt hat, ist offenkundig die Aufforderung zu einem unerklärlichen Geheimnis und dieser Aufforderung können auch irgendwelche Calvinisten nachkommen in einem Sinne, den ich nicht teilen kann.

  23. Binäre Wahrheiten liegen aber in den meisten Fällen gar nicht vor. Bei doppelter Verneinung lassen sich insgesamt vier Fälle unterscheiden, die nicht einfach mathematisch aufgelöst werden können (minus mal minus ergibt nicht unbedingt plus). Solch ein verworfener Lehrsatz hat immer zahlreiche Varianten, die gerade nicht verworfen werden…

  24. Denn „Dieses Brot ist mein Leib“ und dieses Brot teilen sie.

    Genau da liegt das Problem bei den Calvinisten: denn diese glauben nicht daran, dass sie gerade Leib und Blut Christi essen. Für sie ist es eine Gedenkveranstaltung.

    Und er hat nicht gesagt „Wenn ihr mit diesem Brot in ein chemisches Labor geht, wird man feststellen, daß es Fleisch ist“

    Ich hätte gedacht, Du hast Dich mit katholischer Theologie/Katechese beschäftigt. Denn dann wüsstest Du, dass keiner behauptet, man könne unter dem Mikroskop feststellen, dass das Leib und Blut Christi sind. Die Transsubstantiationslehre basiert auf dem platonischen Konzept der Substanz – diese ändert sich, nicht jedoch die äußere (chemische, physikalische) Gestalt. Und diese Lehre ist auch nur ein relativ spät entstandenes Hilfskonzept, um philosophisch das zu erklären, woran die Kirche von Anfang an glaubte: dass sie in Brot und Wein Leib und Blut Christi zu sich nahm.

    wenn der Details einer Institution als relevante Wahrheit betrachtet hätte, hätte er sie wohl weiter ausgeführt. Das hat aber erst die spätere Christenheit.

    Bitte tu nicht so, als hätten die Apostel alles wissen müssen, was in den nächsten 2000 Jahren auf die Kirche zukommen würde. In der Kirche der Apostel waren schon grundlegende Elemente festgelegt – etwa das besondere Amt der Apostel, das durch Handauflegung weitergegeben wurde. Dass die Apostel nicht mit den strukturellen Problemen einer über mehrere Kontinente verbreiteten Weltkirche und mit allen Häresien, die es in diesen beiden Jahrtausenden gab, auf einmal konfrontiert wurden (und sich daher ausführlich theologisch damit beschäftigen mussten), dafür konnten die Armen ja wirklich nix….

  25. Ich denke, es ist an der Zeit, sich mal mit der Unfehlbarkeit zu befassen. Meine These: Es gibt nur wenige Menschen, die die Lehre der Kirche in diesem Punkt wirklich verstanden haben und sie dennoch ablehnen. (Ich selbst habe sie auch noch nicht ganz verstanden, aber ich lehne sie nicht ab.)

    Aber vielleicht mal ein kleiner Gedanke: Wer sagt Dir eigentlich, dass Jesus Christus nicht heute lebt, und zwar in seiner Kirche, und ihr seinen Heiligen Geist als Beistand gesandt hat? Und dass deshalb das zwanghafte Schielen auf seine kurze Zeit auf Erden und das, was er in dieser Zeit als Mensch gesagt, getan und gemeint hat, nicht der Weisheit letzter Schluss sein muss? Christus hat sich auch nicht zur Frage geäußert, ob ich schneller fahren darf als das Tempolimit vorschreibt…

    Was ist denn mit den apostolischen Briefen? Zur Schrift gehören sie ja, aber woher weißt Du, dass die das enthalten, was Christus gemeint hat?

  26. „Das, was er gesagt, gedacht, gepredigt hat, ist die Mitte, die Essenz.“

    Ich würde formulieren: Er selbst ist die Mitte. (Vgl. Worum es geht.)

    „Was hier ganz offensichtlich versucht wird, ist die menschliche Weisheit, alles Mögliche aus den Evangelien und Briefen zu lesen, an erste Stelle zu setzen.“

    Hmm. Passiv-Konstruktionen dienen meistens zur Verschleierung, wer da der konkret Handelnde ist. Also: Wer versucht das? (An wen richtet sich Dein Vorwurf?)

  27. in Seiner Kirche (also in denen, die an ihn als den Messias glauben – aber das ist halt ein anderes Verständnis von Kirche). Denjenigen, die an ihn glauben, hat er – damit stimme ich ja ebenfalls überein – den Heiligen Geist als Beistand gesandt.

    Meinst Du damit, dass alle Christen durch den Heiligen Geist gleichermaßen die volle Wahrheit über Christus erkennen – ohne Irrtum und Häresie? Die Geschichte der Kirche scheint dem zu widersprechen…

  28. Zu fragen wäre doch erst einmal, ob es überhaupt Häresien gibt oder geben kann. Oder ob es sich bei der Verurteilung als Häresie nur um ein weltliches Machtinstrument handelt.

  29. Der Geist als Beistand und Lehrer (Joh 16)
    5 Jetzt aber gehe ich zu dem, der mich gesandt hat, und keiner von euch fragt mich: Wohin gehst du?
    6 Vielmehr ist euer Herz von Trauer erfüllt, weil ich euch das gesagt habe.
    7 Doch ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich fortgehe. Denn wenn ich nicht fortgehe, wird der Beistand nicht zu euch kommen; gehe ich aber, so werde ich ihn zu euch senden.
    8 Und wenn er kommt, wird er die Welt überführen (und aufdecken), was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist;
    9 Sünde: dass sie nicht an mich glauben;
    10 Gerechtigkeit: dass ich zum Vater gehe und ihr mich nicht mehr seht;
    11 Gericht: dass der Herrscher dieser Welt gerichtet ist.
    12 Noch vieles habe ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen.
    13 Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit führen. Denn er wird nicht aus sich selbst heraus reden, sondern er wird sagen, was er hört, und euch verkünden, was kommen wird.
    14 Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden.
    15 Alles, was der Vater hat, ist mein; darum habe ich gesagt: Er nimmt von dem, was mein ist, und wird es euch verkünden.

  30. @philip:

    Danke für Deine Antwort (be so vielen hier hoffe ich, daß Du die meine auch noch liest).

    Das Bild mit Kreis und Wolke gefällt mir recht gut, auch wenn es natürlich wie jedes etwas zu statisch ist. En détail gäbe es da viel zu diskutieren. Aber wie auch immer, was ich mich frage:

    Wie definieren diese Protestanten dieses Zentrum. Mag wieder als katholische Erklärsucht ankommen, aber selbst im Islam wird ja Isa ben Marjam als Prophet verehrt, insofern ist ein genaueres Jesusbild – auch als Abgrenzung, so ist es! – notwendig.

    Mit der Bibel allein kann man die Person Jesu aber nicht abgrenzen, nichts definitives über sein Wesen sagen: die Arianer, Monophysiten, Nestorianer und heutzutage die Zeugen Jehovas kennen oder kannten die Bibel auch sehr gut, trotzdem lehn(t)en sie alle das Credo der Konzile bzgl. Christus ab. Biblisch gesehen aber könnte ihre meinung eine der möglichen sein, mache wir sie nicht dumm!

    Damit wäre ich wieder bei dem Thema, das ich schon einmal hatte und das hier zuletzt kurz erwähnt wurde: die Verbindlichkeit (und damit geglaubte Unfehlbarkeit!) der Konzile. Ein Orthodoxer hat damit kein Problem, im Gegenteil!

    Also: sind bspw. die ersten sieben Ökumen. Konzile unfehlbar in ihren Entscheidungen?

  31. @Matthias:

    Ich finde es interessant, dass alles, was Christus zu den Aposteln sagt, von protestantischer Seite immer automatisch auf alle Christen übertragen wird. Natürlich trifft das an vielen Stellen zu. Apg 8,9-25 (wo zu meiner Frage übrigens noch immer keine Antwort gekommen ist) zeigt uns jedoch, dass es in manchen Bereichen einen Unterschied gibt.

    Um nicht missverständlich zu sein: natürlich gelten die Zusagen und Aufforderungen Christi an die Apostel pars pro toto für die gesamte Christenheit bzw. die gesamte Kirche. Das ist bei einer Kirche, die auf die Apostel gegründet wurde, auch nicht weiter problematisch. Doch wenn die Apostel (bzw. deren Nachfolger) aus der Gleichung genommen werden – stimmen dann diese Zusagen in dieser Form noch immer?

    Schließlich lesen wir nirgendwo in der Apostelgeschichte oder in den Apostelbriefen, dass in der frühen Kirche den einfachen Gläubigen bei Glaubenswahrheiten „zugehört“ wurde – im Gegenteil, die Apostel waren sich sehr im Klaren darüber, dass sie die Offenbarung Christi vor Verfälschungen schützen mussten; und diese Vollmacht nahmen sie auch in Anspruch.

  32. Für sie ist es eine Gedenkveranstaltung.

    Sie glauben es anders. Ich erkläre das am besten nach diesem:

    Denn dann wüsstest Du, dass keiner behauptet, man könne unter dem Mikroskop feststellen, dass das Leib und Blut Christi sind.

    Das weiß ich ja! Das wäre aber die materialistische Auslegung von „ist“ (die bei den entsetzten Jüngern auf Ablehnung stieß).

    Das Wort war also vom ersten Augenblick an unklar und es hat jahrhundertelang Diskussionen darum gegeben, bis sich „Transsubstantiation“ in ihrem heutigen Verständnis herausgebildet hat (und selbst innerhalb von dieser wird noch heruminterpretiert!).

    Nur: wer nicht einmal glauben kann, daß dieser Wein jetzt Christi Blut ist … wie soll der glauben, daß Gott Mensch wird?

    Alle Christen, die um die Interpretation des Satzes rangen, in all den Jahrhunderten, wollten nur dem Auftrag gerecht werden! Ich unterstelle einfach (im Gegensatz zu Dir), daß keiner den mutwillig ablehnt.

    Weil es wörtlich materiell nicht geht (sonst gäbe es keine Diskussion), wird um das sinnvollste Verständnis gerungen. Transsubstantiation, Bedeutungsanreicherung, Symbol, Erinnerung … was es alles gibt. Alles Versuche, von denen man einen für wahr und richtig halten muß (einen Glauben, der sagt: „Keine Ahnung, was das soll, tun wir es halt“ kann ich mir nicht denken, während ich in anderen Fragen durchaus dazu neige zu sagen „Hat keinen Einfluß auf meine Gottesbeziehung, warum also darüber streiten“).

    Kein Calvinist sagt „Humbug, so einen blöden Befehl verweigern wir“! Sie sagen: „wir wollen nicht, daß der (für uns) eigentliche Sinn durch irgendwelches Hokuspokus (dieses Wort kommt vom hoc est corpus, das die Leute im Mittelalter wohl für eine Art Zaubertrick hielten!) verdeckt wird.“ Und dieser eigentliche Sinn ist nach ihrer Auffassung eben an dem Wort vom „neuen Testament in meinem blut“ zu sehen, wo der Kelch plötzlich nicht mehr Blut, sondern „Testament im Blut“ ist. Damit wird ihnen das ganze zum „unblutigen“ Erinnerungsmahl, zum neuen Bund mit Gott.

    Ich halte ihnen entgegen „Dann hätte Jesus auf ihr Entsetzen hin gesagt, wie das anders zu verstehen sei. Hat er aber nicht und eine solche erleichternde Stelle läßt auch kein Redakteur eines Bibelbuches weg. Also folgt ihr dem Auftrag falsch.“ Ich sage aber nicht „Ihr entzieht euch dem Auftrag“. Weil ich mich weit genug einfühle, um den Unterschied zu merken.

    Beispiel (sorry, bin Ingenieur):

    Wenn ich unserem Techniker sage, er soll das Gerät für Einsatz X konfigurieren, er konfiguriert es aber für Einsatz Y — wie mache ich es ihm einsichtig?

    Du würdest ihm wohl vor den Kopf knallen „Warum befolgst Du nicht meinen Auftrag“ (Zumindest tust Du das mit Calvinisten).

    Ich dagegen erkläre ihm „Du hast den Auftrag falsch erfüllt, denn für Auftrag X brauchen wir doch das Modul Z“.

    Und ich sage Dir, daß man so mit Menschen wesentlich besser diskutieren kann.

    Bitte tu nicht so, als hätten die Apostel alles wissen müssen, was in den nächsten 2000 Jahren auf die Kirche zukommen würde.

    Gut, tue ich nicht. Halt nur das „relevante“. Und was war das noch gleich?

    Dass die Apostel nicht mit den strukturellen Problemen einer über mehrere Kontinente verbreiteten Weltkirche […]

    So ist es. Der Auftrag war da (Missionsbefehl), aber nicht das Vorgehen (bis auf Aspekte, etwa immer zu zweit loszuziehen).

    Aber was kommt dann!? Eine Gemeinde ist da. Wenn weitere dazukommen, spiegle ich die vorhandene Struktur, ordne ich sie unter, brauchen sie eine „Dachorganisation“? Keine Anleitung, nur Hinweise in die eine oder andere Richtung.

    Müssen die Zwölf immer zwölf bleiben (die Nachwahl spricht dafür)? Oder zwölf pro Gemeinde? Oder prozentual zur Gesamtschar?

    Immerhin, bei zentralen Meinungsverschiedenheiten (plump: „wieviel Judentum braucht die Heidenmission?“) war klar: das muß geklärt werden, da stiegen die Bosse in den Ring. Heraus kam (o Schreck!) ein Minimalkonsens („euch keine weitere Last aufzuerlegen als diese notwendigen Dinge“).

    Es ist aber etwa nicht bekannt, daß es unter den ersten Christen Diskussionen gab, ob der Geist „erschaffen wurde“ oder „hervorgegangen ist“. Also war das entweder klar (und wurde später vergessen) oder es war egal (und die sind hoffentlich auch ohne festen Standpunkt gerettet worden).

    Um einen provokativen Abschluß zu finden: bei mir steht, „dass sie alle eins seien, auf dass die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast“ und nicht „Ich habe euch alles mitgegeben, was nötig zum Heil ist. Wenn ihr also keine Probleme mehr habt, müßt ihr euch halt welche suchen, um euch über Spitzfindigkeiten zu entzweien“.

  33. Philipp, ich bin in vielen Dingen Deiner Meinung, möchte aber einige noch klarstellen:

    Es geht nicht um die Transsubstantiation (als Begriff oder als philosophisches Erklärungsmodell). Die Ostkirchen etwa kennen den Begriff gar nicht – und werfen der katholischen Kirche auch immer wieder vor, alles so zu rationalisieren und genau erklären zu wollen…. Das Eucharistieverständnis ist aber im Osten wie im Westen das Gleiche: Das ist mein Leib – und das für das Aussprechen dieser Worte ein (von einem Nachfolger der Apostel geweihter) Priester vonnöten ist.

    „Du hast den Auftrag falsch erfüllt, denn für Auftrag X brauchen wir doch das Modul Z“.

    Gut, ich sage ihnen: „Du hast den Auftrag falsch erfüllt, denn für Auftrag X (Eucharistie) brauchen wir das Modul Z (einen geweihten Priester).“
    Und was wäre die Antwort?
    „Ihr Katholen, lasst uns doch endlich mit eurem dogmatischen Kram! Wo bitte steht in der Schrift, dass man einen geweihten Priester braucht?!“

    Den Calvinisten könnte man natürlich nur sagen, die Eucharistie bedeutet das und das – lest bitte einfach noch einmal die entsprechenden Stellen in der Bibel. Nur es würde wieder das Gleiche passieren – das, was ich mit Matthias bei unseren biblischen Diskussionen immer wieder erlebe: „Das kann man doch auch ganz anders lesen…“ Implizit steht noch dabei: „Hat schon Calvin gemacht, und wir werden das jetzt auch nicht ändern…“

    Die Ablehnung der Sakramente („Zeichen, die bewirken, was sie bezeichnen“ – was übrigens auch die evangelische Kirche vertritt) steht übrigens im engen Zusammenhang mit der Ablehnung einer sichtbaren, auf die Apostel und deren Nachfolger gegründeten Kirche („Leib Christi“ – also die Weiterführung der Inkarnation). „Wozu brauch ma des?!“, würde ein guter Wiener zu den Sakramenten nur fragen, wenn er Calvinist/Pfingstler/Baptist/Freikirchler… wäre… 🙂

    Heraus kam (o Schreck!) ein Minimalkonsens
    Da diese Entscheidung auf der Vision Petri und die Taufe des Hauptmanns Kornelius und dessen Familie zurückgeht, würde ich den Ausdruck „Minimalkonsens“ eher dahingestellt lassen – wie wär’s mit „Wirken des Heiligen Geistes“? 🙂

    Halt nur das „relevante“. Und was war das noch gleich?
    Das, von dem die Reformatoren die Hälfte weggeschmissen haben… 🙂

    Keine Anleitung, nur Hinweise in die eine oder andere Richtung.
    Angesichts dessen haben die Apostel ziemlich klare Vorstellungen gehabt: sie waren die Führungskräfte der neuen Kirche, bestimmten durch Handauflegen die Amtsträger der örtlichen Gemeinden sowie ihre eigenen Nachfolger, versuchten, durch Briefe und Reisen die Gemeinden bei der Stange zu halten, gegen Irrlehren zu schützen und in ihnen den Glauben zu bestärken…

    um euch über Spitzfindigkeiten zu entzweien
    Dabei gebe ich Dir Recht – manche von den im Laufe der Geschichte diskutierten Dingen waren wirklich Spitzfindigkeiten (filioque, manche Debatten um den Monophysitismus, manche Aspekte der Debatte um die Rechtfertigungslehre…). Aber Dinge wie was Kirche ist oder was die Sakramente sind und wieviele es davon gibt, sind eben keine Spitzfindigkeiten, sondern gehören zu den Grundlagen des Glaubens.

  34. Matthias, was Du vertrittst, ist das, was Joseph Cardinal Ratzinger in seiner Predigt vor Beginn des Konklave als Diktatur des Relativismus bezeichnet hat.